Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Dienstag, 6. Mai bis Freitag, 9. Mai 1817 (Nr. 46)
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A Mademoiselle
MitGlied des Ständischen Theaters
zu
Prag.
Wohnhaft am KohlMarkt
No: 514. im 2t Stok.
Gestern mußte ich also nach Seyfersdorf fahren ohne von Muks einen Brief zu haben. Graf Brühl empfieng mich sehr freudig und ich bettelte ihm denn 2–3 Gastrollen für Gned ab. Wie er hörte daß ich eine Oper schriebe nahm er den Hut ab, und ich muste ihm versprechen sie selbst in Berlin aufzuführen. Abends ziemlich spät kamen wir zurük, und da fand ich denn, den lieben Brief No: 49. von Mukin, und auch einen von Bomsel. Nun hätte ich wirklich Lust etwas zu zanken. verdammter Schnukeduzers, die ihr die Sachen statt d: 8t May am 1ten abschikt. nun habe ich mich mit dem Paß umsonst gequält, und da wo ich ihn brauchte, hab ich ihn nun nicht. das ist wirklich recht fatal. ich will mich nur gleich anziehen und zu Bassenge gehn, an den die Sachen adressirt sind und mit dem sprechen was zu thun ist. ich hoffe du bist so gescheid und schikst mir wenigstens den Paß gleich zurük. die Sachen sind übrigens noch nicht da. wenigstens mir noch nicht gemeldet. Meine gröste Freude wäre wenn ich sie gleich auspakken und begutten könnte, so muß ich sie aber in ihren Überrökken stehen laßen, damit sie beßer vor allem Staub pp verwahrt sind. Nach dem von Bomsel mit geschikten Verzeichniß zu urtheilen ist mein Schreibschrank* nicht dabei. das ist Schade. nun wird schon später kommen. Armer, armer Hamster hast kaum einen Stuhl zum sizzen, mußt auf der Erde schlafen? ach armer Mukel wie dauerst du miß! – Du wirst aber übrigens recht froh sein daß alles fort ist, und du die Hauptsorge los bist, besonders wenn du erst weist daß alles glüklich und unbeschädigt hier angekommen ist. das Wetter ist herrlich, und Gott erhalte es dir für deine Garten Kur. Ja, ja, wird mitunter eine harte ProbeZeit sein, und hast du dich selbst vortrefflich bezeichnet als Haus Gott, nun bei mir sollst dus schon wieder sein, und desto froher in dein nettes Nest und deinen treuen Mukken Arm und Herz einziehen.
Die Grünbaum grüßt dich herzlich, wir ergözen uns sehr an den Prager Theater Neuigkeiten. Wahrlich wenn das so fort geht so werden sie bald die Bude zuschließen dürfen. ich versichere dich daß zu meiner Zeit die Almazinde nicht durchgefallen wäre*. Das mit der Waldmüller ist so übel nicht, aber es ist doch schwer sie ungehört zu engagieren, sie soll nur einmal an mich schreiben, wann sie kommen könnte, und was sie fodert, auch ein Rollen Verzeichniß.
Nun muß ich aber für jezt
schließen. da hast du gute Bußen mein altes treues liebes
gutes
Herz. ich war ja gestern
frisch rasiert als ich deine Bußen kriegte, du machst mir
manchmal ungerechte Vorwürfe.
adje. H: v: Hanswurst! aber
nicht mehr melankolischer? gelte?
Puntum! die Sachen sind da, und so viel mir scheint, auch ganz wohl behalten. hätte gar zu große Lust sie alle zu beschnuffeln, sind aber gar zu gut eingepakt, und da ich sie alle habe in meinem jezigen kleinen Nest unterbringen müßen und nocheinmal ins Neue schleppen laßen muß, so muß die Neugierde schon der Vernunft weichen*. nur die Uhr habe ich ausgepakt, und werde sie jezt gleich aufhängen. Aber nun zur Ordnung. Vor allem, lieber, braver vortrefflichster fleißigster Hamster könig, laß dir ein äußerst sicheres BelobungsDekret über die gute, schnelle und ordentliche Besorgung der Sachen, geben. Ich weiß, was das sagen | will wenn einem früher als man es glaubt so eine Expedition über den Hals komt. Gewiß hast du bei dieser Gelegenheit einsehen lernen, was es werth ist wenn man seine Sachen in Ordnung hat, alles ordentlich aufschreibt pp Wirklich Mukin!, du hast Wunder gewirkt, und sollst dereinst deinen Lohn dafür haben, wenn du alles in der gehörigen Ordnung wiedersiehst, und dich unter alten Bekannten wieder findest. Vor der Hand empfange einige Millionen Papier Bußen, da ich dir leider keine baar auszahlen kann. d. 6t gieng ich also zu Bassenge der noch nichts von der Sache wuste. dann hatte ich Proben vom Lottoloos und Blaubart. Mittag im Engel. dann kaufte ich ein Vorlege Bestek mit Elfenbeinernem Griff, sehr schön. ächt englisch. für 3 rh: 8 gr: dann machten Baßi Grünb: und ich eine große Promenade* und fuhren spät auf dem Wasser wieder zurük. Was freue ich mich darauf wenn ich meinen Muks so herumschleppen kann, und ihm die herrliche Umgebung von Dresden zeigen. Gestern d: 7t‡ früh kamen dann die Sachen an, und musten auch sogleich ausgepakt werden aus dem Schiff. ich rannte /: unrasirt :/ in mein neues Quartier wegen dem versprochenen Zimmer, da war nichts in Ordnung, und ich muste nun sehen wie ich in meiner kleinen Cajütte alles unterbrachte. ich ließ alles zu mir tragen, und verwahre es nun bis JohanniT. Es ist wirklich eine Freude wie artig und gefällig alle Beamten sind, und wie gering die Abgaben. daß ich den Paß nicht da hatte, that gar nichts, man ließ mir auf mein Wort alles verabfolgen, und ich brauche ihn erst später zu produzieren. damit erhielt ich denn auch deinen lieben Brief No: 48. den du mitten im Troubel geschrieben hast. Ja wohl muß ich dich loben, und wir können froh sein daß alles so weit ist. so geht es immer einen Schritt vorwärts.
