Caroline von Weber an Carl Maria von Weber in London
Dresden, Mittwoch, 15. und Donnerstag, 16. März 1826

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erhalten London d. 27t März 1826.
btw. ---------- 28. --------------
durch No. 14.

Schon 8 Tage sind es daß ich nicht mit dem guten Muks geplaudert habe, aber meine Zeit vergeht auch so einfach daß ich Dir, außer dem alten Liede, nichts zu schreiben hatte. Die Leute quelen mich um Nachricht von Dir, und ich armer Narr habe doch selbst keine, und kann wohl auch noch keine haben. Du lieber Gott! Diesmal dauerts recht lange! na! nur die Ohren hübsch steif gehalten, die nächsten Tage bringen mir gewiß die frohe Nachricht Deiner glüklichen Ankunft in London. Gestern hat mich unser guter Rothe überrascht, sein erster Ausgang war zu mir. Du kanst denken mein Alter daß ich herzliche Freude hatte, denn ich habe ihn sehr vermißt. Das wir immer nur von Dir sprachen, brauche ich Dir wohl nicht erst zu sagen. wenn es überhaupt möglich ist, einem Entfernten zu erscheinen, wenn man mit ganzer Seele sich zu ihm sehnt, dann hast Du mich gewiß schon oft gesehen. Aber so schreklich auch die Zeit der Trennung ist, so schnell ist sie doch bis jetzt vergangen! wenigstens komt mir’s so vor, wenn ich zurük denke — 4 Wochen bist Du morgen schon fort — gott lob! jeder Tag der vorbey ist ist für mich gewonnen. Wenn ich nur erst wüßte wie es Dir geht. Die Ungewißheit ist recht peinlich!! nun mit Gottes Hülfe wird alles gut gehen, ich will Ihm vertraun der Dich bisher beschützte. Von Neuigkeiten ist nur wenig pasiert. Das dies Jahr kein Oratorium ist*, wustest Du wohl schon? Der Bischhof will den Dresdnern kein Kirchen Conzert mehr gönnen. daß aber der König darein willigt, ist merkwürdig. Wie ich höre sollen Devrients abgedankt werden, wenigstens hat Tiek in der letzten Comitée darauf angetragen. Herr Marschner ist brühwarm zu Dewrients hingelaufen und hat es ihnen wieder erzählt, daraus ist ein Mansch und Streit entstanden, daß nun Tiek krank liegt. — Vor ein paar Tagen habe ich auch einen Brief von der Mutter, oder vielmehr von Lenchen erhalten, die mir schreibt daß die Mutter sehr krank gewesen sey, sich jetzt aber wieder in soweit erholt habe daß sie außer dem Bett sein kann. Ich bin froh daß ich nicht ehr von dieser Krankheit gewust habe, denn ich brauche nicht noch mehr Stoff zu Angst und Sorge.      Die Buben sind wohl und Lustig, und laufen bey den schönen Wetter fleisig mit mir spaziern. Gestern sind wir auf den Steiger gefahren (der halbe weg nach Taranth) und zurük bin ich zu fuß gegangen bis nach Plaun*. Das Gehen bekömt mir überhaupt recht gut. |

In unsern Hause geht alles seinen gewöhnlichen Gang. Die Leute benehmen sich gut, besonderst Johan, der ist gar zuthulich und freundlich. Die Angnes hat mich gebeten sie doch noch bis Ostern zu behalten, und ich habe es ihr erlaubt dazubleiben. Wie wird Deine Lina diese Ostern zubringen? Der zweite Feyertag wird ein marter Tag für mich sein. Ehe ich nicht einen Brief über den Erfolg der Oper habe, ziehe ich nicht nach Pilnitz, denn, dann dauerte es noch einen Tag länger bis ich den Brief erhalte. —  mit welchen Herzklopfen werde ich den eröffnen — —.

Einen Brief von Ballabene an Zeis habe ich heute gelesen worin er sehr über sein Unglük jamert (welches der Banqurott von Goldschmit* in Londen Ihm zugezogen.) Alle Realitäten werden verkauft, und er hofft seine Gläubiger sollen mit ihm zufrieden sein — wie dauren mich die armen Leute! aber wie danke ich gott daß er mir den guten Gedanken eingab! Recht vor Thorschluß habe ich unser Schäffchen ins Trokne gebracht. Zeis meinte ich müste ein bißel allwißend sein. Ach wenn ich das wäre! nur auf eine Minute wäre, dann wollte ich was beßeres thun als mich um das Geld bekümmern, dann wüste ich was mein Alter macht.      Rothe hat mich heute recht gelobt daß ich so gefaßt und heiter bin, und wird Dir‘s auch nächstens schreiben. nur Abends wenn ich so allein bin die Kinder schlafen, und ich Deinen Bilde gegenüber sitze, überfällt mich manchmal eine rechte Wehmuth, und ich muß mich zusamen nehmen das ich nicht weine —. Am Tage vertreiben mir die Buben durch Liebeswürdigkeit und Ungezogenheit die Grillen, und Abends leben wir in Sauß und Brauß bis spät in die Nacht (um 8 Uhr). gewöhnlich liegt der ganze Mensch um 9 Uhr schon im Bette.      Ich schrieb Dir doch das mein dumes Oberbein* zerplatzt ist, und das war gut!, aber die Hand, und besonderst der mittelste Finger thun mir noch so weh daß ich kaum die Feder halten kann. Hede[n]us meint das hätte gar nichts zu bedeuten, es käme nur von der Erschütterung der Flexe.  Meintwegen! wenn es nur nicht Schult wäre daß ich gar so schlecht schriebe, Du wirsts kaum | lesen können. Ich reibe die Hand fleisig mit Spiritus da wird sichs wohl geben. Ich bin nur froh das der Bukel fort ist, wenn er nur nicht wieder kömt! Die Henickstein habe ich nur einmal bey ihr gesehen, sie erkundigt sich fleisig durch den Bedinten wie es Dir und uns geht, aber der Mangnet der sie zu uns zog ist fort. na, ich kanns ihr nicht verdenken. Mit der jungen Mutter und dem Kinde geht es gut.

