Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Berlin, Dienstag, 30. August 1814 (Nr. 16)

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Mein gutes theures Mukkerl!

Heute ist schon der 2t Posttag daß ich nichts von dir mein liebes Leben höre. Woran gewiß nichts Schuld ist, als daß du deine Briefe schon nach Weimar oder Leipzig geschikt haben wirst. ich weiß das wohl, und glaube doch der Briefträger müßte mir etwas von dir bringen wenn er ins Zimmer tritt. So eben brachte er mir einen Brief von meinem lieben Gänsbacher, und ich empfing ihn gar nicht mit der gehörigen Freude, weil er nicht von dir kam.      Nun meine HauptGeschäfte beendigt sind habe ich keine Ruhe und keine Rast mehr hier, und die paar Tage, in denen ich noch so viel zu laufen und zu rennen habe um nur die nothwendigsten AbschiedsVisiten zu machen sind mir sehr lästig. Auch werde ich so mit Einladungen und Ehrenbezeugungen bestürmt daß es mir ganz wohl ums Herz sein wird, wieder allein und mir selbst überlaßen in meinem Wagen zu sizzen.      Mein Concert* und deßen glüklicher Erfolg hat vielen Personen sehr großen Verdruß verursacht, und die kleinlichen Geschichten und Manövres dabey machen mir Spaß und geben Lichtenstein und mir viel Stoff zum lachen. In der heutigen Zeitung soll ein Gedicht, und Rezens: auf mich stehen. sobald ich es habhaft werden kann schikke ich es Dir.

Liebich scheint auch einzusehen daß es beßer geht wenn ich da bin.      Hier haben auch viele bedeutende Menschen denselben Glauben. und meinem dikken NamensVetter sizt der Angstschweiß schon fingerdikk an der Stirne wenn er mich nur ansieht.

Da du einigen Antheil an den Briefen des Kainz an mich zu nehmen scheinst so lege ich dir hier abermals einen bey. den ich mir übrigens aufzuheben bitte.

d: 27t wo ich die No: 15t schrieb. War Abends Musik beym Instrumentenmacher Kysting, wo ich mein Quartett spielte, und eine große Freude darüber hatte, weil es so ganz vortrefflich accomp: wurde. Aber auch so große Künstler wie Möser, Semler, und Töpfer, die können so etwas leisten.      d: 28t speiste ich Mittags in Pankow bey Jordans*, und Abends war große Gesellschaft bey Welper in der Stadt. Romberg* spielte und ich accomp: ihn. dann spielte ich allein, und schoß für diesen Abend den Vogel ab, denn die Leute wollten ganz toll vor Freude werden.      Gestern d: 29t Mittags war ich bey Beers, und Abends auf der Accademie, und darauf bey Frau v. Kleist* zum Soupér, wo ich aber|mals spielen mußte. Du siehst die Leute erhalten mich hier gut in der Uebung, und das ist mir auch recht gesund, und that Noth, denn ich war sehr zurük gekommen in meinem Spiel.      Die Vormittage vergehen mit Besuche annehmen, Geschäfts Gängen, Noten corrigiren pp so schnell, daß ich gar nicht zu mir selbst kommen kann.

Heute war ich in der Probe einer neuen Oper, Die Fischer bey Colberg recht schöne Musik. aber ganz Locales Sujet. ich bin begierig wie sie gefällt.      Meine Abreise steht vor der Hand noch auf d: 3t festgesezt. ist aber Silvana d: 5t so muß ich wohl die 2 Tage zugeben, und reise Abends nach der Vorstellung ab. In Weimar muß ich beynahe auch befürchten die Großfürstin nicht zu treffen, da sie in der Hälfte Sept: nach Wien reißt, und vielleicht einige Tage vorher nicht mehr in der ruhigen Stimmung ist, Musik zu machen, oder anzuhören. Wie der Himmel will, es wäre mir zwar sehr unangenehm, aber die Haare würde ich mir auch deßhalb nicht ausreißen, da ich dann desto schneller wieder weg käme. Am meisten fürchte ich in Gotha festgehalten zu werden, da der Herzog schon so lange darauf wartet, und sichs gerne so recht behaglich sein läßt mit mir.      Wie denn nichts in der Welt ist, das die Fama nicht herumschleppte, so habe ich denn hier auch schon vielerley angenehme Sticheleyen wegen dir hören müssen. So gerade zu mich damit zu nekken, dazu haben die Leute in der Regel zu viel Respekt, aber so verblümt thun sie es recht ordentlich, und da sie sehen daß ich mein Wohlbehagen daran nicht verbergen kann und will, so treiben sie es immer weiter. Z: B: der Dichter Gubiz brachte neulich meine Gesundheit aus, und zwar mit dem Beysazze, daß wenn sie recht wirksam sein sollte, so müßte auf Brandt getrunken werden, die Meisten verstanden das freylich nicht, aber ich stiß recht von Herzen aus voller Seele mit an und trank auf deine Gesundheit mein Glas recht rein aus. Es müßen Dir doch oft die Ohren klingen, denn Lichtenstein ist so gut recht oft von Dir anzufangen zu sprechen, da ich nicht immer die Courage habe, die Leute mit meinen Angelegenheiten zu incomodiren.

Dieß ist mein vorlezter Brief von hier aus denn wenn ich auch d: 3t wegreise so muß ich dir doch noch ein paar Worte sagen, damit Mukkerl nicht Angst um mich hat, wenn ein Posttag ohne Brief erschiene. Mit meiner Gesundheit geht’s recht gut, im Concert habe ich mir zwar Schnupfen und Husten geholt, das hat aber nichts zu sagen, ich bin doch im Ganzen recht wohl. Grüße die gute Bach, Grünbaums, Allram ppp alle aufs beste, und denke so oft und mit eben der Liebe an mich, als Dein treuer Carl es thut, der Dich 10 000 000 000 000 000mal mit der innigsten treusten Liebe küßt, und unveränderlich dein Carl ist.

Editorial

Summary

erwartet Carolines Brief; über Berliner gesellschaftl. Verpflichtungen in Folge seines Konzerts; Reisepläne Weimar/Gotha; Privates

Incipit

Heute ist schon der 2t Posttag daß ich nichts

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a.1.5

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • auf der Rectoseite oben links von F. W. Jähns’ Hand: “Carl Maria von Weber an seine Braut; eigenhändig. - F. W. Jähns.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Muks, S. 101–104 (Nr. 14)

    Commentary

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