Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Sonntag, 23. bis Montag, 24. Februar 1817 (Nr. 29)

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An Mademoiselle

Carolina Brandt.

Mitglied des Ständischen Theaters

zu

Prag.

Mein vielgeliebter guter Mukkenkönig.

Wie geht es mit deiner Gesundheit? so frage ich wohl des Tages 1000mal, und ewig ohne Antwort, wenn ich nicht immer mich selbst zu beruhigen suchend dazu sezte, so Gott will doch gut. Wenn ich mir aber dann wieder alles so recht lebhaft vorstelle wie manchen Verdruß meine gute Lina hat, wie ihre innere Unruhe sie auch wohl zuweilen peinigt, und wie zur Zeit der hoffentlichen Ruhe noch so lange lange hin ist, so werde ich recht traurig und fürchte sehr für deine Stimmung und Gesundheit.      Es geht mir natürlich um kein Haar beßer, oder wohl eigentlich ein gut Theil schlimmer. du hast doch ein Haus wo du mit ganzer Seele sprechen und leben kannst, und dir Stoff zur Freude und Belehrung einsaugst, bei mir ist das ganz anderst ich stehe ganz allein. Ist die Arbeit vorüber, so stehlen mir langweilige Gesellschaften die Zeit, und bin ich endlich allein, so ist die Menge der zu vollenden[den] Dinge die mich umgeben so Riesen groß vor mir, daß ich oft unentschloßen abwiegend welches das dringendste sey, die Zeit vertrödle, und höchstens im Zimmer auf und ab gehend mit dem Gedanken an dich mich stärke und erheitere. Habe ich nun da auch irgend einen Anlaß unruhig zu sein, so sieht es recht trübe mit mir aus, und nur die Hoffnung daß dieß alles sich bald ändern und einer ruhig frohen Zukunft Plaz machen muß, erhebt mich und giebt mir Kraft zur Ausdauer.

Lieber Muks es ist eine Art von peinigendem unbehaglichen Gefühl wenn man Niemand hat an dem man achtend und liebend hinauf sehen kann.      Bis jezt habe ich hier noch nichts ähnliches gefunden, obgleich sehr viel achtenswerthes, aber es steht mir alles zu nahe, sie sind weder viel beßer noch viel klüger als ich, und das ist recht fatal.      Ich muß jemand haben mit dem ich wetteifern kann, dem ich gerne den Rang ablaufen möchte. nicht in der Kunst dazu giebt’s in der Welt Stoff genug, aber im Leben. du kannst wohl glauben daß ich da manchmal nach B: zurükdenke. Nun, vielleicht findet sich das auch noch, und habe ich einmal erst Muks im Hause, dann ists schon gut, und brauch ich nichts mehr. Muks wird recht viel lesen und hören, wird recht brav und klug sein, und ich – freu miß. da wird Abends ein Thee gemacht und dabey gebabßt, gelesen, und – gebußt das versteht sich und wie?!!! Wenn ich komme steht Schneefuß schon da ganz weiß und schön und nett und hält mir den grauen Joppel, und leidet nicht daß der ungeschikte Bediente mir ihn giebt. dann bin ich vielleicht sehr muksch und knurrig, Lina ist aber so ein guter Hanswurst, daß in einer 4tel Stunde die Stirne heiter ist, und ich eben so dummes Zeug mache als Errr!      ja ja das wird schön sein, wenns nur schon so weit wäre. Mit Gottes Hülfe kommt die Zeit auchT.

