Carl Maria von Weber an Giacomo Meyerbeer in Paris
Prag, Mittwoch, 11. Oktober 1815
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Context
Absolute Chronology
Preceding
- 1815-10-07: to Brühl
- 1815-10-07: from Beer
Following
- 1815-10-14: to Türcke
- 1815-10-27: from Gänsbacher
Direct Context
Preceding
- 1815-08-26: to Meyerbeer
- 1815-09-21: from Meyerbeer
Following
- 1815-10-25: to Meyerbeer
- 1815-12-06: from Meyerbeer
An
Monsieur
Compositeur trés celebre
presentement
Gegen Recipisse
a
Rue de Richelieu
No: 71t pres l’opera
Hôtel des languedociens
ou, chez Messieurs: Worms et‡ Romilly.
Mein geliebter Bruder!
Nur um mir den heutigen Posttag nicht entwischen zu laßen, will ich es versuchen noch vor der Probe um 9 Uhr /: von einer gewißen Wirth und Gast :/ dir einige Worte zu schreiben, und dir meinen Dank und meine Freude, über deinen lieben Brief vom 21t Sept: auszusprechen. das war einmal ein Brief der sich gewaschen hat, und so laß uns fortgehen auf dem Wege der Anstrengung, denn du hast recht, die verdamte Faulheit ist der wahre Name des Kindleins. doch nun geschwind zu dem wichtigsten. d: 5t Sept: reiste ich mit schwerem Herzen von München ab, weil ich den guten Bärmann mit seiner lieben Harlas und so manch anderen trefflichen Menschen höchst ungern verließ. d: 7t kam ich hier an und fand unseren Gänsbacher der von seinem Regiment hieher geschikt war Trompeters zu engagiren. Wir arbeiteten nun fleißig zusammen, spielten dein Gott und Natur durch woran Gänsb: große Freude hatte. d: 6t huj: endlich muste er mich verlaßen und nach Insbruk in Tyrol zurükkehren, ich lies ihn die lezte Seite deines vorlezten Briefes lesen die für ihn bestimmt war, und gab ihm deine Adresse, denn er wird dir schreiben. die Proben von Wirth und Gast hatten noch nicht angefangen, und ich griff also das Werk mit Fäusten an. Selten hat mir eine Musik so viel Freude gemacht als diese, es ist ein treffliches Werk lieber Bruder, voll ächt dramatischer Züge, Wahrheit, Lieblichkeit und Neuheit. der einzige Vorwurf den man dir machen könnte ist der, daß es eine so sorgfältige Ausführung bedarf wie eine Quartett Musik, so voll lieblicher kleiner Nuançen stekt das Ding. Besonders auch für die Sänger. laß dir aber bey uns für‡ vor nichts bange sein. Alle sind mit Liebe dabey. Ehlers grüßt dich vielmals und wird seine Rolle gewiß sehr brav geben, denn er versteht sie,* und hat Lust daran. Was das Ensemble und etwas Feuer betrifft, hoffe ich dafür zu sorgen.
Morgen fangen die Orchester Proben an*. Sie sollte d: 15‡t schon gegeben werden. aber da will auf einmal die Censur die Imans nicht paßiren lassen. ich muste also nach Wien schreiben und von dort das censurirte Buch kommen laßen*, dann hat es weiter keinen Anstand*. es schlägt schon ¾ ich muß eilen. Ueber alle Punkte Deines Briefes, Antwort in meinem nächsten, nach der Aufführung der Oper, ich kann doch meine Briefe noch nach Paris addressiren? auf jeden Fall werden sie dir nachgeschikt. Wolf grüße ich 1000 mal | und danke ihm für seinen Humoristischen Brief den ich auch in meinem nächsten beantworten werde.
adio für heute ich muß in die Probe, um den Wirth von meinem lieben Gast zu machen*. Ich umarme dich aufs innigste: lebe froh und glüklich und behalte lieb deinen dich gewiß herzlichst liebenden Bruder Weber Prag d. 11t 8ber 1815.
Editorial
Summary
dankt für erhaltenen Brief Meyerbeers; berichtet ausführlich über die Einstudierung von Wirt und Gast in Prag
Incipit
“Nur um mir den heutigen Posttag nicht entwischen”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: N. Mus. Nachl. 97, A/56Physical Description
- 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelspur u. -loch
- PSt: a) ALLEMAGNE PAR STRASBOURG; b) CHARGÉ; c) [Rundstempel:] Octobre 22 18[15]
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
Provenance
- Sotheby: 21./22. Mai 1987
Corresponding sources
-
Becker (Meyerbeer), Bd. 1, S. 290–291
Text Constitution
-
“et”sic!
-
“für”crossed out
-
“15”“22” overwritten with “15”
Commentary
-
“… geben, denn er versteht sie,”Wilhelm Ehlers hatte die Rolle des Alimelek, die eigens für ihn abgeändert worden war, schon für die Wiener Aufführung am 20. Oktober 1814 einstudiert, konnte sie aber damals wegen Indisposition nicht singen (nach Becker).
-
“… das censurirte Buch kommen laßen”Eine diesbezügliche Korrespondenz ist in Webers Tagebuch nicht festgehalten; insofern scheint die Schilderung von Wilhelm Ehlers in seinem Brief an G. Meyerbeer vom 25./28. Oktober 1815 glaubwürdiger, dass er in der Angelegenheit mit Carl Schwarz korrespondierte, vermutlich in Abstimmung mit Weber.
-
“… hat es weiter keinen Anstand”Die Oper enthält die Sprechrolle des Ober-Imams. Im Prager Zensurprotokoll (Prag, Národní archiv, Presidium královského českého gubernia, PM PG 217, darin: 1815, Nr. 19) finden sich mehrere auf spezielle Textstellen bezogene Änderungsanweisungen (u. a. Strich zweier Passagen des Ober-Imams von S. 43 und 44 des der Prager Zensur vorgelegten Libretto-Manuskripts, folgend auf den Chor der Derwische „Klagend und zagend“), aber keinen generellen Einwand gegen die Rolle des Ober-Imams. Da die Dialoge des Werks verschollen sind, bleibt unklar, ob die Kürzung einen wesentlichen Teil der Partie betraf oder eher geringfügig blieb.