Aufführungsbesprechung Berlin, Schauspielhaus: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 7. April 1822

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Leben athmete die bildende Kunst, Geist fordr’ ich vom Dichter, Aber die Seele spricht nur Polyhymnia aus.

Schiller.

(K) Webers "Freischütz" am 7. April.

Genial, mit dem innigsten Gefühle, wie überall in seinen Schriften, spricht Jean Paul im ersten Bande seines Kometen die schönen Worte aus:

„Es giebt solche Stimmen, welche aus der Brusttiefe wie lauter Anreden des Wohlwollens und Tröstens aufsteigen, und ordentlich das Herz suchen, dem sie recht helfen können; Redestimmen, schöner als Singstimmen, weil sie länger reden, und weil sie nur Eigenes, nicht, wie diese, Fremdes aussprechen; und weil sie nicht wie die Flöte bezaubern wollen, und kaum wie die Harmonika erweichen, sondern nur wie das Waldhorn liebevoll ins Herz hineinreden, wie Ruf aus der Ferne.“

Wie innig empfinde Jeder die Wahrheit dieses Ausspruchs, der die liebliche Engelsstimme der Musik in Webers herrlichem Freischütz vernahm, dem diese schönen Melodien, wie die Sprache der Liebe und Freundschaft, in unwiderstehlichem Zauber das Herz egriffen. Denn fast unmöglich ist es, daß irgend eine Oper von der ersten bis zur letzten Note, wie diese, durch immer trefflichere, durch immer mehr zum Herzen sprechendere Stellen ausgestattet sein kann; jeden Augenblick überraschen lieblichere Akkorde, und ein unendlicher Reichthum von Harmonieen, zeugend von der Genialität des hochverehrten Meisters, lehrt uns entzückt das Wunderreich der Töne kennen. – Schon Vieles ist über diese Zauberschöpfung des von St. Cecilia hochbegeisterten Componisten gesagt, doch reicht keine Sprache ¦ hin, und ist kein Wort ausdrucksvoll genug, um das beseligende Gefühl zu beschreiben, das sich durch alle Adern ergießt, wenn diese freundliche Stimme, dem traulichen Gespräche im Familienkreise vergleichbar, unsere Herzen mit überschwänglichem Liebreiz zu sich hinzieht. – Heil, Glück und langes Leben dem Manne, der solches der Zeit trotzendes Meisterwerk hervorbrachte; bis in die spätesten Geschlechter wird man noch seiner neben Mozart und Gluck mit Liebe und Bewunderung gedenken. –

Ist es nun unverzeihlich, wenn die Aufführung einer solchen Oper mit Nachlässigkeit oder unpassender Besetzung geschieht, so ist es auch um so preiswürdiger, wenn mit ganz besonderer Lust und Liebe der Genuß dieses lieblichen Musikstückes durch das schönste Ensemblespiel auf das Höchste gesteigert wird. So war denn auch diesmal die Darstellung so tadellos und mit solcher lobenswerthen Präcision, wie sie kaum schöner im Beisein des Meisters mag ausgeführt worden sein. – Man kann schwerlich einen besseren Caspar finden, wie ihn uns Herr Blume repräsentirt; ganz wie aus dem Leben gegriffen giebt er das Gemälde der satanischen Verderbtheit; auch heute entsprach sein Spiel gewiß jeder Erwartung. Besonders vorzüglich trug er das Trinklied vor, und mit außerordentlicher Kraft das bald darauf folgende: „Schweig, schweig!“ in teuflischem Jubel. Herr Stümer als Max entfaltete die ganze Schönheit seiner Stimme in der gefühlvollen Arie: „Durch die Wälder &c.“, und war es nur etwas unangenehm, da er durchgängig löblich spielte, ihn in der Schlußscene des Stückes sich etwas zu steif bewegen zu sehen. Mit der höchsten Liebenswürdigkeit gab Mad. Seidler die Agathe; mit innigstem Wohlgefallen begleitet Jeder ihr Spiel, und fühlte sich bezaubert von ihrem entzückenden Gesange. Fast unübertrefflich ist sie in der | Arie: „Wie nahte mir der Schlummer,“ so auch in der Cavatine: „Und ob die Wolke sich verhülle.“ Beschämt muß der schönste Sprosser, ja Philomele selbst, schweigen, wenn sie mit dem gefühlvollsten Liebreiz ihre Stimme hören läßt. Beim Choral in ersterer Arie glaubt man eine Madonna vor sich zu sehen, die höchste Vollendung liegt in ihrem Spiel und Gesang, und so spricht, was mit der tiefsten Empfindung aus dem Herzen kommt, wieder zu Herzen. Bei einem solchen glänzenden Verein der trefflichsten Leistungen, wo auch noch Dem. Eunicke mit Lob genannt zu werden verdient, welche die Partie des Annchens mit vielem Fleiße giebt, und die ausgelassene muntere Laune gegen den stillen Duldersinn der Agathe mit gutem Erfolge darzustellen weiß, war in der That diese Vorstellung zu den gelungensten zu zählen, da auch die Nebenpersonen, und besonders die Chöre, welche früher einigemal zu schwach besetzt waren, diesmal mit kraftvoller Präcision in das Gesammtspiel eingriffen.

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Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Berlin: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 7. April 1822

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für Theater und Musik zur Unterhaltung gebildeter, unbefangener Leser. Eine Begleiterin des Freimüthigen, Bd. 2, Heft 16 (20. April 1822), Sp. 61–62

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