Allgemeines über das Prager Ständetheater, März 1816
Correspondenz-Nachrichten.
Prag. Sie wünschen abermahls einige Notitzen von dem hiesigen ständischen Theater, und beschweren sich in Ihrem letzten Briefe über mein Zurückhalten an Neuigkeiten? lieber Himmel! ich wollte gerne jede Woche meine Bemerkungen absenden, wenn nur unser Theater reicher an Neuigkeiten wäre, oder wenigstens mehrere solcher Vorstellungen auftischte, welche der kritischen Beleuchtung werth sind. Ich muß sonach, um Sie wenigstens für dießmahl zu befriedigen, im Allgemeinen sprechen und Lobredner einzelner Mitglieder werden bis ich Ihnen zum Schluße meiner Correspondenz vielleicht etwas im Detail mittheilen kann. Sie kennen den Direktor Liebich, ganz Deutschland kennt und schätzt ihn, ich nenne seinen Nahmen und muß ihn abermahls loben. Sein Verdienst um unser Theater steigert sich mit jedem Tage und sein unermüdeter Fleiß leistet Alles, was nur zu leisten möglich ist. Er scheut noch immer keine Kosten, brave Künstler nach Prag zu ziehen, | und sie in die angenehmste Lage zu setzen. Er hat wahren Sinn für die Ehre der Kunst, und opfert einem anständigen Repertoir bedeutende Summen, die er doch mit Charlatanerien unserm schaulustigen Publikum abgewinnen könnte. Er ist noch immer der treffliche Schauspieler, der er seit Jahren war, denn die Natur weicht seinem Spiele nie von der Seite. Man sieht ihn in allen Rollen gern, die er übernimmt, besonders in launigten und hoch komischen Alten, wo er in den meisten unübertrefflich erscheint. Sein Charakter ist sehr achtungswerth, das hab ich schon früher, und oben in meinem Briefe gesagt, und was ihm täglich mehr Werth, und als Mensch neues Interesse gewährt, ist sein zuvorkommendes, leutseliges, wahrhaft dienstfertiges, uneigennütziges Betragen. Seine Gattin hat eine eben so edle uneigennützige Denkungsart und in den zärtlichen Mütterrollen, besonders der sanften Art, ist sie eine brave Künstlerinn. Mad. Grünnbaum‡, unsere erste Sängerinn, der Liebling des Publikums steht noch immer hoch in ihrer Kunstgröße da. Ihre schöne Stimme, ihr kunstgerechter Vortrag erheben sie zur Zierde unter den deutschen Sängerinnen. Ihr Mann will zwar nicht viel mehr bedeuten, indeß füllt er doch seinen Platz zur allgemeinen Zufriedenheit aus. Der Verlust einer Schröder, einer Löwe wird noch immer tief gefühlt, wir haben hier Madame Sonntag, von der die Spötter sagen, sie spiele auch an einem Montag mittelmäßig, aber das ist eine bloße plumpe Bemerkung, die des komischen Wortspiels wegen nachgesagt wurde. Mad. Sonntag ist eine verständige Frau, die mit einem warmen Gefühl mit einem tiefen Blick in das Wesen jedes Charakters schaut, und nur darum einen schweren Stand steht, weil sie mit solchen Vorgängerinnen verglichen wird. Mad. Brünnetti, die seit einer Reihe von Jahren bei unserer Bühne ist, wird gerne gesehen, und Dem. Brand, die vom Frankfurter Theater auf unserer‡ Bühne kam, hat sich als Aschenbrödel der Gunst unseres Publikums würdig gemacht. Sie würde jedoch im Lustspiel mehr leisten, wenn sie nicht so monoton wäre. Mad. Allram ist eine junge Schauspielerinn von Anlage, und wendet viel Fleiß auf ihre ¦ Rollen. Sie spielt Liebhaberinnen und Soubretten, und singt recht brav in der Oper. Auch hat sie einige glückliche Versuche in komischen Altenrollen gemacht. Mad. Junghanns giebt komische Mütter, sie ist eine routinirte Schauspielerinn.
(Fortsetzung folgt.)
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Charlene Jakob
Überlieferung
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Textzeuge: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 9, Nr. 21 (13. März 1816), S. 82–83