Aufführungsbesprechung Karlsruhe, Großherzogliches Hoftheater: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber, 1822 (Teil 6 von 6)

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Auch eine Stimme über die Aufführung des Freischützen auf dem Großherz. Hoftheater zu Karlsruhe.

(Beschluß.)

Herr Sehring, der Jäger Kaspar, war eine treffliche Rollenbesetzung, sowohl was Rezitation als Gesang betrifft. Er hat eine herrliche, grundtiefe Baßstimme, die zugleich voll und laut erschallt. Nur ist dieser Stimme überhaupt eine gewisse Härte eigen, die freilich gegenwärtiger Rolle angemessen war. Sein Gesicht war etwas zu konfiszirt gezeichnet, was nicht nöthig ist, da er schon durch seinen allzustark abstossenden Charakter merklich genug ausgezeichnet ist. Gleich anfangs, wo er sich an Max drängt, ihm mit seiner falschen Seele Hülfe zu versprechen, und ihm die erste Verführung zuzuflüstern, selber vor den Augen Kuno’s, die er scheuen muß, war ein sehr glücklicher Moment in seinem Spiel. Und so noch mehrere. Aber auf bessere Akzentuirung müssen wir ihn aufmerksam machen. Während der Beschwörung legte er bei den Worten: „Ist das auch recht, mich allein zu lassen?“ ¦ die Betonung auf lassen, statt sie auf das Wort allein zu legen. Er macht ihm keinen Vorwurf, daß er ihn zurück gelassen, sondern daß er ihn allein gelassen. Dann wieder: drei Kugeln, die schon Einmal getroffen, für schon einmal[.] Der schlimmste Fehler, der noch vielen andern auffiel, war, wo er sagte: „Nur wenn du mich selbst zittern siehst, dann komm mir zu Hülfe!“ Der strenge Nachdruck wurde auf selbst statt auf mich gelegt, und so kam der falsche Sinn heraus, als ob ein anderer für ihn habe zittern können. Solche Fehler kommen häufig auch bei andern vor.

Samiel, der schwarze Jäger, war mit Rech Herrn Schulz zugefallen. Es war der rechte Ton und die rechte Geberde, mit denen er die wenigen Worte sprach: Tadeln müssen wir die allzu lange festgehaltene Stellung beim ersten Erscheinen. Noch eine leichte zuckende Bewegung dazwischen würde das Bild wieder entsteinern. So eine imposante Wirkung das fixirte Aufhorchen macht und der Schauspieler im Stücke selber dazu angewiesen ist, so darf es doch nicht in Uebertreibung ausarten.

Die Szenik verdient alles Lob. Der Sturm, so sehr er in Pappdeckelstücken zu wüthen hat, was so leicht lächerlich ausfällt, stürmte hier mit ernstem Grimm und war wirklich schauerlich. Doch bleiben kleine Erinnerungen übrig. Die Eule mit feurigen Augen im Vorgrunde, schwingt ihre Flügel zu einförmig. Die Fledermäuse und übrigen Nachtvögel bammeln aus der Höhe in Ueberzahl, statt in regellosen Bewegungen aus verschiedenen Richtungen her über die Bühne zu flattern. Der schwarze Eber ist zu ungeheuer. Aus den vier feurigen, funkenwerfenden Rädern, schon an sich bedeutungslos, hat sich hier ein förmlicher Wagen mit Pluto darauf gestaltet, der nicht hieher gehört, und das Heer des wilden Jägers, sonst trefflich bis zur Täuschung gemalt, zieht in der klarsten Tageshelle in allem Farbenschimmer vorüber. Es sollten Nebelgestalten seyn, hie und da nur beleuchtete Köpfe und Glieder hervortauchen, und romantisches Helldunkel allein die Beleuchtung im Bilde machen. So aber, besonders da man die Beine der Pferde und Läufe der Hunde bis zu mikroskopischer Deutlichkeit sieht, so formt sich alles rein plastisch und es scheinen die Bilder nicht nur ausgeschnittener Pappdeckel zu seyn, sondern hölzerne Statüen, die mit allen Faben bemalt sind, oder ein Wachskabinet. Zugleich gegen die gewöhnliche Vorstellung vom wilden Jäger, ziehet das Heer nicht in die Höhe der Luft, wie über Wolken, sondern auf der sichtbaren Fläche des Erdbodens!

Nehrlich.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Karlsruhe, Großherzogliches Hoftheater: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (Teil 6 von 6). Die vorigen Teile erschienen in den Beilagen 11, 12, 13, 16 und 21.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Charis. Rheinische Morgenzeitung für gebildete Leser, Jg. 2, Nr. 23 (9. Oktober 1822)

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