Also Teuferl komt mit dem Schrank?* auch gut. Aber sage mir Mukin, wo ist denn der Schlüßel zu der Uhr? und warum hast du nicht auch die ordinären Bettstellen, und KüchenZeug mitgeschikt? Nun, vielleicht hast du vieles in die Komoden gepakt? daß du den Spiegel weggegeben ist sehr vernünftig, so wie alles was Hochdieselben jezt beginnen und thun. Zu dem rothen Sopha habe ich mir ein kleines Loß gemacht um einen von den gelben Polstern zu sehen. da habe ich denn wenigstens ein Stükchen davon erblikt, woraus ich schließe daß du noch extra Polster hast dazu machen laßen. Das große auspakken zu laßen, kann ich nicht übers Herz bringen. aber deinen Koffer will ich aufmachen, und wenn du es für gut hältst, die Sachen einmal waschen laßen, damit sie nicht gelb, oder dumpfig werden. aber, gute Lina du must ja kaum mehr etwas anzuziehen haben, so viel hast du schon geschikt. – Nachdem ich am Waßer und zu Hause alles angeordnet hatte, überließ ich die weitere Sorge meinem Franz und einem HandlungsDiener von Bassenge. und machte abermals meine 2 Proben bis 1 Uhr. Nachtische hatte ich lange Conferenz mit dem Grafen, der mir eine große Ausarbeitung übertrug*, und dazu einen 4 Händebreit hohen Pakk Akten überschikte. Abends schrieb ich dann bis 12 Uhr an dem Aufsaz über das Lotterieloos. Heute früh Bassi seine Sachen übergeben. dann wieder 2 Proben. Mittag im Engel, und dann deinen lieben Brief No: 50 erhalten, deßen Beantwortung ich aber bis nach dem Theater verschieben muß, denn es ist Zeit den Joh: v: Paris zum 2t male zu dirigiren.
also auf Wiedersehn geliebtes gutes Leben. Da hast du Schnud, so, Gott segne dich + + + läufst gewiß in diesem Augenblik ein bischen spazieren. der Himmel laße es dir gut anschlagen. Adje Mukkin!! |
Troz dem ganz herrlichen Wetter war gestern der Joh: v: P: zum erdrükken voll*. und 2 Dinge geschahen die hier seit Menschen Gedenken nicht paßirt sind. die Ouverture wurde applaudirt und die Grünb: empfangen. die ganze Vorstellung gieng aber auch herrlich, oben wie unten, und noch weit schöner als das erste mal. ich war sehr vergnügt.
