Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Donnerstag, 21. Oktober 1847
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Absolute Chronology
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- 1847-10-18: to Meyerbeer
- 1847-08-14: from Jähns
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- 1847-11-02: to Jähns
- 1848-06-03: from Schlesinger
Direct Context
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- 1847-10-11: to Jähns
- 1847-08-14: from Jähns
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- 1847-11-02: to Jähns
Sie sind so herzens gut mein lieber Jähns sich für mich täglich von dem hässlichen Menschen, den ich gar nicht mehr nennen mag, durch winkelzüge, und weitläuftigkeiten martern zu lassen, dass mein Dank fast so gross als mein Mitleid ist. Ich kann es Ihnen gar nicht beschreiben wie sehr ich mir den Magen an diesem Musikalienhändler verdorben habe, und ich hoffe zu Gott dass ich so bald nichts wieder von der unverdaulichen Speise zu essen bekome. Und doch muss ich Sie noch einmal damit quelen ihm zu sagen „dass er villeicht durch seine Saumseligkeit, in betreff der Privilegien Angelegenheit für die Partituren*, selbst Schuld ist wenn sie nicht ausfällt wie er wünscht[“], denn ich warte mit meinem Gesuch für die Gesamtausgabe nun nicht mehr auf ihn, und halte mich nun an den Buchstaben unseres Contrakts. Mir kann es nur lieb sein wenn er die 4 andern Partituren nicht nimt, und ich denke er wird es auch einmal bereuen so unnobel mit mir gehandelt zu haben. Doch nun auch Punktum! schikt er mit nächster Post mir keinen bestimten Bescheit so sehe ich es dafür an dass ihm an der ganzen Sache nichts liegt, und ich freue mich dessen. Hierbey sende ich Ihnen mein guter Jähns, den Wechsel und bitte Sie das Geld für mich einzukassieren. So Gott will soll Nettchen dafür künftigen Sommer in ein Bad reisen damit die schlimen Nachwehen des bösen Wochenbetts verscheucht werden. Ueber unser klein Marichen schreibt mir Max imer ganz entzükt, und kann mir nicht genug rühmen wie lieb das kleine Thierchen ist. Die Kinder wünschten sehr ich sollte die Schmerzens Tage der Erinnerung* bey ihnen verleben, aber ich will jetzt doch lieber hier bleiben und erst anfang Dezember hingehen, denn das ofte hin und her fahren über das kalte Gebirge thut mir nicht gut, und jedes mal bin ich in Chemnitz krank geworden. Zu Weihnachten, und Neujahr, muss man aber doch bey den Seinen sein, und diesmal, wo klein Mariechen sich schon über dem Lichterbaum freuen wird, könnte ich nur hier bleiben wenn ich müsste. Gott lob dass Max solch herzliche Liebe zu dem Kinde hat, das wird ein festes Band werden welches ihn auch an die Frau bindet. Ich lebe hier jetzt übrigens so angenehm als man es ohne die Nähe des geliebten Sohnes kann. Ich esse nicht mehr zu Haus, sondern bey einer Freundin, mit der Schwarz zusamen. Das hat etwas viel gemüthlicheres als wenn man so einsam vor der Schüssel sitzt, und davon schon satt wird ehe man zu essen angefangen. Nach Tisch trinken wir noch zusamen ein Tässchen Kaffee und gehen dan bey guten Wetter ein Stündchen spaziren. Das Theater hat in der letzten Zeit auch viel Neues, und auch manches Gute geboten. Zum Letzteren gehört nun freylich Hillers Oper nicht, denn leider war es ein Todtgebornes Kind ohne einen Funken von Genie. Aber der arme Hiller dauert mich von Herzen denn er hat ein redliches Streben, nur leider hat er sich verlocken lassen auf Wagners Fährte zu gehen ohne Wagners Genie zu haben. Ach Gott was wird nur noch daraus wenn man uns das für Musik, für Oper verkauft!! Diese musikalische Lufterschütterung kann nie, und niemals den Weg zum Herzen finden! selbst das Ohr mögte davor zurückschaudern weil ihm mehr zugemuthet wird als das arme Ding aushalten kann. Aber wie gesagt „Hiller dauert mich[“], und ich spreche mich nur gegen Sie aus, weil ich sehe wie unglüklich er ist. Meyerbeer hat geschrieben dass der Gesundheits Zustand seiner Frau eine Reise nach Italien nöthig macht und er sie begleiten muss. Folglich kann der Profeth in Paris nicht sein, und unsere Pintos bleiben vor der Hand uncomponiert. Wegen dem Aufsatz für die Musikalische Zeitung habe ich gestern gleich, nach Empfang Ihres Briefes, an Herrn Bock geschrieben. Wegen dem Honorar machen Sie sich keine Sorge guter Jähns, denn ein Fridrichsdor mehr oder weniger machen mich nicht glücklich und nicht unglücklich, und hoffendlich wird Herr Bock nicht so lumpig sein wie — — — — — — doch halt bald wäre mir wieder der fatale Name entschlüpft. — Dass Sie unwohl waren mein lieber Jähns thut mir von Herzen leid, denn aus doppelten, und dreyfachen Gründen muss man Ihnen dauerhafte Gesundheit wünschen. Wer wäre aber bey der üblen Witterung, welche wir hatten, ganz von Schnupfen und Husten verschont geblieben? Von Ida schreiben Sie mir nicht, und darum hoffe ich es geht ihr und den Kindern wohl. Ich rechne nun aber auch sicher darauf nun einmal einen gemüthlichen Brief von ihr zu bekomen in welchen der Mann — nicht vorkömt. Hol ihn der Gukuk!! Vergessen Sie auch nicht guter Wilhelm mir über Rienzi zu schreiben*. Lichtenstein sehen Sie wohl gar nicht? ich höre auch nichts von ihm.
Doch nun auch genug für heute, nicht wahr? Gott sey mit Euch Ihr lieben Kinder. Ich umarme Euch herzlichEureMutter Weber.
Editorial
Summary
ist nach wie vor verärgert über Schlesinger und bedauert J., dass er so sehr damit befasst ist, des weiteren persönliche Mitteilungen und ihr Urteil über die Uraufführung von Ferdinand Hillers Oper Konradin, die ein Fiasco war; Meyerbeer muss seine Frau auf eine Reise nach Italien begleiten, Prophet kann nicht aufgeführt werden, folglich kommt die Pintos-Angelegenheit auch nicht voran
Incipit
“Sie sind so herzens gut mein lieber Jähns”
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler; Eveline Bartlitz
Tradition
Commentary
-
“… Privilegien Angelegenheit für die Partituren”Zu der von Schlesinger erbetenen zeitlichen Ausdehnung seiner Druck-Privilegien auf Webers Opern vgl. u. a. Caroline von Webers Brief an Giacomo Meyerbeer von Anfang 1847 sowie die Notizen in der AmZ, Jg. 50, Nr. 32 (9. August 1848), Sp. 526 und Nr. 36 (6. September 1848), Sp. 591.
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“… die Schmerzens Tage der Erinnerung”Der dritte Todestag Alexander von Webers am 31. Oktober.