Aufführungsbesprechung Wien, Theater an der Wien: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber, Sommer 1822

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Nachrichten.

Wien. Uebersicht des Monats Juny.

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Im Theater an der Wien wurde nun auch Webers Freyschütz von den Hofoperisten dargestellt*; man hatte von der Scenerie vermuthlich die übertriebensten Erwartungen gehegt, welche schon aus diesem Grunde nicht befriedigend erfüllt werden konnten, um so weniger, als der eigentliche tolle Zauberspuck, worauf in der Anlage der Wolfsschlucht gerechnet, unterbleiben, und das früher statuirte Simplificationssystem sine clausula beobachtet werden musste. Demungeachtet hat diese Dekoration einen recht pitoresk schauerlichen Ton, und die Nebelgestalten der wilden Jagd bringen im Verein mit den monotonen Chören und dem grässlichen Geheul der Hörner den allerunheimlichesten Effekt hervor. Nicht minder verdienstlich sind die charakteristische Försterstube und Agathens wunderliches Gemach; die Leistungen der Darstellenden wurden schon früher besprochen, und nach Verdienst gewürdigt; die Chöre waren von den Individuen dieser Bühne besetzt, und griffen äusserst prompt, feurig und präcise zusammen; eben so vortrefflich excutirte das Orchester, angeführt vom Hrn. Operndirector von Seyfried; es war Ein Körper und Eine Seele, hochbegeistert von Webers genialer Dichtung; die herrliche Ouverture wurde in grösster Vollendung, kühn und energisch vorgetragen; der Jubel der entzückten Versammlung dauerte noch lange fort, als bereits der Vorhang sich geöffnet, Kilian seinen Glücksschuss gemacht hatte, und das „Victoria!“ des ersten Gesang|stückes vom Dacapo-Ruf des Publikums accompagnirt wurde, welche Wiederholung jedoch nicht ausführbar war, da die Bläser schon in die Tonart der Introduction umgestimmt waren und der Bauernmarsch auf der Bühne einfallen musste. Mehrere Reprisen* dieser National-Oper fanden leider in unserm diessjährigen italischen Sommer nur geringen Zuspruch, welcher ungünstige Conflikt sich auch bey Kanne’s neuem Melodrama: Die eiserne Jungfrau in noch höherm Grade äusserte*, obschon darin – die sinn- und hirnlose Handlung abgerechnet – für die Schaulust erklecklich gesorgt ist, auch die Märsche, Cruppirungen, Evolutionen, Waffentänze recht wohl geordnet waren. Einige Chöre sind brav gearbeitet, doch würde der Eindruck sich verstärken, wenn sie kürzer gehalten und die zu häufigen Wiederholungen vermieden worden wären; zwey Vokal-Gesänge, einer bloss für Knaben-Stimmen, der andere mit einem doppelten Echo, sprachen am meisten an; den ersten trugen 36 Zöglinge der für diese Bühne neu gegründeten Singschule mit ziemlich reiner Intonation und gutem Portamento vor. Eigentliche melodramatische Perioden, welche den Sinn der Rede bezeichnen und die Leidenschaften ausmahlen, findet man nicht, sondern das Orchester spielt kürzere oder längere Sätze, und das wirkende Personal macht die Pantomime dazu. Das ist ziemlich bequem. –

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ran Mo

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 24, Nr. 31 (31. Juli 1822), Sp. 512–513

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Freyschütz von den Hofoperisten dargestellt“Während der italienischen Stagione in der Hofoper wurde der Freischütz ab dem 5. Juni 1822 mit neuen Dekorationen von Hermann Neefe (Maschinerie: Andreas Roller) im Theater an der Wien gegeben; vgl. u. a. die Besprechung in der Wiener Theaterzeitung vom 11. Juni 1822.
    • „… Bühne einfallen musste. Mehrere Reprisen“Wiederholungen des Freischütz fanden im Juni am 8., 12., 14., 19. und 30. statt.
    • „… in noch höherm Grade äusserte“Die eiserne Jungfrau, Melodram in vier Akten von Biedenfeld, Musik von Kanne, Uraufführung am 20. Juni 1822.

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