Aufführungsbesprechung München: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 2. Juni 1822

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München, Anfang Julius 1822.

Aus so manchen vortrefflichen Correspondenz-Notizen Ihres lieben Blattes pflegt Ref. neben dem geistigen Genusse auch immer die nöthige Dosis Entschuldigung für sein langes Schweigen zu schöpfen, da solchen Beiträgen gegenüber, die seinigen kaum als Lückenbüßer mögen vermißt werden. […]

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Ein später Gast war Preciosa (im Manuscripte?!), die vielen Beifall fand, welchen aber Refer. nicht theilen kann, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Die Dichtung ist ohne Zusammenhang, eigentlich nur eine sprechende Leinwand, worauf man die Decorationen malte. 2) Der erste Akt könnte eben so gut ein eigenes Stück bilden; er steht in gar keiner Verbindung mit den folgenden. 3) Die Dichtung ist ein Gemisch aus bekannten Dramen, sogar Körners Hedwig mußte der bedrohten Preciosa das schützende Gewehr leihen, womit sie den Zigeunerhauptmann nach ihrem Willen beugt. Am Schlusse finden die lieben Aeltern ihr liebes Kind in der Preciosa wieder, das ihnen Zigeunerleute in früher Jugend stahlen, während die Wärterin im Gebüsche – botanisirte; die lieben Aeltern sagen im ganzen Stücke nicht, daß sie jemals ein Kind verloren, sind gar vergnügt, besinnen sich endlich, daß ihnen wirklich ein solches gestohlen wurde, und freuen sich gar herzlich des Wiedersehens!

Die Dekorationen gefielen nicht minder; nur recht schauerlich dunkel, oder recht viel Lichter, da wird’s am Beifalle der Menge niemals gebrechen. Der Mond dürfte aus den Wolken treten, ohne Spuren von einer Oeffnung, woraus er kömmt, zurückzulassen; das Abbild des Zigeunerzuges im Wasser muß nicht bloß im Ganzen, sondern auch in einzelnen Theilen beweglich seyn, und der Schatten immer senkrecht unter dem Körper stehen. Dem beleuchteten Schlosse in der Schlußscene des letzten Aktes fehlte Wahrheit der Dimension und Perspektive. Ein recht gewandter Maler wäre für unsere Bühne ein wahres Bedürfniß.

Mad. Karl, als Preciosa, spielte zwar mit der ihr so eigenthümlichen Lieblichkeit, allein da sie nur wenig sang und gar nicht tanzte, so konnte man sich wohl überzeugen, daß der Dichter eine Preciosa wie Mad. Stich sich gedacht habe, die man aber nur höchst selten finden dürfte.

Die Hintertreppe, ein sehr beliebtes Lustspiel nach dem Französ. von J. v. Plötz, ergötzte wieder ungemein duch die Wahrheit seines Inhaltes, daß nämlich die Gunst der Kleinen, der Bedienten, Jäger, Kammermädchen &c. oft besser zum Ziele führe, als Talent und Bildung. […]

(Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

zwar gefiel die „Preciosa“ in München dem Publikum; der Correspondent hat jedoch sowohl am Stück als auch der Aufführung einiges auszusetzen

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Kühnau, Dana

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 6, Nr. 191 (10. August 1822), S. 764

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