Caroline von Weber to Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Friday, October 18, 1839
Settings
Show markers in text
Context
Absolute Chronology
Preceding
- 1839-09-02: to Jähns
- 1839-05-22: from Schlesinger
Following
- 1839-12-30: to Jähns
- 1839-11-16: from Schlesinger
Direct Context
Preceding
- 1838-01-10: to Lichtenstein
- 1837-11-16: from Lichtenstein
Following
- 1840-03-21: to Lichtenstein
- 1841-03-12: from Lichtenstein
Fast jeden Tag, mein Theurer Lieber Freund, nahm ich mir vor Ihnen zu schreiben, Ihnen für Ihren herzlichen Brief zu danken der endlich den Entschluß bey mir zur reife brachte, mich auf eine Zeitlang von meinem guten Max zu trennen, und ihn Ihrer väterlichen Fürsorge zu übergeben. So oft ich aber auch anfangs die Feder zur Hand nahm, um Ihnen diesen Entschluß mitzutheilen, immer kamen mir ehr Thränen als Worte, und ich mußte mir schon einen Aufschub gönnen, um mich an den Gedanken der Trennung der immer nur wie ein böser Traum vor meiner Seele gestanden hatte in allem Ernste zu gewöhnen. Könnten Sie mich freylich in diesen Augenblike sehen, dann würden Sie leider finden, mein Theurer Freund, daß ich mich noch immer von meinen Gefühl zu sehr hinreißen laße, und daß der Aufschub nur sehr wenig genützt hat, aber es ist mir auch, als ob ich mit diesen Zeilen eine Wache stellte zwischen mein Herz, und meine Vernunft, und als ob nun kein Rückschritt mehr möglich wäre, zürnen Sie mir daher nicht wenn ich nur mit den schmerzlichsten Gefühlen diesen Revers gegen mein eignes Herz unterschreibe.
Sie sprachen in Ihren Briefe den Wunsch aus, Max mögte nun so bald als möglich nach Berlin komen; die Lehrer der Technischen Anstalt aber, waren mit meinem Herzen im Bunde, und alle der Meinung, Max mögte noch den Cursus der ersten Klaße, welcher erst zu Ostern zu Ende geht, vollens mit nehmen. Auch Winkler stimmte dieser Meinung bey, und wird Ihnen auch nächstens darüber schreiben. Demnach würde ich den Max also erst ende März nach Berlin bringen, und villeicht selbst ein paar Wochen dort bleiben bis er sich ein wenig an das neue Leben gewöhnt hat.
Gebe Gott, daß Webers Freunde einen kleinen Theil der Liebe, die sich der Vater zu erwerben wuste, auf den Sohn übertragen, und daß er dieser Liebe, und des Name[n]s den er trägt, immer würdig bleiben mag. Jetzt ist er ein ganz guter Mensch, der mir keinen Kummer macht, und mit unendlicher Liebe an mir hängt. Ihm wird die Trennung von uns, fast so schwer wie mir; ja seit sein Loos entschieden ist, scheint sich seine Liebe für uns zu verdoppeln, und nur wenn er muß, trennt er sich jetzt von uns. Ach so glücklich mich das Alles macht, so sehr erschwert es mir die Trennungszeit.
Leider war die Anwesenheit Ihres lieben Sohnes nur einer freundlichen Erscheinung zu vergleichen, und die jungen Männer konnten nur wenig bekant mit einander werden. Mit dem jungen Wollank ist es uns beßer geglückt. Der hatt einige Tage bey uns wohnen können, und ist uns, durch sein heiteres, anspruchloses Wesen recht lieb geworden. Wenn Sie es wünschen kann er Ihnen viel von uns erzählen.
Von den Pintos ist wieder alles still, und ich fürchte fast es wird gar nichts draus. Nun wie Gott will! ich werde Meyerbeer gewiß kein Wort mehr darüber schreiben.
Herzlich freue ich mich daruf all die lieben Freunde Webers in Berlin wieder zu sehen (obgleich ich auch fürchten muß daß mich Manches in dieser Zeit schmerzlich berühren wird). Wie viel Schönes habe ich von Ihrer Tochter gehört! Welch’ liebes Mädchen muß das sein! welch eine ausgezeichnete Künstlerin!!! Wenn doch Weber sein Patchen einmal hören könnte! Man sagte mir, Sie spielen Webers Compositionen Wie Er selbst –– das wird mir ein schmerzlich süßer Genuß sein Sie zu hören; hier höre ich von Weber außer seinen Opern, fast nichts.
Man sagte mir, das neue Theater solle mit dem Freyschützen hier eröffent werden – ach mit welch ganz andern Gefühlen werde ich der Vorstellung jetzt bey wohnen als damals in Berlin –– –––– Noch jetzt, nach so vielen Jahren, kann ich keine Oper hier sehen, ohne das schmerzlichste Gefühl zu haben, wenn ich eine fremde Gestalt auf der Stelle sehe, von welcher aus Webers freundliches Auge mich so oft gesucht; wo er mir so liebevoll zugelächelt wenn alles auf dem Theater nach seinem Wunsche ging, wenn sein feuriger Geist sie Alle beseelte –– Ich mag wohl recht parteyisch sein wenn es mir vorkömt, als wäre nun alles anders, als wären die Bilder der Kunst nur alle grau in grau gemalt. –– Es geht mir ja überhaupt mit meinen ganzen Leben so! wo käme auch der Glanz her, wenn das Licht fehlt!
Doch ich will mich durch die Erinnerung an die schöne Vergangenheit nicht noch trüber stimmen als ich es schon bin, brauche ich doch Muth für die Zukunft. Gott sey mit Ihnen mein Theurer lieber Freund.
Grüßen Sie all Ihre Lieben von mir, und behalten Sie uns lieb Carolina v Weber den 18t Oct 1839.
Editorial
Summary
dankt für L's Brief, der Ihren Entschluß, Max nach Berlin zu geben, bekräftigte, auch wenn es ihr schwer fällt; die bevorstehende Eröffnung des Theaters mit dem Freischütz ruft in ihr Erinnerungen wach
Incipit
“Fast jeden Tag, mein Theurer Lieber Freund”