Aufführungsbesprechung Graz: darunter „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber, Korrespondenznachrichten vom 24. Juni bis 4. Juli 1822

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Correspondenz-Nachricht.

Tagebuch der Grätzer-Bühne. Juni 1822.

Der um das Aufblühen der Musik in der Steyermark so hoch verdiente Orchester-Direktor, Hr. Eduard Hysel, brachte den 24. zu seinem Vortheile Carl Maria von Weber’s gefeiertes Meisterwerk: "der Freischütze" auf die Bühne. Die Classizität dieser Composition ist durch den ungetheilten Beifall, den sie gegenwärtig, in einem durch Rossini’schen Klingklang verwöhnten Zeitalter in ganz Deutschland erhält, glänzend entschieden, und bereits zu vielfältig besprochen worden, als daß wir den Werth dieses herrlichen Werkes durch eine neuerliche kritische Beleuchtung zu erhöhen glauben könnten. Es erübriget uns demnach nur den verehrten Lesern dieser Zeitschrift Einiges über die Produktion mitzutheilen. – Was Herr Hysel vor mehreren Jahren als Theater-Unternehmer für die Kunst, selbst mit Aufopferung seines Vermögens, geleistet hat, lebt noch im Andenken jedes gebildeten Steyermärkers. Eben so wird uns nie die Erinnerung an das Kunstfest entschwinden, so er uns durch die vortreffliche Aufführung dieser genialen Schöpfung Weber’s bereitete. Die Chöre von Hrn. Hysel selbst eingeübt, und durch sechs wohl unterrichtete Knaben, größtentheils Zöglinge des Musik-Vereines, verstärkt, übertrafen jede Erwartung. Die Herren Stephan Dunst, Max, Franz Dunst, Caspar, und Krebs, Erbförster, so wie die Damen Bianchi, Agathe, und Mad. Dunst d. j., Annchen, lieferten ihre Parthieen mit Fleiß und Präzision. Das durch mehrere Kunstfreunde verstärkte Orchesterpersonale war seines kunstsinnigen Leiters würdig, und wirkte mit Energie und Feuer zum schönen Einklange mit den Sängern. Der im zweiten Akte vorkommenden Wolfsschlucht mit den beweglichen Schreckenserscheinungen, vom ständischen Decorateur, Hrn. Martinelli, kann man das verdiente Lob nicht versagen. Eben so gebührt unserem Garderobier, Herrn Reinhofer, ehrenvolle Erwähnung über die neuen, geschmackvoll gelieferten Costüme. – Herr Hysel bewährte durch die ganz auf eigene Kosten beigeschaffte, brillante Ausstattung dieser Oper neuerdings seine ausgezeichnete Achtung für die Kunst und das Publikum, welches ihn auch, durch die sinnige Produktion entzückt, nach dem zweiten Akte und am Schluße mit tobendem Enthusiasm[us] hervorrief.

Den 25. "Ein Abentheuer des Königs Stanislaus." Dieses nach dem Französischen bearbeitete Lustspiel wurde durch das fleißige Spiel der Herren Kindler, Stanislaus, Frey, Zygmunt Lowinsky, und Scholz, Fedor, dann der Damen Mevius, Jatwiga, und Dunst d. j., Franziska, beifällig aufgenommen. Am Schluße wurden alle Spielenden vorgerufen.

Den 26. "der Freischütze." Herr Hysel hat die Oper sammt allem Beigeschafften der bedrängten Direktion gegen eine äußerst billige Entschädigung überlassen, und sie dadurch in den Stand gesetzt, nach langer Zeit wieder die erste Wochengage dem Personale zahlen zu können. – Der Jägerchor im dritten Akte, zu dessen vorzüglichem Effekte die sechs Knaben nicht wenig beitrugen, mußte wiederholt werden.

Den 27. "Ein Abentheuer des Königs Stanislaus." Es wurden abermals Alle vorgerufen. Nach Ende des Lustspiels spielte der Herr Kapellmeister Stauffer den ersten Satz des A moll Con¦certes fürs Pianoforte von Hummel, mit der ihm eigenen Fertigkeit und Präcision.

Den 29. "der Eheteufel." Hr. Scholz und Mad. Dunst d. j. entschädigten als Herr und Frau von Storcc für die Mängel der übrigen Produktion

Am 30. "die Rettung," Vorspiel in einem Akte. Hierauf: "der Tagsbefehl." Ungeachtet sich Menschen und Pferde auf der Bühne herumtummelten, und sogar eine drei Spannen hohe Schanze erstürmt wurde, wollte diese Aufführung dennoch nicht behagen, da wir schon gelungenere sahen. Herr Kindler besitzt für die Rolle des Rittmeisters Hellwitz, den Herr Ziegler ungleich besser gab, viel zu wenig Kraft. Herr Pusch, Graf Bannewitz, perorirte ohne zu wissen was? und Mlle. Wecker erregte durch eine linkische Ohnmacht lautes Gelächter. Nur Hr. Frey, Profos, wußte ganz anzusprechen. Ihm zunächst genügte Hr. Domaratius als Herzog, der Hrn. Töpfer nicht unglücklich copirte.

Juli 1822.

Den 1. "der Freischütze." Das weibliche Personale distonirte gräulich. Durch die Nachläßigkeit der beiden Theatermeister und ihrer unbeholfenen, leider im ständischen Sold stehenden Arbeitsleute gingen die Maschinen im zweiten Akte merklich schlechter. Der Jägerchor mußte wiederholt werden.

Den 2. "Eduard in Schottland." Hrn. Pusch, Argyl, und der allerliebst costümirten Mad. Mevius, Lady, schien das Gedächtniß nicht immer Folge leisten zu wollen. Hr. Kindler, Eduard, befriedigte allgemein. Hr. Frey, Lord Athol, und Hr. Hoffman, Tom, entschädigten für Herrn Domaratius, Herzog, der gleich bei seinem ersten Erscheinen die Lachlust des Publikums rege machte. Die Garderobe von Hrn. Reinhofer war charakteristisch und geschmackvoll.

Den 3. zum Vortheile des Chor-Personales: "die Teufelsbrücke am Harzgebirge, oder Mirana, das Bergweibchen." Dieses geistlose Produkt würde ein trauriges Schicksal erfahren haben, wäre nicht Mad. Dunst d. j., als Mirana eine so liebliche Erscheinung gewesen.

Den 4. "der Freischütze." Der Chor der Brautjungfrauen und jener der Jäger gefielen ungemein. Letzterer mußte abermals wiederholt werden.

Hr. Schätzl hat unsere Bühne wieder verlassen. Die k. k. Hofschauspieler, Hr. Heurteur und Schwarz sind bereits auf mehrere Gastspiele angekommen.

Nächstens wird Rossini’s: "Othello" neu in die Scene gesetzt werden.

P.

Apparat

Zusammenfassung

Korrespondenznachrichten Grätz vom 24. Juni bis 4. Juli 1822. Dabei auch über „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Wiener allgemeine Theaterzeitung, Jg. 15, Nr. 87 (20. Juli 1822), S. 348

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