Anregung zu Benefizvorstellungen für die Hinterlassenen Webers

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Aus Sachsen, 30 Okt. Mit Recht hat man in öffentlichen Blättern laut die Unwahrheit gerügt, als ob die Wittwe des unvergeßlichen Maria v. Weber sich in so bedrängten Umständen befände, daß sie allein auf die Großmuth der Theaterdirektoren und Unternehmer rechnen, und durch Benefizvorstellungen einen Fond für die Zukunft begründen müsse. Wenn auch Weber nichts weniger als reich gestorben ist, so wird doch die treue Lebensgefährtin mit ihren zwei unerzogenen Söhnen nie Noth leiden. Der König von Sachsen hat ihr für sich und die Kinder für’s erste 300 Thlr. Wittwengehalt ausgesetzt, und wachsen die Söhne für öffentliche Erziehung heran, so wird für sie gewiß auch anderwerts gesorgt werden. Man glaubt übri|gens auf die Dankbarkeit und das Zartgefühl der Tausende, die in allen Städten Deutschlands, wo stehende Theater sind, Webers herrlichen Opern so viel Genuß verdanken, mit Sicherheit zählen zu dürfen, daß diese schon von selbst die Direktionen, die so etwas nur zu gern vergessen, anregen, und auf Benefizvorstellungen bringen werden. Die öffentliche Meynung zermalmt selbst Kieselherzen, und nichts wäre schimpflicher und engherziger, als wenn man sagen wollte: ihr hörts ja, Webers Hinterlassene bedürfen es nicht zum täglichen Brod! Die Benefizvorstellung hier in Dresden hat absichtlich noch nicht statt gehabt, weil man erst das ganze Publikum wieder beisammen haben wollte, da auch hier erst im Spätherbste alles von den Weinbergen und Landhäusern wieder zur Stadt kommt. So haben es auch die Theaterdirektionen in Wien, Prag, Leipzig, Breslau, Berlin, Hamburg u. s. w. gemeynt, und gewiß dadurch der guten Sache, die sie bezwekten, mehr genüzt, als durch zu voreilige Feier des geliebten Todten. Jezt werden wohl bei allen Bühnen die ein geregeltes Orchester und Sängerpersonal haben, Vorbereitungen zur Aufführung des Weberschen Oberon getroffen, der auch noch vor Ende dieses Winters hier auf die Bühne gebracht werden soll*. Der thätige Schlesinger wird durch den Verkauf des Clavierauszugs überall die Begierde nach dem Ganzen erweken. Man hörte vor wenigen Tagen in einem sehr zwekmäßig arrangirten Konzert, welches der berühmte Flötist Fürstenau, Weber’s treuer Reisegefährte und Krankenwärter in London, veranstaltet hatte, die unvergleichliche Ouvertüre zum Oberon mit vollbeseztem Orchester unter des Kapellmeisters Morlacchi Direktion ausführen, und erstaunte über die Fülle und Harmonie dieser gewaltigen Tonschöpfung*. Weber selbst hielt seinen Oberon für sein gelungenstes Werk. Dem Vernehmen nach beschäftigen sich zu gleicher Zeit mehrere Federn mit Biographien Webers. Allen dürfte wohl die vom Hofrath und Professor Wendt in Leipzig schon fast vollendete Biographie und Würdigung seines Künstlerwerths den Vorrang abgewinnen, da ihm die besten Hülfsmittel zu Gebot standen, und er längst als Kenner in diesem Fache anerkannt ist. Vielleicht wird der wahre Zeitpunkt, etwas ganz Erschöpfendes über diesen seltenen Tonsezer und Menschen zu sagen, erst später eintreten*. Noch ist Weber’s Stelle nicht ersezt. Es sind die berühmtesten Tonsezer dazu in Vorschlag gebracht worden. Für’s erste hat Joseph Wolfram aus Töplitz die von ihm komponirte bezauberte Rose hier als Probe seiner Kunstfertigkeit einstudirt, und nachdem sie früher schon mit Beifall gegeben worden war, auch in Gegenwart des Königs dirgirt*. Der Entschluß des Monarchen darüber ist noch nicht bekannt, wohl aber, daß er ihm für seine Leistung eine kostbare Tabatiere hat aushändigen lassen. Diese Oper hat zwar viel Melodisches, und bewegt sich leicht und ohne Anstoß fort; allein man vermißt Tiefe und Originalität darin, versichert aber, daß er ein sehr fruchtbarer und vielgestaltender Compositeur sey, und ein glükliches Talent zum Einstudiren und Dirigiren habe, welches vielleicht noch wünschenswerther ist, als die eigene Virtuosität allein.

Editorial

General Remark

Autorenzuweisung nach dem Beiträger-Register der Augsburger Allgemeinen Zeitung, hg. von Bernhard Fischer, München 2003, S. 93

Creation

Responsibilities

Übertragung
Schreiter, Solveig

Tradition

  • Text Source: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Jg. 29, Nr. 318 (14. November 1826), pp. 1270f.

    Commentary

    • “… die Bühne gebracht werden soll”EA in Leipzig am 24. Dezember 1826, vgl. ThemenkommentarT.
    • “… und Harmonie dieser gewaltigen Tonschöpfung”A. B. Fürstenaus Musikalische Akademie am 13. Oktober 1826; darin erklang neben der Ouvertüre auch das Quartett Nr. 11 aus dem Oberon, gesungen von W. Schröder-Devrient, S. Seconda, G. Bermann und A. Mayer.
    • “… zu sagen, erst später eintreten”Zu dieser Zeit trugen sich sowohl Amadeus Wendt als auch Friedrich Rochlitz mit der Idee eine Biographie über Weber zu schreiben, beide Projekte blieben unausgeführt. Carl Friedrich Rungenhagen veröffentlichte eine Kurzbiographie. Karl Theodor Winkler, der sich kurzzeitig ebenfalls mit dem Gedanken an eine Biographie befasste, gab dann Webers Schriften heraus. Zu diesen und allen weiteren Biographien bis zu Max Maria von Webers umfassendem Lebensbild (1864/66), vgl. Eveline Bartlitz in: Weberiana, H. 25 (2015), S. 5–32.
    • “… in Gegenwart des Königs dirgirt”Am 7. September 1826 wurde das Werk in Dresden erstaufgeführt, in Berlin fand die erste Aufführung am 13. Dezember 1827 statt.

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