Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
München, Donnerstag, 17. August 1815 (Nr. 17)
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11 Uhr
Meine theure geliebte Lina!
Heute erhielt ich die Worte Deiner lieben Hand No: 15, vom 10t huj: Ist es möglich daß man im Zeitraum von ein paar Tagen so ganz verschieden sich aussprechen kann. Wie froh, heiter und innig waren die beyden Briefe die ich Dir d: 14, beantwortet habe; wie trübe kalt und mißmuthig spricht dieser. du preisest mich auf eine so seltsame Weise über den guten Erfolg meines ConcertesT glüklich, daß es mir wehe thut. Wenn mich irgend ein Success der Art ungemein froh machen könnte, und ich in solcher Stimmung dir geschrieben hätte, könnte ich dich allenfalls begreiffen, aber so, wo nichts den Flor lüftet der über meinem Dasein liegt, und ich froh sein kann nur so viel Kraft zu retten und zu erkämpfen, daß ich nicht als gänzliches Nichts in der Welt stehe, – so thut es mir wehe, wenn ich dich in dem alten Glauben fortwandeln und sprechen sehe, der mich blos zum Knecht meines KunstRuhmes macht. Theure innig geliebte Lina, wann werde ich die Zeit erleben, wo ich mich einer gewißen freudigen Hoffnung hingeben kann, wenn einige Heiterkeit und Ruhe einmal aus deinen Briefen zu sprechen scheint. wann werde ich Ihnen glauben können, und nicht schon wieder vor dem Nächsten mit Gewißheit fürchten müßen, daß er meine Freude über deine heitere Stimmung vernichtet? du schreibst daß dich das schlechte Wetter gefangen hält; auch wir haben hier das elendeste von der Welt, aber ich freue mich deßen, weil es mir zur Schuzmauer für Besuche gielt, und meine Abgeschiedenheit begünstigt. ich lebe ganz still und arbeite, oder vielmehr ich versuche meinen Geist zur Arbeit zusammen zu faßen.
Auch hier sind viele Krankheiten, aber mich beschüzt der Himmel noch sehr, und ich kann nicht klagen. H: Liebich kann mich wohl nicht eher als nach Verlauf meiner 3 Monate Urlaub erwarten. ich kam voriges Jahr früher zurük und kein dankbares Erkennen davon habe ich gesehen, – freylich wuste er wohl, daß Er sich es nicht zuschreiben durfte – und dieses Jahr!!! o Gott! muß ich nicht fürchten, dem Wesen daß ich über alles liebe, durch meinen Anblik neue Pein zu machen? Welch ein Unterschied in Jahresfrist; wie flog ich vor 12 Monaten auf den Flügeln der schönsten Hoffnungen Prag zu. – und jezt – welch ein unendlicher Drang und Kampf von Gefühlen in mir, wie zieht mein warmschlagendes treues Herz mich zu der hin, die nicht mehr mein sein will und kann. — Es ist Unrecht, ich weiß daß ich ewig wieder auf diese bittere Errinnerung kommen muß, aber es geschieht unwillkührlich, und ist zu tief in mein ganzes Wesen verwebt. So oft ich die Feder ergreiffe an dich zu schreiben, nehme ich mir vor, ruhig zu sein, und nur meine innige Liebe für dich und nicht meine trübe Stimmung vorwalten zu laßen, – aber umsonst. Verzeihe mir, geliebtes Leben.
Ich möchte dir so gerne etwas von meinem Leben erzählen, wenn es nur einigermaßen Ausbeute gäbe, so aber ist ein Tag so einförmig wie der andre, und besteht in Arbeiten, eßen und schlafen. Die Anstalten zur Bekanntmachung und Verbreitung meiner Cantate zwingen mich, alle meine Litterarischen Verbindungen in der Welt hervorzusuchen, und daher auch zu vielem Briefschreiben. doch auch lezteres bleibt vor der Hand liegen, da ich durchaus noch einiges hier vollenden muß.
Der englische Gesandte besorgt die Uebersezzung ins Englische, und Versendung nach England an den Prinz Regenten. das Gedicht ist vortrefflich und ganz des großen Gegenstandes würdig. – Möge der Himmel mir nur die Kraft verleihen, es eben so groß von Seiten der Musik der Welt zu geben, damit doch etwas mein kurzes Leben überlebt. – So eben beginnt eine süße Harmonie Musik unter meinen Fenstern, für die Harlas deren Namenstag Morgen ist*. Es stimt mich ungemein weich! mein geliebtes Leben, möchten doch dich die süßen heiteren Töne des Seelenfriedens umschweben und dir Glük schenken. Kein Zweifelsdämon, nicht die Sucht alles schwarze aufzusuchen, dein schönes Herz quälen und dein Gemüth verbittern. Sey brav, sey edel und gut, und der Glaube an dieß bey anderen wird dich auch beleben und stärken.
Gute Nacht, mein geliebtes Leben bald werden die lezten Töne verklingen, die von außen noch von dir zu mir sprachen, aber ewig lebt in meinem Innern, die Liebe und Treue für dich. Gute gute Nacht. ich küße dich Millionenmal in Gedanken. Dein unwandelbar treuer
Carl.
Editorial
Summary
Klage über Caroline Brandt; berichtet über seine Sieges-Kantate, die ins Englische übersetzt werden soll
Incipit
“Heute erhielt ich die Worte deiner lieben Hand”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 62Physical Description
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- PSt.: a) R. 4. MÜNCHEN. | 19 AUG 1815; b) Chargé
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
Provenance
- Weber-Familiennachlass
Corresponding sources
-
Bartlitz (Muks), S. 192–195 (Nr. 34)