Aufführungsbesprechung Frankfurt/Main: darunter „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 3. März 1831

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Frankfurt. […]

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Donnerstag, den 3. Oberon, romantische Feenoper. Musik von Weber.

Hüon, Hr. Breiting, königl. preuß. Hofsänger. Wer sich je einen Begriff von dem gemacht hat, was im rechter und ächter Art, wenigstens nach Metastasio, Oper genannt zu werden verdient, dem ist dieser Oberon keine Oper. Melodrama könnte man das Werk nennen; denn es wird viel geschwätzt, viel erzählt und diese Unterbrechungen sind und bleiben eine entzaubernde Störung. Der Text selbst ist ein ungeheures Machwerk, die Masse von Begebenheiten, in drei Welttheilen sich ereignend, mußte natürlich als Theaterstück schrecklich verschnitten werden und so ist es nichts als eine Zusammenstellung romantischer Scenen im Geist und Sinn der Feeerei und im Unsinn eines Spectakelstücks.

Die wundervolle Ouverture wurde von unserm trefflichen Orchester mit einer Kraft und Begeisterung vorgetragen, daß der lauteste Beifall ihr lange nachtönte. Das Zusammenspiel dieser Lente ist einzig zu nennen, man ist zu glauben häufig versucht, die Tonfluthen entströmten nur einem Instrumente. Dem. Meißelbach (Rezia)* weiß ihre schönen Mittel immer noch nicht gehörig zu benutzen, und es ist zu befürchten, die hoffnungsvolle Stimme geht durch die unzweckmäßige Behandlung verloren, noch ehe sie die eigentliche Ausbildung erreicht hat. Dem. Meißelbach versteht mit ihrem Gesange weder zu rühren, noch zu ergreifen, weil sie denselben nicht zu nüanciren und ihre Stimme nicht zu beherrschen weiß. Anstatt Licht und Schatten in ihren Vortrag zu bringen, singt sie alles mit der ganzen Kraft des Organs, und somit opfert sie die Anmuth, die Seele des Gesanges, ihrem verkehrten Streben auf. Möge Dem. Meißelbach sich dieses auch besonders für ihre Lieder-Vorträge bemerken, sie wird dann in den nächsten Winter-Konzerten damit größeren Eindruck machen, als es, aus besagten Gründen, diesesmal der Fall seyn konnte. – Uebrigens zeichnete ihre heutige Leistung sich durch detoniren im ersten, und die ausgezeichnet brav gesungene Arie im 2ten Akt aus. Dieser erste Akt zeugte überhaupt von einer merkwürdigen Präzision! Rezia und Fatime konnten in ihrem Duett durchaus nicht einig zusammen werden, und im Finale beobachtete gar der ganze Sopran des Chors ein heilsames Stillschweigen. Dem. Münch (Fatime)*. Das ist nicht Fisch noch Fleisch, in einer Rolle, wie in der andern, und in keiner bedeutend. Hr. Breiting (Hüon) besitzt eine Stimme, die in der Stärke ihres Gleichen sucht, aber schwerlich findet. Er machte solche in seiner ersten Arie auch heute geltend, sogar etwas zu sehr, und errang dafür großen Beifall. Derselbe hat übrigens die schon früher gerügten Angewöhnungen, des zu grellen Abstoßens und Trennens der Wörter in seinem Gesange, noch nicht abgelegt, und offenbar zu seinem Nachtheil. Auch sollte Hr. Breiting sich vor der zu häufigen Anwendung des Falsets hüten, denn seine Kopftöne fallen, gegen seine starke Bruststimme, allzusehr ab. Wir hoffen übrigens, unser Urtheil über seine seitherigen Fortschritte nach seinem Titus und Masaniello feststellen zu können. Scherasmin: Herr Abel. – Warum giebt man die kleine Parthie des Oberon nicht an Hrn. Wiegand*, ¦ und läßt Hrn. Marrder den Scherasmin singen, der sich vollkommen dafür eignen würde?

Die sonstige Aufführung dieses Stückes im Allgemeinen [st]eht fast unter der Beachtung! –

Nach mannichfaltigen Entbehrungen in Betreff unsers Theaterrepertoire’s, scheint endlich die Sonne an unserm Opernhorizonte wieder freundlicher aufgehen zu wollen. Es stehen uns bedeutendere musikalische Kunstgenüsse bevor, denn zwei der ausgezeichnetsten deutschen Tenoristen werden wetteifernd die Gunst und den Beifall des hiesigen Publikums zu erringen streben. Nachdem der rühmlichst bekannte Sänger, Herr Breiting, als Hüon in Webers Oberon aufgetreten seyn wird, singt Herr Vetter den Georg Brown in der weißen Dame und hierauf den Adolar in Euryanthe von Weber. Referent hatte bereits früher Gelegenheit, Hrn. Vetter als Adolar zu hören, und erinnert sich der glänzenden Gewalt und des gefühlvollen Vortrages, welche er in dieser Parthie entfaltete, mit dem innigsten Vergnügen. Die Darstellung der Euryanthe wäre in Ermangelung einer zu dieser leidenschaftlichen Rolle ganz geeigneten Prima Donna eigentlich um so weniger möglich, nachdem es noch nicht lange her ist, daß uns Madame Devrient einen unvergeßlichen Genuß gewährte; allein Dem. Backofen hat die aufopfernde Gefälligkeit gehabt, die Euryanthe zu übernehmen, um durch solche Mitwirkung dem Publikum die Freude zu verschaffen, Hrn. Vetter als Adolar bewundern zu können. Für diese zuvorkommende Bereitwilligkeit verdient die Sängerin gewiß alle Anerkennung und wohlwollende Aufnahme. Ihr fleißiges und erfolgreiches Wirken hat diese von jeher verdient, obgleich in letzterer Zeit eine gewisse ungerechte Parthei nicht immer damit einverstanden zu seyn schien; jene Leute werden wohl nach ihrem baldigen Verluste eingestehen, daß wir eine sehr brave Sängerin in ihr besessen haben. Herrn Niesers Abgang mag schmerzlich seyn – für uns, vielleicht mehr noch für ihn selbst; denn die bedeutendsten Tenoristen sind in Bewegung gesetzt, um ihn zu ersetzen, und wie wir vernehmen, so ist viel Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß Herr Vetter der Unsrige wird, wozu auch wir uns Glück wünschen könnten. Da seine Verbindlichkeiten in Darmstadt aber erst Ende August aufhören, so hat Herr Kapellmeister Guhr thätig dafür gesorgt, daß wir bis dahin noch mit den Tenoristen der Städte Wien, Dresden, Hamburg und München: Binder, Babnigg, Albert und Bayer Bekanntschaft machen. […]

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publizität, Jg. 9, Nr. 65 (6. März 1831)

Textkonstitution

  • unleserliche Stelle

Einzelstellenerläuterung

  • Lenterecte „Leute“.
  • „… Dem. Meißelbach ( Rezia )“Veronika Meißelbach (1810–1841, später verh. Jenke).
  • „… Dem. Münch ( Fatime )“Johanna Münch (später verh. Keßlern).
  • „… Oberon nicht an Hrn. Wiegand“J. B. Wiegand, erst Chorsänger, dann von 1829 bis 1845 Solist, zuletzt Kassierer am Stadttheater Frankfurt/Main.

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