Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 7. August 1814 – 25. September 1814
Neue Darstellungen und Gastrollen auf dem ständischen Theater.
(August.)
7. Der Kaliph von Bagdad, Oper in 1. Act, n. d. Fr. mit Musik von Boinldieu‡. – 26. Die englischen Waaren, L. 2 A. Von Kotzebue, worin die Tänzerin Dem. Frühmann als Jeanette ihren ersten Versuch im Schauspiel machte. Hierauf: Der Mechanikus, neubearbeitetes Charakter-Ballet in 1 Aufzuge von Mad. Horschelt. Dieses bekannte Süjet hat durch das kunstsinnige Arrangement der Mad. Horschelt, und die eingewebten Tänze der hoffnungsvollen Schröder’schen Kinder einen neuen Reiz gewonnen, und wurde mit allgemeinem Beifall gegeben.
(September.)
5. Die Zerstreuten, L. 1 A. v. Kotzebue, und Der Schatzgräber, L. 1 A. a. d. Fr. – Hr. Carl Döbbelin (Königl. Preuß. privil. Schauspiel-Director) gab im ersten Stücke den Hauptmann Mengkorn, und im zweiten den Geront als Gast. 10. Die beiden Klingsberg – Hr. Döbbelin den Graf Klingsberg (Vater) zur zweiten Gastrolle. 12. Fanchon – Hr. Döbbelin den Tapezier Martin zur dritten Gastrolle. 13. Der Schatzgräber wiederholt. Hr. D. den Geront zur vierten Gastrolle. 14. Das unterbrochene Opferfest. Mad. Werner erste Sängerin des Großherzogl. Theaters in Manheim trat als Gast zum ersten Mal in der Rolle der Myrrha auf. 16. Zum Vortheil des Hrn. Döbbelin: Die Verschwörung auf Kamtschatka. Hr. D. den Hettmann zur letzten Gastrolle. Hr. Döbbelin ist bei der deutschen Bühne als ein Schauspieler von Talent bekannt; seine Erscheinung war daher auch hier beifällig, und in der Rolle des Geront im Schatzgräber (seine gelungendste Darstellung) war sein Spiel nüancirt und von komischer Wirkung. Es‡ wurde mehrere Mal hervorgerufen. 18. Don Juan – Mad. Werner – Donna Anna. 21. Johann von Paris. – Mad. Werner – Prinzessin. 23. Die Vestälin – Mad. W. – Julia. 24. Gerechte Strafe, Lustspiel in 3 Aufzügen von Vogel. Dieses verdienstliche Lustspiel, das uns die gehaltslose und trugvolle Handlungsweise der großen Welt charakterisirt, gewann durch eine gute Darstellung auf unserer Bühne ein noch höheres Interesse für | den Freund der Menschenschilderung. Trefflich wurden die Baronin Belfort und Baron Sternfels von Mad. Schröder und Hrn. Polawsky gegeben. In ihrem, der Weltbeobachtung abgelauschten Spiele, schillerte die ganze Zweideutigkeit und Falschheit des Weltlings, welche eine feine Tournüre zu verbrämen strebte, und versetzte den Zuschauer in die Mitte dieser, aller wahren Humanität entnommenen Drathpuppen‡ der Convenienz. Fräulein Lucretia, des Barons alte Schwester, erscheint mit ihren Thorheiten im lächerlichen Lichte, und wurde von Mad. Junghans mit sprechender Wahrheit, die jede Uibertreibung‡ ausschloß, dargestellt. Nicht minder verdienstlich trugen Hr. Seewald, als Obrister von Hall, Dem. Böttiger‡, als Julie seine Tochter, und Hr. Löwe, als Theodor von Lindeck durch Charakterisirung ihrer Rollen zur gelungenen Darstellung dieses Lustspiels bei, das in die Reihe der bessern zu setzen ist. 25. Der Rehbock, oder: Die schuldlosen Schuldbewußten, Lustspiel in 3 Aufzügen, von Kotzebue. Ein auswärtiges Journal schreibt, bei Gelegenheit der Aufführung dieses Stücks in Berlin, Folgendes: „Hr. v. K. hatte eine schwere Aufgabe zu lösen: nämlich einen unzarten, zweideutigen, kitzeligen Stoff so zu bearbeiten und aufzuspinnen, daß der Zuschauer selbst zum schuldlosen Schuldbewußten wird, wenn er sich an den Gang und an die Combinationen und Situationen des Stücks stoßen will. Alles Unschickliche geht in der Einbildung vor; in der Handlung ist Alles rein. Der Pachter wird hier, wie in den Schwiegermüttern der Haushofmeister, betrogen, und möchte gern die Zuschauer überreden, er sehe recht. Was aber das Stück hier so Vielen verwerflich macht, ist die Rolle des Pachters, sie ist zu roh, zu grob, und wird von unserm (sonst im niedrig-komischen mit Glück und Werth handelnden) Wurm nicht gemildert. Der Frauverkauf für eine Geldsumme ist zwar nicht in England, aber doch bei uns empörend. Desto mehr beweist die erste Scene, daß Hr. von Kotzebue noch immer unerschöpflich ist.“ – Auf unserer Bühne gewinnt dieses Stück durch die decente, stets im drolligen Lichte gehaltene Darstellung des Pachter Grauschimmel unsers Liebichs ungemein. Hier ist keine Rohheit und Grobheit hervortretend, sondern vielmehr jene Selbstgenügsamkeit des bornirten Kopfes, die mit dummdreister Unbefangenheit gepaart, ein anziehendes komisches Gemälde aufstellt, in welchem die harten Schatten, die der Dichter nicht vermied, durch die sanftern Lichter des feinsinnigen Künstlers auf das angenehmste gemildert werden. – Die Aufführung war durchaus gelungen, und erhielt ununterbrochenen Beifall.
(Die Fortsetzung nächstens.)
Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Ina Klare
Überlieferung
-
Textzeuge: Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger, Jg. 4 (1814), Nr. 44, S. 174