Nun mags für heute genug sein, meine Pott thut mir ortendlich weh. Schlaff wohl mein geliebter Theurer Carl, ich drüke Dich innigst an mein Herz. Gott segne Dich + + + ich gehe nun schlafen, und Du fängst nun erst recht an zu wachen. Gute gute Nacht.

Den 16ten Morgens.

Will der guten Männe nur geschwind guten Morgen sagen und […] berichten das Alli heute Nacht wieder mit 9 Jungen Hunden ent[bunden] worden istT. die Wöchnerin sich aber recht wohl befindet. Mit Tiek geht es heute schlecht, man fürchtet die Gicht sey ihm in den Leib getreten. Wie sollten mich die armen Kinder dauren wenn da ein Unglük geschähe.      Wie ich heute hörte, hat Knobloch auch bedeutent in England verlohren. Es ist doch entsetzlich wie viel Menschen jetzt unglüklich werden. Für Dich und Fürstenau wird die Stimmung in Londen auch wohl nicht günstig sein — nun Dein Stern muß auch sein Recht haben wenn Du auch, nur wie gewöhnlich über alle Schwirigkeiten Thriumpfierst. Gott gebe seinen Segen dazu. leb wohl mein Theurer lieber lieber Carl. Alle Freunde grüßen herzlich, besonderst Rothe.

bleibe gesund und froh, und behalte lieb Deine Dich unentlich liebende
Lina.
Die Buben küßen dem Va[ter] die Hand.

Editorial

Summary

Theaterklatsch, persönliches Ergehen, Privates: Ali hat 9 Junge geworfen

Incipit

Schon 8 Tage sind es daß ich nicht mit dem

General Remark

Die Briefe, die sich Carl Maria und Caroline von Weber schrieben, wurden meist durchnummeriert, zum einen um mögliche Verluste nachvollziehen zu können, zum anderen um in der Antwort dann auf bestimmte Inhalte Bezug zu nehmen. Carolines Zählung in den Briefen an ihren Mann während dessen Reise nach London 1826 ist allerdings sehr inkosistent. Vorliegenden Brief zählte sie irrtümlich doppelt (vgl. Brief vom 8./9. März), einen anderen als halben (vgl. Brief vom 16. April), in späteren Briefen verzählte sie sich dann mehrfach. Weber korrigierte bei Erhalt des Briefes die falschen Briefnummern (vgl. Brief vom 22. April und folgende) bzw. korrigierte und ergänzte fehlende Datierungen (z. B. in den Briefen vom 25. April sowie 10./11. Mai). Die letzten Briefe, die ihn nicht mehr lebend erreichten, wurden von fremder Hand mit Bleistift korrigiert (vgl. Briefe vom 25. Mai bis 5. Juni).

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. Caroline von Weber 7

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • mit Empfangs- u. Beantwortungsvermerk Webers
    • Siegelrest
    • PSt.: a) DRESDEN | 16 MÄRZ 26 b) ALLEMAGNE | PAR | FORBACH c) F P O | MR: 27 | 1826

Text Constitution

  • illegible text
  • “bunden”supplied by the editors
  • “ter”supplied by the editors

Commentary

  • “… No 6”Zur Zählung des Briefes vgl. Generalvermerk.
  • “… dies Jahr kein Oratorium ist”Bis 1825 war in Dresden jährlich am Ostersamstag ein Oratorium gegeben worden, letztmalig kam am 2. April 1825 Morlacchis Isacco figura del redentore zur Aufführung. Nach Beendigung dieser Tradition wurden die bis heute üblichen Palmsonntagskonzerte zum Besten des Pensionsfonds für die Witwen und Waisen der Kapellmitglieder eingeführt (erstmalig am 8. April 1827); eine entsprechende Idee teilte Lüttichau Weber bereits im Brief vom 12. Mai 1826 mit (noch mit Ostersonntag als projektiertem Aufführungstermin).
  • “… fuß gegangen bis nach Plaun”Gemeint ist der von dem Dorf Plauen, heute Stadtteil im Südwesten Dresdens, ausgehende Plauensche Grund.
  • “… (welches der Banqurott von Goldschmit”Das Londoner Bankhaus B. A. Goldschmidt & Co., geleitet von L. A. Goldschmidt, musste im Februar 1826 seine Zahlungsunfähigkeit bekanntgeben.
  • “… doch das mein dumes Oberbein”Ganglion oder Überbein ist eine Weichteilgeschwulst, die sich u. a. an Fingern entwickelt.

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