Aufführungsbesprechung Wien, Kärntnertor-Theater: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber im November 1821
Nachrichten.
Wien. Uebersicht des Monats November. Hofoper. Wunder über Wunder! In unserer, mit Recht verrufenen, Afterkunst-Periode, in einem Zeitpunkte, wo nur musikalische Seiltänzerey, sinnloses Tongewirre und abgedroschene Klingklangs-Tiraden auf Beyfall rechnen zu können schienen, hat Webers Freyschütze einen eminenten Sieg davon getragen, und einen Enthusiasmus hervorgebracht, der bey jeder Wiederholung gleich der ins Thal rollenden Lau‡wine sich vergrössert, und Deutschlands Tonsetzern dadurch das erfreulichste Prognostikon stellt, dass sie nur etwas recht gediegenes zu liefern brauchen, um in ihren Landsleuten das durch italienische Leckerey eingelullte bessere Selbstgefu‡hl, wenn auch etwas gewaltsam, aufzurütteln, und den unverdorbenen Sinn für das einzig Wahre und Schöne aus seinem lethargischen Schlummer | zu erwecken. Freylich waren nebst dem anziehenden Stoffe, der – trotz einer nicht zu rechtfertigenden Verstümmelung, indem das gute und böse Princip herausgestrichen, die Handlung um ein paar Jahrhunderte zurückverlegt, und das, Weidmännern allbekannte Kugelgiessen in verzauberte Armbrustbolzen metamorphosirt wurde, – dennoch inhaltsreich genug ist, um das Interesse auf das lebhafteste zu fesseln, freylich waren es besonders einige populäre Melodieen, hauptsächlich der Neck-Chor, des wilden Kaspers teuflisch frivoles Trinklied und die jubelnde Jäger-Fanfare im letzten Akte, wodurch die Menge sich angezogen fühlte; aber diese erklärten Favoritstücke verschaften auch allmählig den übrigen Theilen des herrlichen Ganzen gerechte Anerkennung, und jetzt wird auch die meisterliche Ouverture, eine treue Charakterzeichnung des ganzen Werkes, die grosse Scene mit dem Gebete, so die ächt satanische Triumpharie des Verführers, ferner Agathens leidenschaftliche Scenen, das schöne Trio des zweyten Aktes, das grausend effektvolle Finale mit den Spuk-Erscheinungen in der Wolfsgrube, endlich der wunderliebliche Gesang der Brautjungfern, nach Verdienst gewürdigt, und alle Stimmen vereinen sich zum Lob und Preise des denkenden, originellen, wahrhaft genialen Componisten, der das Vaterland gerade in dem Momente des dringendsten Bedarfes mit dieser köstlichen Geistesgeburt beschenkte, worin sich Harmonie und Melodie brüderlich verzweigen, und die ganze Kraft eines kunstgerechten deutschen Instrumentalisten in glänzender Herrlichkeit sich entfaltet. Die für das Orchester schwer auszuführende Musik wurde von dem wackern Künstlerverein mit grosser Präcision und Energie vorgetragen; in den Singrollen excellirte Dem. Schröder, Hr. Forti und Rosner, so wie auch in den kleinern Partieen Dem. Thekla Demmer, die Herren Vogel, Weinmüller und Gottdank nebst den tüchtig besetzten und eingeübten Chören trefflich zusammenwirkten. –
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Wien, Hofoper: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber im November 1821
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Mo, Ran
Überlieferung
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Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 24, Nr. 1 (2. Januar 1822), Sp. 12–15