Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Die Charade” von Kurländer am 25. Februar 1819 (Teil 2 von 2)

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Die Charade.

(Beschluß.)

Allerdings übertrieb Hr. Julius. Aber der denkende Künstler hatte dies wohl berechnet. Sich selbst Beifall-zunickendes, Pagoden-artiges Kopfwackeln, selbstgefällige Quecksilbrigkeit, Hin- und Herschwänzeln, alles malte die bethörte Selbstgnügsamkeit. Er kommt mit dem Hut auf dem Kopfe, während Walter unbedeckt neben ihm steht. Adliche Protektionsmienen gegen die Bürgerlichen, selbst gegen die Geliebte, die ihm nun doch bloße Kaufmannsfrau ist, besonders wo sie ihn durch vorgebliche Gegenliebe mystificirt, und schon bei der Chokoladenscene. Endlich edle Lüge mit Unverschämtheit. Nun konnte auch Mad. Schirmer, als Antonie, etwas stärker auftragen und den Laffen nach Gebühr abfertigen. Doch bleib sie, wie sich bei einer solchen Künstlerin doch von selbst versteht, sets auf der Linie des Anstandes und der Grazie. Es kann zur Nachahmung nicht oft genug wiederholt werden: sie ist immer nur im Stück. Ihr stummes Zuspiel ist so vollendet, als das begleitende, wo sie spricht. Wie ergötzlich das triumphirende Auf- und Abgehen seitwärts, mit dem Muthwillen im Auge und auf der Lippe, während der alte Oheim, den Hr. Schirmer mit wahrer Gutmüthigkeit, und bald im Präceptorton, bald selbst dem Scherz sich hingebend, spielt, mit dem eifersüchtelnden Ehemann die Kapitulation vermittelt. Und endlich das schalkhafte Doppelspiel, als sie zugleich verliebte Verlegenheit gegen den Adonis und scherzhafte Sträflichkeit gegen den reuigen Amphitruo giebt. Die Künstlerin spielte mit sichtbarer, guter Laune, weil sie des verständigsten Gegenspiels sicher war. Wir glauben selbst einige Ausdrücke – wie das höchst komisch gesprochene, und von den Zuschauern mit Beifall aufgenommene: die Weiber müssen recht haben! von ihr selbst zugesetzt, vernommen zu haben. Das ist freilich etwas ganz anders, als manche eingeschobene Nothkrücke des wankenden Gedächtnisses, und kann nur Künstlern bei leichthin skizzirten Stücken, wie diese Charade ist, erlaubt seyn.

So wie nun hier durch dies entgegengesetzte Zusammenspiel die Wirkung nur auf eine angenehme Weise verstärkt werden konnte, so war auch Hrn. Hellwig’s Spiel, als des von einem plötzlichen Eifersuchtsfieber ergriffenen Ehemannes, im vollen Einklang wahrhaft ergötzlich. Walter mußte schnell-entzündbar und auffahrerisch gespielt werden. Sonst wird’s unbegreiflich, wie ein verständiger Mann bei einer so zärtliche liebenden Frau wegen eines so ausgemachten Gecken eifersüchteln kann. Durch Hrn. Hellwig’s immer erhitzteres, aufbrausenderes Spiel, durch die kleinen, hier ganz am Orte angebrachten Ungeberdigkeiten gegen den Feuerwerker ¦ und gegen Rosalien, wurde es begreiflich, oder schien es wenigstens für den Augenblick. Denn hier hätte der Dichter allerdings die Motiven, die aus der Mißheirath abgeleitet werden konnten, noch besser benutzen können, wenn es nicht die Grenzen eines zweiaktigen Sückes überschritten hätte. Gewiß, auch Walter erhielt bei uns durch ein so gut motivirtes Spiel sein volles Recht!

Rosalie Wagner, welcher die kleine Rolle des Röschen zu Theil geworden war, zeigte für ihr Alter mehr als Anlage, schon Zuversicht auf der Bühne, und wußte die, fast in Niaiserie überschattende Naivetät uns wirklich angenehm zu machen. Denn freilich hat der Dichter dies Röschen fast mit dem Gänseblümchen verwechselt. Wir rathen diesem sich so lieblich sich entwickelnden Talent, besonders noch auf das Maaß der Vernehmlichkeit ihre Stimme zu merken.

Noch mögen uns gegen den Dichter selbst, dem wir dadurch unsre wahre Achtung beweisen, einige Bemerkungen gestattet seyn. Die Deutschthümelei mit dem affektirten Purismus, mit dem Gequirlten, dem schwach-starken Tastenschrank (Pianoforte) u. s. w. mögen die Lachmuskeln auf einige Augenblicke in Bewegung setzen, sind sie aber bei einem so eben aus Frankreich und Italien zurückgekehrten Fat an ihrer Stelle? – Das Stück wurde in Wien am Vorabend des Geburtstags der höchstverehrten Kaiserin auf den Burgtheater aufgeführt. Da mochte der Zusatz einer gereimten Huldigung und Weihung ganz am Schluß wohl an seiner Stelle seyn. Aber uns hätte er damit verschonen sollen. Hier ist’s außer der Zeit und tödtet die wahre Pointe. Mit der Exmission aus dem Garten muß der Vorhang fallen. Wie schwer ist’s oft, aufzuhören! – Hr. v. Kurländer läßt seinen Feuerwerker Girandelli deutsch und italienisch zusammen radebergen. Gewiß ist ihm bekannt, was schon der unvergeßliche Engel auf Veranlassung des Lessingischen Ricaut de la Marliniere bemerkte. Diese Jargonsprecherei will sehr behutsam behandelt seyn. Bei der hiesigen Aufführung hatten, durch die kundige Hand unsers Theodor Hell, alle Italicismen einer wahrhaft witzigen Disposition zu einem mythologischen Feuerwerk, der keuschen Penelope zu Ehren, deutschen Scherzen Platz gemacht. Diese Abänderung schien uns sehr zweckmäßig und dem Ganzen wohlthätig. Sie fand allgemeinen Beifall. Der geachtete Dichter prüfe selbst! Dies kleine, gewiß überall, wo ihm die darstellende Kunst so freundlcih zuspielt, unterhaltende und gern gesehene Stück verdient wiederholte Pflege und – was so oft, wenn es mangelt, die erfreulichste Erscheinung wieder vom Repertoir verdränt – bessernde Nachfeile.

Böttiger.

Hierauf: Das Landleben, Lustsp. in 3 Akten, von Steigentesch.

Editorial

Authors

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Die Charade” von Kurländer am 25. Februar 1819 (Teil 2 von 2). Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 56 (6. März 1819), f 2v

Text Constitution

  • “den”sic!

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