Geduld!!!!       Den 21t nachdem ich meine No: 28 an dich abgeschikt hatte gieng ich in die Probe von Fanchon bis 1 Uhr. erhielt endlich die Vornehmen Wirthe, und hatte von 4–7 Uhr Conferenz mit dem Dichter Kind, wegen unserer Oper, die der Probeschuß heißen wird. dann gieng ich nach Hause. arbeitete, durchlas deine Briefe, und comp. das Kastellische Liedchen, dachte an meine Musik | zum Yngurd, und gieng endlich gegen 12 Uhr in Bett. Gestern d: 22t von ½ 10 bis 2 Uhr GeneralP: von Fanchon. wo ich so müde war, daß ich Nachtische bei Schmidl ohne daß ich es wuste, einschlief bis 5 Uhr. /: ich gehe nehmlich meist gleich nach Tisch zwischen 2–3 Uhr mit Bassi zu Schmidl, zu sehen was er macht, und dann gehe ich nach Hause oder wo ich sonst hinzugehen habe. :/ ich lief geschwind nach Hause, zog mich um, gieng dann in Cortez der recht schön gegeben wurde* /: ital :/ und dann zum Preußischen Gesandten in Gesellschaft bis 12 Uhr. den Abend habe ich wirklich beynah mich geängstiget. nehmlich ich laße mich in einem Portechaise hinüber tragen, und nun war ein so entsezlicher Sturm, daß die Menschen das Ding kaum erhalten konnten, und ich alle Augenblikke erwartete es würde umpurzeln, und mir die Glasscheiben ins Gesicht fahren, es gieng aber glüklich blos mit wakkeln ab.      Das wäre eine schöne Geschichte gewesen wenn ich mit einem solchen Infanterie Fiakker umgeworfen hätte.       Heute habe ich Probe von den Savoyarden gehabt. Mittag im Engel, dann Conferenz beym Grafen, und jezt zu Hause. wo ich schon den 1t Akt meiner Oper fand, der recht schön ist. das Ganze wird sehr intereßant und schauerlich, endet aber natürlich glüklich. Kind hofft vielleicht in 14 Tagen fertig zu sein und dann laße ich es gleich abschreiben und schikke dir es, damit ich höre wies dir gefällt, worauf ich neugierig bin, denn du bist ein eigensinniger Hamster und möchtest gerne recht was Extras für deinen Mukkenkönig haben. Nun was extraes ist dieß. Teuferl komt auch drin vor als schwarzer Jäger. und Kugeln werden gegoßen in der Bergschlucht um Mitternacht wo alle die Gestalten vorüber rauschen. Hu! graußt dich schon?      Morgen ist ein harter Tag. und thut es wohl Noth du ließest mich ein bischen Nachtische in Ett gehen und Still sein. denke dir um 7 Uhr ital. Stunde. um 8 Uhr Orchester Probe von Fanchon, weil um 11 Uhr Kirche ist. um ½ 11 Uhr dann erst GeneralPr: am Klavier die gewiß auch bis 2 Uhr dauert. und dann Abends die Vorstellung von Fanchon. – gelt das geht auch toll zu. wir haben jezt manchen Tag 4 verschiedene Proben. Haben mir auch wollen eine ital: Oper aufladen*, habe mich aber los geschraubt.       Gott gebe nur daß ich Morgen Mittag einen recht guten freundlichen lieben Brief von Muks kriege dann ist alles gut und leicht, wenn ich aber da auch verdrießlich oder trübe werde so sezts Haue. ) ) ) und das tüchtige. Meint Er dummer Oz ich hätte ihn umsonst auf die Universität gethan wenn er nitz lernen will?      ich werde nur einmal wieder müßen an die Herren Präzeptor schreiben.

Lieber Muks erkundige dich doch auch einmal sei so gut, ob denn die Kleinwächter den Gold und Silber Stramin bekommen hat durch H: Veit*, und Graf Pachta die Treßen durch H: Herz?*      Kleinwächter hat | an mich geschrieben ohne etwas davon zu erwähnen. Es wäre doch fatal wenn das verlohren wäre. Auch bin ich recht begierig wie du dein Zeug erhalten hast.      Rother Taffent oder Double Florence kostet zwischen 13–14 Groschen also 3–4 f W: W: dafür wirst du ihn in Prag auch bekommen, aber es ist wahr daß diese Sachen hier meistens beßer sind.

Heute im herein Weg vom Grafen habe ich einige Quartiere mit Gärten besehen, war aber nitz dabei.      ich habe aller Welt Komißion gegeben, und es wäre gar zu schön wenn ich so was recht ordentliches fände. aber freylich mit Garten wird es schwer sein, und in der Nähe beinahe unmöglich.      finde ich nichts besonderes hübsches so können wir uns sogar in meinem Nestchen behelfen, und du selbst dann aussuchenT.      Nun muß ich in Bett, denn ich mag heute nicht so spät schlafen gehen, und die Augerln brennen mich auch etwas. Gott segne dich und seine Engel mögen über deinem Schlaf wachen daß er ruhig heiter und stärkend sei. Ich mache dir aus Herzens Grund + + +. bleib oder werde vielmehr Gesund und brav. und behalte lieb deinen dich über alles liebenden treuen Carl.

Millionen Bußen. Gut gut Nacht – von der Ekk!

