Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Montag, 11. Oktober 1847

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Mein lieber Jähns.

Imer muss ich noch meinen Brief an Sie allein adressieren damit ich meiner guten Ida, welche mir ja doch bey all den fatalen geschäftsangelegenheiten nicht helfen konnte, die gute Laune nicht verderbe. Mich hat Herr Schlesinger mit seinen weitläufigen Weigerungen schon so mürbe gemacht, und ich hege so ein inniges Mitleid mit Ihnen mein lieber Jähns, dass ich nun ganz die Sache auf sich beruhn lassen will obgleich die Geschichte mit dem Wechsel gar nicht in der Ordnung ist, denn Herr Schlesinger hat dabey die nötige Formel „den Werth erhalten“ vergessen, und Kaskel sagte mir, wenn Schlesinger den Wechsel nicht bezahlen wolle so müsste ich ihm, natürlich das Geld zurück erstatten. Doch wie gesagt, ich bin des Geschreibes so müde dass ich es darauf ankomen lassen will. Auch Sie mein lieber Jähns haben eine so schwere, und angreifende Rolle bey dieser Comödie zu spielen gehabt dass Sie sich nur damit trösten können dass Sie kein undankbares Publicum hatten, welches so viel Einsehen hatt wenigstens nicht das Stückl wiederholt zu wünschen. Geben Sie in Gottes Namen Herrn Schlesinger die Documente gegen Quittung und theilen Sie ihm mit dass die Partitur angekomen sey. Bitte sagen Sie ihm aber auch zugleich dass ich, wenn ich je wieder ein Geschäft mit ihm machen müsste ich nicht nur einen, nein, 10 Advokaten zu Hülfe nehmen würde, und dann doch noch überzeugt wäre, dass wir seiner Gewantheit nicht gewachsen sind. Ich bin es überzeugt dass er ein Privilegium* gar nicht einmal wünscht, denn dann müsste er noch die 400 Thaler bezahlen, und es war ihm einzig darum zu thun den andern Verlegern den Handel zu verderben und den Freyschütz zu haben um den Prozess gegen Schott zu gewinnen. Ich habe mich beschwazen lassen und muss nun auch die Strafe tragen. vielleicht macht mich dies Beyspiel doch endlich einmal klug —. Ich werde Herrn Schlesinger nicht mehr schreiben denn er antwortet doch nicht ordentlich, und ich habe die ganze Sache recht recht satt. Auch will ich Sie mein guter Jähns, dem ich recht herzlich danke, das Leben nun nicht mehr damit sauer machen, ich habe Sie in Wahrheit recht innig bedauert, denn ich weiss, es ist keine Kleinigkeit den Redestrom des Herrn Schlesinger einen Damm entgegen zu setzen. Nur das Eine bitte ich sagen Sie ihm noch, dass er mir mit umgehender Post wegen der Zeit des Privilegiums schreiben soll denn da die Sache einmal eingeleitet, ist die lange Unterbrechung, wegen die Anfrage der Behörde, recht sonderbar.

Max ist nun wieder in Chemnitz, und hat Frau und Kind wohl gefunden. Ich habe mich in die Kost bey meiner Mad. Paldamus, welche Ihr ja wohl hier gesehen, gegeben weil es gar so traurig und einsam an meinem Tische war und mir kein Bissen schmekte. Die Schwarz wohnt bey dieser Dame, und so vergehen die Mittage uns 3 Frauen ganz angenehm. Ich bitte Sie lieber Jähns schreiben Sie mir doch gleich recht ausführlich über den Erfolg von Wagners Oper. Hier spricht man davon Köstner mögte ihn gern an Meyerbeers Stelle haben und thäte desshalb alles das die Oper mit Glanz in Scene ginge. Wagner macht ein ungeheures Wesen über seine Aufnahme in Berlin und das Glück was die Oper schon in den Proben mache. Recht neugierig bin ich zu hören ob das alles so wahr ist, oder wieder so eine pfiffige Aufschneiderey. Hillers Oper wird Mittwoch aufgeführt, aber man verspricht sich nicht viel davon. Das Buch soll höchst langweilig sein, und die Musik der Melodie entbehren. Es ist recht kurios dass die Leute jetzt alle Musik ohne Melodie schreiben. Was ist denn eigendlich Musik? Wegen den Aufsatz für die musikalische Zeitung mein lieber Jähns kann ich Ihnen nur sagen dass er wirklich von Weber ist, und Rothe ihn einmal abschreiben musste, er weiss aber nicht ob ihn Weber jeder Partitur beyfügen wollte. Wollen Sie ihn abdrucken lassen, und glauben Sie dass es damit nicht zu spät ist, so thun Sie es in Gottes Namen aber helfen werden Sie der armen Euryanthe damit nicht, denn weder Sänger noch Dirigenten werden sich darum kümern. Hier haben sie bey der letzten Vorstellung, das Duett zwischen Euryanthe und Eglantine so schnell gemacht dass man bequem darnach hätte tanzen können, eben so sang Adolar die Arie „O Seligkeit pp[] so schnell dass er die Worte nicht mehr aussprechen konnte. Das gefiel aber dem Volk und er muste die Arie wiederholen. Jaja, mein guter Wilhelm, man muss sich eine dike Haut anschaffen und sich nicht ärgern. Doch nun für heute nur noch herzlich herzliche Grüsse an meine gute Ida. Nächstens schreibe ich Ihr einen langen schreibe Brief ganz allein.

Ihnen guter Jähns drüke ich herzlich die Hand für alle Liebe und Sorgfalt welche Sie mir aufs neue bewiesen, und wünsche dass ich Ihre Freundschaft auf keine ähnliche Probe zu stellen brauche. Gott sey mit Euch ich küsse Euch herzlich EureWeber

Editorial

Summary

nimmt nochmals Bezug auf die Schlesinger-Angelegenheit, sie ist nicht zu ihrer Zufriedenheit erledigt, aber sie ist es inzwischen müde, ihm zu schreiben, und lässt alles auf sich beruhen, entschuldigt sich nochmals bei J., dass sie ihm soviel Mühen damit bereitet habe; bittet um Mitteilung über den Erfolg der Wagnerschen Oper (Rienzi); äußert sich kritisch über die letzte Vorstellung der Euryanthe in Dresden und erteilt ihm Genehmigung, Webers Aufsatz (Über die Tempobestimmung der Oper Euryanthe) in der Bock’schen Zeitung abzudrucken, fürchtet aber, dass er keine Wirkung tun wird

Incipit

Imer muss ich noch meinen Brief an Sie allein addressieren

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 105

    Physical Description

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 105 des Konvoluts)
    • 4 S.
    • am Kopf die Notiz: “Empfangen den 11. Oct. 47.”

Text Constitution

  • “schreibe”sic!

Commentary

  • “… überzeugt dass er ein Privilegium”Zu der von Schlesinger erbetenen zeitlichen Ausdehnung seiner Druck-Privilegien auf Webers Opern vgl. u. a. Caroline von Webers Brief an Giacomo Meyerbeer von Anfang 1847 sowie die Notizen in der AmZ, Jg. 50, Nr. 32 (9. August 1848), Sp. 526 und Nr. 36 (6. September 1848), Sp. 591.

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