Über den Carneval in Prag

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Das Carneval zu Prag.

Der Böhme liebt die Tonkunst, noch mehr aber den Tanz. Wer dies nicht glauben will, der komme hieher und bringe die Wochen des Carnevals hier zu – er lese die zahllosen Ankündigungen der Musikhandlungen von neuen Tanzkompositionen, deren Zahl Legion ist, und er wird von seinem Unglauben bekehrt seyn.

Gewöhnlich ist der Carneval, je länger, desto minder lebhaft; aber der diesjährige hat in der That eine Ausnahme gemacht, und man kann wohl mit Recht sagen: daß durch 7 Wochen der Himmel voller Geigen hing. Jetzt ist die stille Fastenzeit an die Stelle der rauschenden Lustbarkeiten getreten, und wir können mit Ruhe uns des verflossenen Carnevals erinnern und seine Genüsse betrachten.

Der hohe Adel und die reichern Privatpersonen haben eine große Anzahl von Bällen und Piqueniques veranstaltet. An der Spitze der erstern stand das glänzende Ballfest, durch welches Se. Exzellenz der Herr Oberstburggraf, Graf von Kolowrat das Geburtsfest Sr. Maj. des Kaisers beging.

Mehrere der ersten adelichen Häuser gaben wöchentlich Assemblèes dansantes und alle übrigen Stände folgten diesem Beyspiel, so, daß alle Tage von geselligen Lustbarkeiten begleitet waren, und fast jeder, der den Raum dazu hatte, einen oder mehrere Bälle oder Piqueniques veranstaltete.

Von allen öffentlichen Lustbarkeiten ist die Redoute wohl das älteste Institut, doch waren die heurigen nicht so zahlreich als gewöhnlich besucht, woran vielleicht die vielen Hausbälle an den Sonntagen Ursache waren. Desto glänzender waren die Gesellschaftsbälle des Hrn. Direktor Liebich, welche gleichsam einen Vereinigungspunkt des Adels und der Bürgerklassen bilden, und sich durch musterhafte Ordnung und anständige Geselligkeit auszeichnen. Nebst zwey maskirten Kinderbällen hatte Hr. Liebich, dessen Sorgfalt das Publikum so viele Unterhaltungen verdankt, auch einen maskirten Gesellschaftsball veranstaltet, der durch eine gewählte Gesellschaft und sinnreiche Masken an die ehemalige goldne Zeit der Prager Redoute erinnerte, wo es gleichsam ein unverbrüchliches Gesetz des guten Tons war, selbe zu besuchen, und wo die glänzendsten Maskenzüge und Schautänze den Zuschauer vergnügten.

Auch die Hörer des Rechts setzten in diesem Carneval ihre gewöhnlichen Bälle fort, bey welchen sich die Wohlthätigkeit mit der Lust vereint, da der Ueberschuß der Einnahme stets wohlthätigen Zwecken gewidmet ist.

Vor vielen Bällen aber zeichnete sich das in der letzten Woche des Carnevals veranstaltete Tanzfest der Hörer des polytechnischen Instituts, durch Glanz und Ordnung aufs vortheilhafteste aus, und wir können uns das Vergnügen nicht versagen, dessen hier ausführlicher zu gedenken. Die Unternehmer voll Liebe zu den Wissenschaften und gleichwohl auch nach äußerer Bildung strebend, voll Dankes für die erhabnen Begründer dieser wohlthätigen Anstalt und für ihre Lehrer, wünschten dies Gefühl abermals auf eine öffentliche und glänzende Weise auszusprechen, und vollzogen dies durch eine Lustbarkeit, an der alle ausgezeichneten und gebildeten Personen der Hauptstadt Theil nehmen sollten. Es wurden 2100 Eintrittskarten (nach der vortrefflichen Zeichnung des Hrn. Direktor Bergler von Hrn. Döbler gestochen) unentgeldlich vertheilt, deren schönes Aussehen das Unternehmen schon im Voraus empfahl, und durch den Erfolg vollkommen gerechtfertigt wurde.

Um sechs Uhr Abends waren die Thüren geöffnet, und der mit Rosengewinden geschmückte, reich beleuchtete Saal erwartete die Gäste. Als Ouverture des Tanzfestes ertönte ein Krommersches Concertando, worin sich die anerkannten Tonkünstler Hrn. Clement und Janusch abermals den herzlichsten Beyfall der versammelten Gesellschaft erwarben. Die Tanzmusik war ebenfalls – theils von zwey Hörern der Technik, Hrn. Ranghieri und Maysl, theils von innigen andern Musikfreunden – neu erfunden, worunter vorzüglich eine Parthie teutscher Tänze, (die eine Art von Pot-Pourri aus den beliebtesten Opern bildeten) von Hrn. Schmiedel großen Beyfall erhielten.

Die Versammlung aus allen Ständen wurde durch die Anwesenheit Sr. Exzellenz des Hrn. Oberstburggrafen, und des Hrn. Gubernial-Vizepräsidenten Ritter von Schüller Exzellenz, nebst mehrern k. böhm. Herrn Ständen, und einer großen Zahl von Personen des hohen Adels und andern ausgezeichneten Civil- und Militärpersonen verherrlicht. Eine zahllose Menge der schönsten Blüthen des schönern Geschlechts erhöhte den Reiz des Festes, das selbst den Nichttänzer auf die angenehmste Weise vergnügte. Der Ball dauerte bis 5 Uhr, und hinterließ gewiß in jedem Anwesenden eine freundliche Erinnerung, wohl auch bey vielen den Wunsch einer baldigen Wiederkehr.

Einen erfreulichen Anblick gewähren auch die Bälle, durch welche die Vorsteher der hiesigen Militär-Erziehungshäuser ihre Zöglinge für ihren Fleiß und Folgsamkeit belohnen. Hier vermählt sich die strenge militärische Ordnung mit der unbefangnen Fröhlichkeit der Jugend, und viele Civilpersonen wohnen diesen Bällen bey und nehmen den herzlichsten Antheil an der Lust der werdenden Krieger.

Unter den bisher noch nicht genannten Bällen und Ballunternehmern zeichnete sich vor allen der Eigenthümer des Baadsaales Hr. J. Tichý aus, welcher nebst seinen gewöhnlichen Dienstagsbällen, die sehr zahlreich besucht wurden, auch mehrere Bälle zum Besten wohlthätiger Anstalten veranstaltete, und überhaupt sich zu jeder Unterstützung der Armuth und des Verdienstes bereitwillig zeigte. Auch der hiesige geschickte Instrumentenmacher Hr. Weiß (der schon so oft Beweise von Patriotismus und Menschenliebe gegeben, und dessen reger Thätigkeit die hiesigen Anstalten große Unterstützungen verdanken) veranstaltete eine Redoute zu einem wohlthätigen Zwecke, und verschaffte dem Publikum Prags eine neue Gelegenheit, seine Liebe zum Wohlthun zu beurkunden.

Wir übergehen die zahllosen Bälle für die niedere Volksklasse, die sich alle ähnlich sehen, und zu jeder Zeit dieselben sind.

Apparat

Generalvermerk

bei Bužga Weber zugeschrieben

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Solveig Schreiter

Überlieferung

  • Textzeuge: Kaiserlich Königlich privilegirte Prager Zeitung, Jg. 3, Nr. 67 (7. März 1816), S. 263

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Jaroslav Bužga, Vergessene Aufsätze, Berichte und Mitteilungen aus Carl Maria von Webers Prager Wirkungszeit (1813–1816), S. 128–130

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