Endlich, endlich, habe bis auf den lezten Augenblik gewartet auf einen Brief von dir, die schlechten Wege müßen die Post aufgehalten haben. So eben erhalte ich deinen lieben No: 31. Er ist lieb und gut, und doch kann ich es nicht bergen daß er mich unendlich wehmüthig gemacht hat, indem ich darin denn richtig meine Besorgniß gegründet finde, daß du jene unselige Leidenschaft noch nicht überwunden hast. Wenn du wüstest wie unendlich wehe, bitter und schmerzlich dieß einem Manne ist, der das beruhigende Gefühl in sich trägt, wenigstens von allen Menschen geachtet zu werden, deßen Wort jedem genügt, und nur das Wesen kann ihm noch mißtrauen das doch die gröste reinste Ueberzeugung seiner Liebe haben sollte. – Nun ich sage nichts mehr, es wäre zu viel des Glükes von Gott verlangt. ich warne dich um unsrer Ruhe willen, ich hatte mich so sehr gefreut daß die Ueberzeugung von dem dir sonst so schreklichen Berlin helfen würde. – ich hab dich immer so lieb als wie ich den Brief schrieb, aber du giebst mir nicht immer denselben Anlaß mich auch so meiner Liebe erfreuen zu können, wenn ihr doch fühlen könntet ihr Weiber wie unendlich mächtig und unwiederstehlich diese schöne Sanftheit und scheinbare Dehmuth ist, die selbst der Verworfenste heiligen muß.

Nun nun werd mir nur nicht wieder traurig, bin schon wieder still. Von deiner Gesundheit schreibst du mir nichts ich hoffe also zu Gott daß sie gut sei, Zumal da ich höre daß wieder Silvana war*, die du gewiß meiner dringenden Bitte gemäß nicht gespielt hättest wenn du nicht wieder wohl wärest.

In meinem nächsten Briefe werde ich erst ordentlich antworten über viele Punkte. wenn die Liebich schon in 3 Monaten abgehet von der Direction so bist du ja auch nicht gebunden. ich hoffe du schreibst mir darüber bestimter, denn alle Briefe erzählst du was anderes, was ist denn eigentlich offiziell, was du von Clam weißt oder einem dergl:

Gott behüte dich geliebter Muks, sey immer so heiter und froh wie es aus diesem Briefe spricht, bedenke daß nur du dir Verdruß machst, und ich ruhig die Hand aufs Herz legen kann in dem Bewußtsein daß ich ewig nur dein Glük, Wohl und Zufriedenheit wollte und will.

Ewig dein treuster Carl.      Grüße an Alle. Millionen Bußen.

Editorial

Summary

klagt über Einsamkeit in Dresden; Tagebuch 21.-23. Februar; habe sich mit Kind getroffen, um über eine gemeinsame Oper zu sprechen, die “Der Probeschuß” heißen solle; habe zwei Tage darauf den 1. Akt bereits von Kind erhalten; erkundigt sich nach dem Erhalt verschiedener Warensendungen, die er von Dresden nach Prag veranlasst hatte; Persönliches

Incipit

Wie geht es mit Deiner Gesundheit? so frage ich

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 81

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Corresponding sources

    • Muks, S. 343–347 (unvollständig)

    Commentary

    • “… der recht schön gegeben wurde”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 3. März 1817.
    • “… wollen eine ital: Oper aufladen”Möglicherweise sollte Weber die Einstudierung von Rossinis Tancredi übernehmen; die Oper hatte am 19. März 1817 Premiere (vgl. Tagebuch). Die im Tagebuch am 23. Februar 1817 erwähnte „Amalien Arie“ lässt allerdings auch denkbar erscheinen, dass Weber in die Komposition oder Aufführung der Oper Le tre cinture von Prinzessin Amalie von Sachsen (UA 31. Mai 1817) eingebunden werden sollte.
    • “… bekommen hat durch H: Veit”Versand laut Tagebuch am 27. Januar 1817 von Dresden aus; zu den Kosten vgl. den Tagebucheintrag vom 10. Januar 1817.
    • “… Treßen durch H: Herz ?”Versand laut Tagebuch am 15. Februar 1817 von Dresden aus. Die Sendung war offenbar tatsächlich verlorengegangen; vgl. Webers Brief an C. Brandt vom 25./26. Mai 1817.
    • “… höre daß wieder Silvana war”Laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 340) fand am 21. Februar 1817 die dritte Vorstellung statt.

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