Carl Maria von Weber an Friedrich Ferdinand Flemming in Berlin
Leipzig, Mittwoch, 2. September 1812

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Sr. Wohlgebohren

Herrn Doctor Flemming

in

Berlin

Krausen Straße No: 36

am Dönhofschen Plazze.

Lieber Bruder! Schreibe mir gleich nach Gotha.

In Eile nur diese wenigen Worte. ich bin Gestern, Dienstag Abends um 5 Uhr glüklich mit meinem braven Reisegefährten* in Leipzig angelangt. Das Wetter war uns sehr günstig, die Postillions für gutes Trinkgeld auch, — und ein einziger PostKarren hatte es sich vorgenommen durch sein teuflisches Rütteln und Stoßen eine kleine Abwechslung in unsre Reise zu bringen.

Meine erste Beschäftigung war zu Hofr. Rochliz zu gehen, um deßenwillen ich mich eigentlich in Leipzig aufhalte, und der ist zu meinem großen Verdruße verreißt. und zwar gerade Gestern früh. ich mache nur heute noch Visiten ab, was zu machen ist, fahre dann Morgen zu ihm*, und werde wahrscheinlich Freytag Mittag bey Gabains Eßen und dann mit dem Schauspieler Lembert aus Stuttgart, einem alten Bekannten von mir der hier Gastrollirt*, weiter nach Gotha reisen.      Ich brauche Dir und allen meinen Lieben, wohl nicht erst zu sagen, wie unendlich schmerzlich mir der Abschied wurde war. noch immer ist es mir wie ein Traum, und ich glaube stets ich machte nur eine Spazierfarth und würde Euch alle wieder in wenigen Tagen umarmen. Welches Erstaunen überfiel mich als ich meinen Kober auspakte. mit welcher rührenden Sorgfalt habt ihr guten Menschen meine gute Koch und Du für mich gesorgt. denen Leuten im Posthause muß ich wie ein verzärteltes Muttersöhnchen vorgekommen seyn, das zum erstenmale in die Welt gukt, und sich nun freut so unverhoft das gewohnte Zukkerchen, und Bisquitch[en] zu finden, denn ich konnte nicht umhin laut, immer durch freudige Äußerung meine Ueberraschung zu erkennen zu geben. 1000 Dank für diese Aufmerksamkeit nebst den unzähligen andern.      Wenn du Kysting siehst, so sage ihm das was er gewollt sey Vorgestern an Lauska abgegangen. und Wollanke sage, Advokat Müller* freue sich auf ihn.

Allen allen aber meine innigsten besten Grüße, und bitte mich nicht zu vergeßen, vor allem aber dir und meiner lieben Koch den warmen Händedruk Eures euch ewig unveränderlich liebenden Freundes Weber

Editorial

Summary

Bericht über die Reise nach Leipzig; Rochlitz war abgereist, er will ihm nachfahren und weiter nach Gotha reisen; dankt nochmals für alle Fürsorge; Grüße an Bekannte

Incipit

In Eile nur diese wenigen Worte. ich bin Gestern

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A d, 1

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest

    Corresponding sources

    • Hirschberg, Leopold: "Carl Maria von Weber an den Komponisten des 'Integer vitae'", in: Westermanns Monatshefte Nr. 838 (1926), S. 363 (unvollständig mitgeteilt und fehldatiert: unter dem 21. Sept.)

Text Constitution

  • L“B” overwritten with “L
  • L“l” overwritten with “L
  • “wurde”crossed out
  • E“e” overwritten with “E
  • r“s” overwritten with “r

Commentary

  • “… glüklich mit meinem braven Reisegefährten”Im Tagebuch ist die Abreise von Berlin nach Potsdam mit einem gewissen Herrn Döring erwähnt, unklar bleibt aber, ob der auch bis Leipzig reiste.
  • “… fahre dann Morgen zu ihm”Zur Fahrt nach Ermlitz am 3. September 1812 vgl. das Tagebuch.
  • “… von mir der hier Gastrollirt”Lembert gastierte am Leipziger Theater ab dem 25. August 1812 in folgenden Rollen: Schnellfeder in Lemberts Der Dichter und der Schauspieler, Balduin von Eichenhorst in Die Kreuzfahrer, Lindenfeld in Der neue Proteus, Graf von Savern in Fridolin und am 2. September Don Manuel in Die Braut von Messina; vgl. Heinrich Blümner, Geschichte des Theaters zu Leipzig. Von dessen ersten Spuren bis auf die neueste Zeit, Leipzig 1818, S. 354 sowie Webers Tagebuchnotiz.
  • “… und Wollanke sage, Advokat Müller”Fraglich, ob möglicherweise der Oberhofgerichts- und Konsistorial-Advokat August Friedrich Müller von Berneck, der Armen-Advokat beim Leipziger Stadtgericht Johann August Müller, gegenbenenfalls auch der inzwischen in Weimar tätige Georg Friedrich Müller (später von Gerstenbergk), der in Leipzig studiert hatte.

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