Aufführungsbesprechung, Berlin: „Silvana“ von Carl Maria von Weber am 10. Juli 1812
Ueber des Ungenannten im letzten St. der Vossischen Zeitung, Staunen.
Dies Staunen ist ein ächtes, hat dem Staunenden die Sehkraft geblendet, denn wie erblickte er da sonst eine Herabwürdigung Haidns, wo man sich nur auf einen Ausspruch desselben bezog. Daß Beethovens schaffende Eigenthümlichkeit weniger für die Bühne als den Conzertsaal passe, scheint er selbst zu empfinden, uns ist auch bekannt, daß er Anträge, Opern zu schreiben, verschiedentlich ablehnte. Der Staunende vertritt sogar Gluck, Mozart, Spontini, von denen gar nicht die Rede war. Aber alle Neuheit findet nicht leicht Eingang, öfteres Hören muß erst damit vertraut machen. So ist es Wintern früherhin gegangen. Himmels Fanchon, wenn gleich – wie es auch der Inhalt verlangte – in einem leichten Styl geschrieben, wurde nicht zeitig anerkannt, und Mißbilligung traf ihre Lobredner. Dann entschied aber das Publikum in einem mehr als fünfzigmaligen zahlreichen Besuch. Sprach hingegen die Vestalin sogleich an, muß dabei nicht ihr von Paris vorausgeflogener Ruf übersehen werden, eben so wenig die Ausstattung an Dekorationen, und vor allen Dingen das treffliche Sujet. In Silvana wirkt allein die Musik. Schreiende Mängel entstellen die Handlung. Es ziemt gar nicht, da wo alles singt, das Interesse an eine bis zum | Ende stumme Hauptperson zu knüpfen. Der Dichter zeigte wenige Bemühung, die Klippen des Glaubwürdigen sicher zu umschiffen. Er nennt seine Oper – uneigentlich genug – eine herrische, und mengt einen donaunymphenartigen Knappen ein, dessen Humpenwitz noch dazu kläglich mißlingt. Siegt die Musik jedoch über so viele Schwierigkeiten, gebührt ihr auch ein lebendig ausgesprochenes Lob. Einem Schicksale wie Fanchon kann diese Oper nicht entgegensehen, da wird das – durch einen Fehlgriff erkorne – Stück immer ein Hinderniß bleiben, auch von der jetzigen, allen Kunstantheil so bedeutend verringernden Zeit abgesehen; aber seltnen Enthusiasmus hat die Musik erregt. Auch der über ihr Lob erbitterte Ungenannte huldigt den Talenten des Herrn von Weber, und wirft sich nur zum Dictator über seine Modulationen und das Gesuchte auf. Allein den Beweis, daß jene Modulationen unerlaubt sind, wie die klare Erläuterung, was er eigentlich Gesuchtes nennt, ist er uns schuldig geblieben. Wer finden will, muß freilich suchen. Daß Herr v. W. glücklich gefunden habe, zeigt sich wohl, ein ängstliches Mühen darum gewiß nicht. Aber man ist mit dem Tadel der Weberschen Musik so wenig auf dem Reinen, als mit ihrem Lobe, das – wie fachkundige Recensionen auch bereits erschienen – immer noch der anschaulichen Deutlichkeit ermangelt. Recht, Künstlers Triumph! Ein Beweis, daß er zu denen gehört, welche nicht zur Kritik herabsteigen, sondern sie zu sich hinaufziehen. Eine neue Stufe ist offenbar gewonnen, wenn das Urtheil nicht üblichen Sätzen, und Vergleichungen mit dem Vorhandnen auslangt. Das Nachsteigen ist ihr oft nicht bequem, ungewiß in welchen Boden sie ihre Rosen pflanzen soll, streut sie einstweilen – Dörnlein. Herr von Weber übergebe das inzwischen nur der Zeit, und – reiche auch der Kritik die Hand in künftigen Opern, denen es weniger an den Nebenerfordernissen gebricht. Selten erhält sich jemand so partheilos, daß ihn nicht auch die Handlung beim Urtheil über Musik bestechen sollte. Und allerdings gehört eine gute Handlung zu einer guten Oper. Warum aber ist der Ungenannte, des Herrn v. W. des beigelegten Lobes willen, so erbittert? Schier möchten wir glauben, er sei selbst Komponist, oder doch eines Komponisten Freund, der ihm seinen Unmuth über jenes Lob klagte. Auf eine solche Vermuthung kann man schon gerathen, da Ovids Donec eris felix, multos numerabis amicos in der Künstlerwelt eben nicht gilt. Im ersten Fall fertige er selbst eine Musik von gleichem Werth, im anderen rathe er das seinem trauernden Freund, und gern sind wir erbötig, unsre Freude an der neuen Schöpfung eben so warm an den Tag zulegen. Denn um das Kunstwerk, nicht um den Mann, ist es uns zu thun.
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Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechnung, Berlin (am 23. Juli 1812 erschienen): „Silvana“ vom 10.07.1812
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Dubke, Esther
Überlieferung
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Textzeuge: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 88 (23. Juli 1812)