Aufführungsbesprechung Wien, Kärntnertortheater: Antwort auf die Anmerkung zum Gesang von Catinka Buchwieser in „Wirt und Gast, oder Aus Scherz Ernst“ von Giacomo Meyerbeer am 20. Oktober 1814

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Den Gesang der Demoiselle Buchwieser betreffend.

An den Rezensenten in Nro. 116 der Theaterzeitung.

Mein Herr!

Sie, der Sie einen Abgeordneten der beiden Musen Thalia und Melpomene vorstellen, erlauben Sie auch, daß ein Gesandter der Muse Euterpe erscheine, und zu Demoiselle Buchwieser spreche: Herliche Künstlerinn, gieb jenem sonderbaren Aufsatz in der Theaterzeitung Nro. 116. kein Gehör – laß Dich nicht ärgern, wenn Dein Verdienst verkannt wird, sey wieder Sextus und Elvira; die Oberpriesterinn und Clotilde, die Prinzessin von Navarra und Susanna, sey oder bleibe vielmehr alles, wie bisher, und Du wirst Dich rechtfertigen! – Mein Herr, wir wollen Ihren anonymen Bemerkungen nicht den Vorwurf machen, als seyen Sie absichtlich hart gemünzt, aber gestehen Sie es nur, sie klingen hart, Ihr unpoetischer Vergleich ist vollends unverzeihlich, und scheint nichts anders darzuthun, als daß Sie bei Kunstsachen statt der Feder die Axt gebrauchen, um ¦ eine Achse zu zimmern, die sich wohl zu Ihrer Kritik, aber nie zu unserer geachteten Buchwieser Stimme verhalten wird! – Sie walzen allen Vorwurf, der den Kompositeur trifft, auf die geschätzte Künstlerinn; nicht sie hat der Musik geschadet, die Musik hat ihr geschadet – oder wenigsten[s] schaden sollen, denn solche Aufgaben componirt man nur im Wahnsinn, oder wenn es darauf abgesehen ist, durch ewig widersprechende Tonarten, die sich in der Kehle nicht so finden lassen wie auf dem Fortepiano, oder um deutlicher zu seyn, wie die Buchsaben im Setzkasten, um durch ewig widersprechende Tonarten, sage ich, eine brave Sängerinn absichtlich scheitern zu machen. Keine – man verstehe mich recht, keine Sängerinn wird dieser Aufgabe genügen können; der Compositeur führt die Künstler auf Klippen, und als sie oben sind, reicht er ihnen nicht einmahl die Hand herabzusteigen – zeigt ihnen keinen Weg, sondern läßt sie los, und wenn nicht der Zufall rettet – laßt er sie fallen. Sonst werden die allerleichtesten Gesangstücke durch den Kapellmeister angeschlagen; der Lockton tönt, und der Vogel singt – doch in dieser Oper war das nicht der Fall – das Ohr, die Kehle mußten sich begegnen auf Gnad und Un|gnade – und wer’s nun traf, der hatte für einen Abend einen musikalischen Taschenspieler abgegeben, der mit der Geschwindigkeit nicht in Verlegenheit ist.

Dank, der Demoiselle Buchwieser, Dank, keinen Vorwurf, daß sie nicht genügte, daß sie den Unmöglichkeiten erlag, sie ist eine Sängerinn für wahrhafte Compositeurs! Mozart und Cherubini, Isouard und Spontini, Mehul und Weigl werden mit ihr zufrieden seyn, und Meyerbeer und Consorten haben Gott sey Dank! weder Sitz noch Stimme.

Dieß ist unsere Meinung, Herr Rezensent, und aufrichtig gesprochen, die Meinung des ganzen Publikums, die Ihrer Kritik nur dann beistimmt, wenn Sie es augeben, über den Gesang zu urtheilen.

Doktor Heinrich Lehrle

Anmerkung des Redakteurs.

Das Publikum nehme gefälligst die erste Kritik über die Oper: „Die beiden Kalifen“ zur Hand, sie ist in Nro. 114 der Theaterzeitung abgedruckt, und enthält ungefähr das Nähmliche, was Einsender spricht; auf die Redaktion fällt daher keineswegs der Schein eines unzuläßlichen Beurtheilens. Die zweite Kritik ist eingesendet, „Meinung eines Einzelnen,“ und hat das Gute, daß sie den zahllosen Freunden der Demoiselle Buchwieser, unter welche der Unterzeichnete gewiß mit ganzer Seele gehört, Gelegenheit gab, sich einmüthig um sie anzunehmen, denn mehr als funfzig Antikritiken sind eingelangt, und es folgen vielleicht noch täglich mehrere. Heil der Künstlerinn, die so fest in der Gunst des Publikums steht, daß ein Miߦverständniß kaum einen Tag ungerügt bleiben kann.

Der Redakteur
der Theaterzeitung
.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Aida Amiryan-Stein

Überlieferung

Textkonstitution

  • „Herliche“sic!
  • „laßt“sic!
  • „funfzig“sic!

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