Den alten Schrank, verkaufst du wohl in Prag. Etsch, Etsch, ich hab des Doktors Namenstag nicht vergeßen*, Schneefuß hat sich umsonst gefreut. Kann mir denken daß dir das Eßen nach der entsezlichen Strapazze mag göttlich geschmekt haben, hast es aber auch redlich verdient, du fleißiger Muks. das Zimmer beim Gerstel mag in einem schönen Zustande sein, du armer Novize. Nu! sei so gut und werde mir ein bißel toll, das wäre nicht übel, so etwas verrükt, das heißt, lustig das laß ich mir gefallen, aber stärker darf es nicht kommen. Im Ernst, Lina, denke nicht anhaltend an solche Dinge, es ist immer ein sehr peinliches Gefühl. Zum Glük ist die arme Marie auch wieder auf der Beßerung. die guten Eltern werden durch diese Hoffnung recht glüklich sein. – thut dir dein Kopferl noch weh? das wird wohl ein Ende nehmen da du nun alle deine Sorgen los bist, und dich pflegen kannst. das thue aber nur auch recht ordentlich. Der Paß ist nun auch zurük gekommen und somit alles in Ordnung. Bomsel werde ich wo möglich heute noch schreiben und für seine viele Gefälligkeit danken. So! also geseufzt haben Sie Mamsell, daß ein Mann so theuer, und wie lange soll ich denn seufzen? O Weiber!!!! die Haare stehen mir sehr zu Berge, und herzlich gelacht habe ich wie ich mir dich so als Igel gedacht habe. O ich werde auch alles aufschreiben, aber du bist eine glükliche Waare, weil du dich selbst täglich verbeßern und im Werth heben kannst, so daß wenn du nur einigermaßen brav bist, du schon unschäzbar bist. Wegen der Waldmüller bin ich gar nicht abgeneigt. vor erst auf ein Jahr. die Wilhelm und der H: Müller scheinen mir nicht sonderlich brauchbar. die kleine Zukker wird zu dergl: sehr brav, und ich brauche Sonnen und keine Lampen, die erleuchten mein Theater nicht. bei der WaldM: würde es die Stimme zwingen. der Grünb: gefällt es sehr hier, aber freilich können wir sie erst in 16 Monaten haben. Was ich am ersten begutten muß ist der Koffer, wo ich meine gröste Freude an deiner Hände Arbeit haben werde. hätte ich Zeit gehabt, so könntest du wohl Recht haben, daß ich schon mehr ausgepakt hätte, aber so ist es doch am Ende beßer. Die Pakleinwand ist recht gut, und wird schon benuzt werden. zu Jabott an Hemden pp. Du stichelst auf einen Teppich!!! Küchen Geschirr!!!! so wird’s heißen. Vergiß mir den Schlüßel zur Uhr nicht. Was meine Arbeit betrifft so sei ganz ruhig lieber Muks. ich habe hier jezt wenig oder gar keinen Verdruß, und recht oft die Freude das alles gut und schön geht. So bald die Gastrollen ein Ende haben, werde ich mich auch nicht so zerreißen, sondern schon Zeit nehmen. Muß auch componiren. alte Schulden abtragen, und neues Geld verdienen. Weixelb: sind also richtig abgereißt ohne mir die schuldigen 10 # zu bezahlen*, eben so geht H: Gned fort ohne mir 22 rh: zu bezahlen, die ich ihm freilich zu laßen versprochen hatte wenn er hier nicht genug bekäme*. – Nun in Gottes Nahmen. – – Nun muß ich aber auch schließen. in Ett willst du? nun so kom! Immer hast du was an meiner Schnud auszusezzen, jezt soll sie gar voll Dinte sein. O, ich werde dir gar keine Bußen mehr schikken, wenn du nicht damit zufrieden bist. Grünb: grüßen dich herzlich, so auch Hellwigs, und viele Andere. Was das Cour machen betrifft, so thue ich was rechtens ist, und ein ehrlicher Mukkenkönig darf und soll. also ists mit der Haue nitz. nimm du dich nur in acht, daß ich nicht Ursache finde dir Haue zu geben.
Nun Gott segne dich + + + hab dich
recht unendlich, herzlich,
innig
lieb! lieb!
lieb! der nächste Maykäfer soll uns vereint summen,
und so schwindet doch ein Tag nach dem andern und bringt das schöne Ziel näher. ich
küße dir Millionenmal. Ewig dein treuer
alter Hamsterkönig
Carl.
Alles Erdenkliche an Drs: und die Mutter.
Editorial
Summary
Besuch beim Grafen Brühl in Seifersdorf, Genehmigung von 3 Gastrollen für Gned; wünscht, dass Weber Freischütz selbst in Berlin aufführt; Privates über geschickten Hausrat; über ev. Anstellung der Waldmüller; Aufsatz über Lotterielos; an der Waldmüller wäre er interessiert, die Wilhelm und H. Müller hingegen möchte er nicht, Grünbaums gefällt es gut in Dresden, aber sie haben ja vorerst nur Gastrollen; Persönliches zur Wohnungseinrichtung
Incipit
“Gestern mußte ich also nach Seyfersdorf fahren ohne von Muks”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“d: 7t”added above
Commentary
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“… zu urtheilen ist mein Schreibschrank”Wohl der Schreibtisch/Schreibschrank, den Weber laut Tagebuch am 29. März 1817 beim Prager Tischler A. Schambach in Auftrag gegeben hatte.
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“… die Almazinde nicht durchgefallen wäre”Premiere am Prager Ständetheater am 1. Mai 1817; das Werk (mit Caroline Brandt in der Titelpartie) hatte noch Weber im Prager Notizenbuch zur Einstudierung empfohlen.
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“… Teuferl komt mit dem Schrank?”Wohl der oben genannte Schreibschrank Webers, nicht der weiter unten erwähnte alte Schrank.
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“… mir eine große Ausarbeitung übertrug”Zum Auftrag, eine Bestandsaufnahme zur deutschen Operngesellschaft in Dresden zu erstellen, vgl. auch Webers Brief an C. Brandt vom 3.(–6.) Juni 1817.
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“… schuldigen 10 # zu bezahlen”Laut Tagebuch geliehen am 14. April, zurückgezahlt am 13. Mai 1817.
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“… er hier nicht genug bekäme”Weber hatte Gned mehrfach privat Geld geliehen; vgl. die Tagebuchnotizen vom 19. April, 1. und 3. Mai 1817.