Aufführungsbesprechung Karlsruhe, Großherzogliches Hoftheater: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber, 1822 (Teil 2 von 6)

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Auch eine Stimme über die Aufführung des Freischützen auf dem Großherz. Hoftheater zu Karlsruhe.

Fortsetzung.

Was den Max betrifft, so ist sein Charakter zu unerklärt und sein Handeln, wo er sich, der sonst so gut war, zum Bösen neigen zu wollen scheint, nicht motivirt genug. Mit wenigen Zügen ist es angedeutet, daß er rasch und muthig sey, eine Charakterbestimmung, die ihn nicht in unmittelbaren Kontrast mit dem Jäger Kaspar sezt – was freilich auch nicht durchaus nothwendig ist, da er in Ansehung der Moralität ihm gegenüber steht – aber es ist auch diese Charkterbestimmung, welche ihn schon von Natur mehr aufgelegt macht, ein gefährliches Abentheuer zu bestehen, wäre es auch eine ¦ höllische Zauberbeschwörung, falls er nur nicht damit sündigen würde. Es wird also kein schwaches, und vor allen höllischen Eingebungen zurüchschüchterndes, Gemüth leise in den Untergang gezogen, was unsere regere Theilnahme erwecken könnte. Dennoch unbegreiflich bleibt es, wie abgesehen von seiner individuellen Naturanlage, sein sittliches Wesen, das immer über aller Individualität stehen muß, den falschen Zuflüsterungen Satans, in des bösen Jägers Kaspars Zusprache, habe sein Gehör leihen können. Dabei bleibt es im Grunde gänzlich unentschieden, ob er nur aus Schwäche fehle oder wohl gar den Keim des Bösen in sich gepflanzt habe. Da der Dichter ihn zulezt, nach der eingetretenen Katastrophe, als aus Schwäche handelnd angiebt, indem der Eremit das Wort für ihn nimmt, kann uns nicht genug befriedigen; wir wollten es in seinen Handlungen gesehen haben. Agathe selber, seine Geliebte, hat ihn gewarnt vor dem näheren Umgange mit Kaspar, und es dünkt uns eben kein Wunder, daß Agathe Kasparn verschmäht habe, aber wie mag der altrechtliche brave Kuno diesen verderblichen Menschen, den Tagedieb, Schlemmer, falschen Würfler so lange in seinem Dienste dulden, mit dessen schnöder Gier:

"Zu dem Saft der RebenKartenspiel und Würfellust,Auch ein Kind mit runder Brust –Hilft zum ew’gen Leben!" –

Als sich Kaspar unter dem Scheine mitleidiger, helfender Freundschaft an den tiefbekümmerten Max drängt, ihn zu bereden, daß er sich der Freikugeln bediene, macht er es ihm mehr als wahrschienlich, daß es allerdings geheime Kräfte der Natur gebe und somit auch gewisse unschuldige Jagdkünste. Solches konnte also keinen gegründeten Verdacht bei Max erzeugen, er werde durch das Verlangen, selber in den Besitz von Freikugeln zu kommen, sich dem Erbfeinde alles Guten in die Hände liefern. Bald darauf scheint Max die Verführung zu ahnden und sagt zu Kaspar, er zähle ihm das Gift tropfenweise zu (wie er symbolisch ihm etwas Berauschendes in den Trank tröpfelt). Wenn aber jezt Max nach dem Adler schießt, so kann ihm das nicht als Sünde angerechnet werden. Nach dem Schusse läßt er sich erst von Kaspar belehren, daß es eine Frekugel gewesen sey, die Kaspar eine trächtige Blindschleiche nennt, die immer trif[f]t. Ein warnendes Bild! Der Ausdruck von Kaspar, ["]sich ein allerliebstes Mädchen damit erschießen", ist zweideutig; denn es kann heißen, sein Mädchen sich durch einen Schuß gewinnen, u. dann auch, wenn das bangahnende Gemüth die Erklärung geben soll – sich sein eigenes Mädchen todt schießen. Warum stieg nun bei dieser Zweideutigkeit in Max keine solche Ahnung des Bösen auf? (Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Karlsruhe, Großherzogliches Hoftheater: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (Teil 2 von 6). Der erste Teil erschien in der vorigen Beilage, die vier weiteren Teile folgen in den Beilagen 13, 16, 21 und 23.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Charis. Rheinische Morgenzeitung für gebildete Leser, Jg. 2, Nr. 12 (17. August 1822)

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