Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: Januar 1816
Theater.
Prag. – Den 11. Jän.: Zum Vortheil der Mad. Grünbaum, geb. Müller: Joconde, Oper in 3 Aufzügen von Isouard. Der Ruhm, den sich diese Oper in Wien und Paris erworben hat, ist so allgemein anerkannt, daß wir Provinzbewohner, trotz der zahllosen Reminiscenzen, die sich uns aufgedrungen haben, es nicht wagen wollen, ein Urtheil über die Composition auszusprechen, das mit jenem der ersten Hauptstädte des Continents nicht durchaus gleichstimmig seyn dürfte. Wir beschränken uns daher bloß auf die Besetzung und den Erfolg des Werkes. In Bezug auf die erstere müssen wir leider gestehen, daß das männliche Personale gerade so viel zu wünschen übrig ließ, als das weibliche alle billigen Forderungen erfüllte. Besonders war die Rolle des Grafen höchst dürftig besetzt, und es ist nicht wohl zu begreifen, warum diese nicht Herrn Ehlers zu Theil wurde, der noch immer als Gast bey uns verweilt, und der wohl allein im Stande gewesen wäre, diesen leichtfertigen, interessanten Wüstling würdig darzustellen; für Herrn Kainz ist diese Oper um volle 20 Jahre zu spät erschienen. Herzlich bedauerten wir, daß Mad. Grünbaum (Edile) nicht einmahl eine Arie zu singen hat. Der Beyfall war nicht rauschend; einige Stücke wurden bey der zweyten Vorstellung mit lebhafterer Theilnahme als das erste Mahl aufgenommen; doch wird die Oper wohl nicht das Glück machen, welches ihre ältere Schwester, Aschenbrödel, der herrlichen Darstellung der Dlle. Brand und der Herren Liebich und Polawsky verdankt. ¦
Den 16. Jänner*: Der Educationsrath, der Verschwiegene wider Willen und die Uniform des Feldmarschalls Wellington; drey Lustspiele von Herrn v. Kotzebue. Da hätten wir nun an einem Abend die Hälfte des letzten Jahrgangs des Almanachs dramatischer Spiele, auf den leider das: „Es kommt immer ärger!“ welches der Verfasser im ersten Stücke ausspricht, recht sehr zu passen anfängt. Die beyden ersten Stücke sind französischen Ursprungs, (was Herr von K. jedoch zu bemerken nicht für gut befunden hat). Nach unserer Meinung hat der Educationsrath wohl den meisten Anspruch auf komischen Werth, und er wurde von den Herren Polawsky, Liebich und Reinecke und Mad. Junghans vortrefflich dargestellt. Herr Löwe und Dlle. Böhler hatten gar zu undankbare Rollen, um viel Beyfall einzuernten. Das zweyte Stück, welches zwar nur einen Act hat, enthält doch entsetzliche Längen, und nur das Meisterspiel des Herrn Liebich als Commissionsrath Frosch konnte ihm eine so freundliche Aufnahme verschaffen, als ihm das Publicum in der That gewährte. Am wenigsten wirkte das dritte, das auch so sehr von Inconsequenzen und Widersprüchen strotzt, daß die wenigen Bonmots sich ganz in diesem Chaos verlieren. Herr v. Kotzebue hat die Gelehrigkeit des Teutschen ganz vergessen, der in so vielen Jahren an der französischen Gränze doch etwas von der französischen Abgeschlissenheit gewonnen haben müßte; dieser verzeichnete Charakter, der einen äußerst delicaten Vortrag erfordert, wurde von Hrn. Allram noch ziemlich karrikirt wieder gegeben und verfehlte seine Wirkung – wenigstens bey dem gebildeten Theil – gänzlich.
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Überlieferung
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Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 46 (16. April 1816), S. 188