Carl Maria von Weber an Carl Graf von Brühl in Berlin
Prag, Samstag, 7. Oktober 1815

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Hochgebohrener Herr Graf

Verehrtester Freund!

Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihre liebevolle freundliche Zuschrift vom 17t September, und der darinn ausgesprochenen Theilnahme für mein Leben und Treiben.      Unter der Leitung und kräftigen Unterstüzzung eines Mannes wie Sie, für die Kunst zu wirken, kann mir nur eine erfreuliche Aussicht sein, da ich dann mit der schönen Ueberzeugung – die aus dem Bewußtsein wahrhaft das Gute zu wollen und nur ihm zu leben entspringt – arbeiten würde, daß gewiß durch so vereinte Kraft, Ausdauer, und schon gesammelte Erfahrung, manches wahrhaft edle und große für die Kunst geschehen würde. Vor allem aber finde ich mich zu der Bitte veranlaßt, jede Verhandlung pp: die auf meine Anstellung in Ihrem Kreise Bezug hätte; das tiefste Geheimniß zwischen uns beyden sein zu laßen; da man, wenn es bekannt würde mir mancherley Hinderniße aller Art hier in den Weg legen könnteT.

Nur zu gut kenne ich dieses schwergelenkige, in allen seinen Theilen verrostete Ungeheuer des Berliner Theaterwesens, und weis welche Kraft und unerschütterliche Beharrlichkeit dazu gehört, diese trägen, allem Neuen und guten wiederstrebenden Theile in Gang zu bringen. | Daß in kurzer Zeit Sie schon so viel gewirkt haben erfüllt mich mit hoher Achtung, und freudiger Hoffnung für die Zukunft.

Ihrem Urtheile über Gubitz kann ich nur halb, dem über Wohlbrük aber ganz, von Herzen, beypflichten. das Gedicht des lezteren zu meiner Cantate auf die Schlacht von Belle Alliance /: das er Ihnen glaube ich übersendet hat :/ ist vortrefflich, und ich hoffe sie in diesem Monate zu vollenden.      Eine Lieblings Idee von mir ist es, sie zuerst in Berlin zu geben.      freilich wird es mir schwer im Winter hier abzukommen. Es müste aber allenfalls so eingerichtet werden daß ich Sie H: Graf es zufrieden wären, es 2 male im Saale des großen Opernhauses zu geben, wo die Hälfte der Einnahmen mir als Honorar und Reise Entschädigung zukäme.      ich würde es dann Ihnen übersenden, es würde ausgeschrieben und studirt unter Gürrlichs Leitung, und ich käme dann nur zur lezten Probe und den 2 Aufführungen, welches in 14 Tagen abgethan sein könnte.      Es ist dieß eine flüchtige Idee, deren realisirung von Ihrem Willen und Güte und Meinung abhängt.

Ein Opern Text von Ihrer Wahl, wird mir immer eine erfreuliche Gabe sein.

Bayers Schiksal in Berlin dauert mich*, aber so geht es wenn man des Guten zu viel thun will. Vielleicht ist diese Reise von großem Nuzzen für ihn, da man ihm doch gewiß ein schönes Talent, und Liebe zur Sache nicht absprechen kann.

Kunst Neuigkeiten von unsrer Bühne, kann ich Ihnen nichts bedeutendes melden. H: Ehlers ist hier und | giebt eine Reihe von Gastrollen*. in seinem Spiele erkennt man den routinirten Schauspieler, und denkenden Menschen. Seine Stimme aber ist – gewesen – er detonirt entsezlich, und forçirt oft auf einmal bis zum Lächerlichen, indem er wieder gleich bis zum unhörbaren schwach wird. Sein Johann v: Paris ist das vorzüglichste*.

Wir studiren jezt die Oper Wirth und Gast von Wohlbrük und Meyerbeer. ein.      trefflich komisches Gedicht. eben so treffliche geniale Musik*. nur ungemein schwierig wegen der zarten Nuancirung und nothwendigen Ensembles des ganzen Spiels und Gesangs.      den Erfolg davon in meinem nächsten Briefe, so wie auch eines Versuches neuerer Art, von meiner Seite auf das Publikum zu wirkenT.

Schenken Sie mir bald wieder die Freude etwas von Ihnen zu hören, erhalten Sie mir Ihre gütige Theilnahme, und genehmigen Sie die Versicherung der unbegränzten Hochachtung mit der ich stets seyn werdeE: Hochgebohren herzlichst ergebener
C. M vonWeber

Apparat

Zusammenfassung

gibt seiner Hoffnung Ausdruck, in Berlin unter Brühl eine Anstellung zu finden; betr. Theater-Verhältnisse in Berlin; macht den Vorschlag, seine Sieges-Kantate zuerst in Berlin aufzuführen; erwähnt Operntext „nach Brühls Wahl“; berichtet über ein Gastspiel von Ehlers sowie die Einstudierung von Meyerbeers „Wirt und Gast“ in Prag

Incipit

Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihre

Generalvermerk

Ort nach Kontext ergänzt, da keine Adr. vorhanden

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 14

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)
    • mit Vermerk: „praes d 11 October 1815“

    Provenienz

    • Henrici Kat. 43 (14.-16. März 1918), Nr. 445
    • Charavay, Auktion 23./24. Mai 1883, Nr. 160
    • Weigel, T.Q. (Leipzig) Verst. 2. Juni 1862, Nr. 822 (dort nur mit Jahresangabe, ohne genaues Datum)

Textkonstitution

  • „ich“überschrieben
  • „… Gast von Wohlbrük und Meyerbeer“’ein’ vermutlich erst nachträglich hinzugefügt, deshalb verehentlich doppelte Punktierung

Einzelstellenerläuterung

  • „… Schiksal in Berlin dauert mich“Bayer hatte im September 1815 an den Königlichen Schauspielen in Berlin Gastauftritte am 7. (Carl Moor in den Räubern), 11. (Major von Waller in Kabale und Liebe), 13. (Graf von Savern in Fridolin), 15. (Max Piccolomini in Wallensteins Tod) und 19. (Tellheim in Minna von Barnhelm); vgl. Verzeichnisse der Darstellungen auf den vorzüglichsten Bühnen Deutschlands, nebst andern das Theater betreffenden Gegenständen, hg. von Karl Theodor Winkler, Nr. 6 (Dezember 1815), S. 129f.
  • „… giebt eine Reihe von Gastrollen“Ehlers gastierte seit 25. Juli 1815 in Prag; vgl. die Spielpläne für 1815T und 1816T sowie Webers Notizen-Buch.
  • „… v: Paris ist das vorzüglichste“Vgl. u. a. den Bericht im Sammler vom 7. September 1815.
  • „… eben so treffliche geniale Musik“Prager Erstaufführung am 22. Oktober 1815; vgl. den SpielplanT.

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