Aufführungsbesprechung Prag: „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber am 11. März 1824

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Musikalisches Tagebuch aus Prag.

[…]

Den 11ten März zum erstenmale: Euryanthe von C. M. v. Weber. Diese geniale und charakteristische Composition hat auch bey uns lange ¦ nicht so wie der Freyschütz angesprochen; unter mancherley erklärenden Ursachen dieser Erscheinung glauben wir die recitative Form obenan setzen zu müssen, da sie eines Theils dem Publikum fremdartig ist, andern Theils unsere, wie alle deutschen Sänger, immer mit dem Vortrage der Recitation brouillirt sind, und gewiss vier Fünftheile der Zuhörer das Theater verlassen haben, ohne aus der Handlung klug geworden zu seyn. Was kann aber Weber’s Wahrheit und Charakteristik, welcher er allen falschen musikalischen Glanz aufopfert, wirken, wenn die Situation nicht klar wird? Die Ouverture ist ein charaktervolles, inhaltreiches Tonstück, in Weber’s eigenthümlicher Weise, doch für die Opern unseres auch schon durch Rossinische Crescendo’s verwöhnten Publikums zu ernst und streng, um auf das erste Mal verstanden und gewürdigt zu werden. Nach der recht lieblichen Introduction folgt Adolars herrliche Romanze mit kunstreich variirter Instrumentation, durch deren Stellung Frau van Chezy jedoch eben nicht bewiesen hat, dass sie immer und überall die Gesangstellen ungezwungen herbeyzuführen verstehe. Sehr interessant sind noch im ersten Akte die Tonstücke: das Terzett mit Chor zwischen dem König, Adolar und Lysiart, die Cavatine der Euryanthe, Eglantinens Scene und vorzüglich das Duett der beyden Frauen. Im zweyten Akt ergreift die wahrhaft schauerliche Arie des Lysiart, und einen höchst reizenden Gegensatz dazu bildet Adolars Cavatine und das höchste, reinste Liebe athmende Duett mit Euryanthen. Das Finale muss von der grössten Wirkung seyn, wenn nicht, wie hier, die Chöre schwach besetzt, und von einem Pflegma gelähmt sind, in welchem jeder Chor untergehen muss. Im dritten Akte interessirt nächst dem berühmten Jägerchor, welcher hier, aus der eben angeführten Ursache, nicht wie in Wien ansprechen konnte, das Duett von Adolar und Euryanthen, vorzüglich aber Euryanthen’s Arie, und ihr Larghetto: "Zu ihm, zu ihm, o weilet nicht!" dann die schönen Chöre im zweyten Theile dieses Aktes, und das liebliche versöhnende Duett am Ende, an jenes im zweyten deutsam erinnernd. Nicht minder ausgezeichnet ist der Schlusschor und Adolars demselben vorgehender versöhnender Gesang. Was die Besetzung betrifft, so war sie in den drey Hauptpartieen (Euryanthe, Adolar und Lysiart) durch Dem. Comet, und den Hrn. Binder und Kainz nach den Kräften unserer ¦ Bühne, und auch unbedingt gut besetzt. Dem. Comet sang besonders in den ersten zwey Akten sehr brav, im dritten schien uns ihre Stimme etwas angegriffen, was wir leider seit einiger Zeit öfter an dieser jugendlichen Sängerin bemerken, weshalb wir ihr rathen möchten, ihre Stimme nicht zu sehr anzustrengen. Hr. Binder bewiess wieder, wie im Max und Tamino, dass er nicht bloss Rossini’sche Musik, wie man anfangs glaubte, sondern auch Mozart’s und Weber’s Tondichtungen als Meister vorzutragen vertehe, und schwerlich werden viele deutsche Bühnen einen so wackern Adolar besitzen; dasselbe gilt von unserm wackern Veteran Hrn. Kainz, welcher in solchen Rollen durch seine ungemeine Kraft und Ausdauer imponirt. Mad. Ernst (Eglantine) schien uns nicht an ihrem Platze zu stehen. Sie besitzt viel Kehlgeläufigkeit und Rossini’sche Gewandtheit, kurz Alles, was zur Ausführung dieser Partie unnöthig ist, dagegen fehlt ihr die für diese Partie nöthige Kraft, und sie forcirte ihre Stimme an manchen Stellen auf unerfreuliche Weise. Warum gab man diese Rolle nicht lieber Mad. Finke? Der König, um den sich seine Ritter ohnediess nicht viel kümmern, war – lächerlich, und diese Partie hätte schwerlich schlechter besetzt werden können.

Den 12ten März, Vokal- und Instrumental-Concert des jungen vaterländischen Tonkünstlers Anton Johann Mertlick im Redoutensaale; es enthielt […] ¦ 8. Statt des Finales aus Achilles von Pär wurde Lützow’s wilde Jagd von C. M. v. Weber, von sechzehn Männerstimmen mit einem Echo der letzten Zeile im kleinen Saal, in welchem man Hrn. Binders schönen Tenor durchklingen hörte, gesungen. […]

Apparat

Zusammenfassung

Rezension

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Veit, Joachim

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 26, Nr. 25 (17. Juni 1824), Sp. 406–408

Textkonstitution

  • „van“sic!

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