Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Sonntag, 11. Mai bis Montag, 12. Mai 1817 (Nr. 47)

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Meine herzliebe Lina!

Es ist gar wundersam göttliches Wetter, und ich freue mich deßen unendlich, weil ich hoffe daß du nun schon die frischen Blüthendüfte einsaugen, dich dadurch stärken, und ditt und fett wie ein Nußkern werden sollst.      In meiner kleinen Schachtel habe ich das angenehme vom Fenster aus alles Grün und Blüthen zu sehen, was mir auch recht gut thut. Wenn das schöne Wetter diese Woche noch anhält, so wollen wir, Hellwigs, Grünb: Baßi und ich, es zu einigen Parthien in die umliegende Gegend benuzzen. wenn ich nicht so durch Fremde dazu gebracht werde, komme ich doch nicht aus dem Neste. Ja, wenn einmal Muks da ist, dann muß ich ihn herumschleppen und alles zeigen. das ist dann meine Freude.

d: 9t hatte ich Probe von Blaubart. Mittag im Engel. dann holte mich der Graf ab, um das Theater auf dem Bade zu besehen und auch mein Gutachten zu geben.      Abends war Dichter TheeT bei Kind, wo meine Jägersbraut vorgelesen wurde. Alle waren meiner Meinung oder vielmehr der deinigen ursprünglich, gleich mit dem Schießen anzufangen*. so wird es gewiß gut.      d: 10t schrieb ich Empfehlungen für Gned nach Berlin, und er reißte um 9 Uhr ab. dann hatte ich Probe vom Lotterieloos, und Abends war Don Juan /: ital. :/ wo die Grünb: die Donna Anna und die Sandrini die Elvira sangen*. Es war sehr voll, und obwohl die Sandr.: alles aufbot und auch sehr aplaud: wurde, so trug doch die Grünb: den vollkommensten Sieg davon. Ein Gedicht auf sie steht auch in der AbendZeitung*. Schmidl war von Pillnitz hereingekommen, und da plauderten wir denn noch da bis 11 Uhr, dann fuhr er wieder ab. war voller Geheimniße und sagt wir würden gewiß diese Woche nach Pillnitz gerufen um da Oper zu geben.      Heute ist mir etwas bange.      Der gute Grünb: so vernünftig er auch sonst ist, spielt doch noch gar zu gerne. Er macht im Lotterieloos den Plinville, den ich sehr gut durch Wilhelmi hätte besezzen können. ich fürchte, ich fürchte er giebt sich und ihr dadurch eine Ohrfeige. denn mit dem Singen geht es einmal gar nicht. es klingt immer so ängstlich. – – Morgen sollst du gleich das Resultat erfahren.      Gestern habe ich den Koffer aufgemacht um mich an deinem Fleiß zu erfreuen, und auch zu sehen ob der Uhrschlüßel nicht vielleicht darinn sei. letzteren fand ich nicht. es war aber alles auch so ordentlich gepakt daß ich mich nicht traute recht herumzustühren, und nur alles von der Seite besah. die Leintücher sind recht schön. was ist denn das für ein kurioses wollnes Kaffeetuch?      Aber, jezt schwillt mir der Kamm! o du treuloses Krokodill, so gehst du mit mir um, auf einen förmlichen Bruch mit mir hast du es abgesehen? O! das soll dir nicht gelingen. – Du fragst, wie so? heist das nicht einem die ganze Liebe aufkündigen, wenn man ihm seine Briefe zurückschikt? O Schmerz! o Schmerz! o Jammer! o Schneefuß! Warte nur bis ich dich wiedersehe, da sollst du schöne Haue kriegen. Vor der Hand aber thue ich dir nitz, erstlich bist du mir zu weit wett, und 2tens wenn ich jezt mit dir zanken will, so dauerts zu lange bis wir uns wieder versöhnen könnten. – Nun muß ich aber auch an andere Leute schreiben, kann nicht immer mit der Mukkin allein plaudern. habe eine Million Briefe im Rükstande, muß mich wenigstens an die dringendsten machen.

also adje Fr: v. Muks. Sei sie brav, heiter und hab sie lieb, lieb, über alles lieb Ihren Carl, so wie er Sie über alles, treuinniglich liebt. eine Billion Bußen. Puntum • ! |

Da hab ich heute das große Opernhauß, Rüstkammer pp besehen*, und fand erst spät deinen lieben Brief No: 51t den ich nur kurz beantworten kann, weil die Post geht. Meine Arme, gute, geliebte Lina, komst so gut und herzlich zu deinem Muks gekrabelt, und klagst ihm dein Leid, das Er so gern dir erleichtern möchte. Ich habe es ziemlich gefühlt, daß nicht leicht zwischen Drs: und dir das ganze alte Verhältniß sich so bald wieder herstellen mögte. Es ist nicht zu läugnen, daß der Dr: etwas herrisches, und gern aufziehendes, wizzelndes, oder anzügliches hat, und man darf ihm mit voller Kraft des Handelns und Willens gegenüber stehn wenn er in der ihm eingeräumten FreundschaftsGewalt, nicht zuweilen zu weit gehen, oder zu tirannisiren suchen soll. dahinein schlägt auch eine gewiße Eifersucht, stets Allen vorgezogen sein zu wollen. diese, ausgesprochen erwekt stets beim andern Theil ein unbehagliches Gefühl. du hast Geist genug dieß zu beurtheilen, nur zieht dich dein herzlich anschmiegender Sinn leicht dazu, an Menschen die dir lieb werden von Anfang alles blindlings trefflich zu finden. drängt sich dann dir eine solche Schattenseite auf, so verwundet sie dich desto empfindlicher, und du verfällst leicht in das entgegengesezte.      Lieber Mukel um nur einigermaßen zufrieden auf dieser Welt zu leben, gehört viel Wohlwollen und Nachsicht gegen Andere, und Strenge gegen sich selbst, und freudiges Anerkennen und hervorsuchen des Guten an Andern, dazu.      Du bist auf recht gutem Wege, und ich weiß nur zu gut was es kostet dahin zu kommen; aber es belohnt sich auch dann. Also, ertrage, und sei freundlich.

Daß es übrigens einen Bittern Tropfen in dein Leben gießt, weiß ich wohl und es ist mir unendlich schmerzlich für dich, du armes einsames Wesen. du siehst aber wie ein Augenblik so vieles trüben kann, und daß man nie genug über sich wachen kann.      So mein alter Muks habe ich auch wieder zu dir aus dem Herzen und meiner Erfahrung gepabßt. nun gieb mir ein gutes herzliches Buß!!! O

und sei heiter, und faße guten Muth.

Das Lotterieloos hat Gestern sehr gefallen*, und Grünb: recht brav gespielt.      So wie keine Gage in Prag fallen sollte, spielst du nicht mehr, und bist deines Contractes los. daran halte dich fest. nach den Hüten werde ich mich erkundigen. die Waschmaschine soll zuweilen befeuchtet werden.      Armer armer Muks, also auch Fuß angestoßen. wenn ich nur Pflaster auflegen könnte. und dazu Aschenbrödel. – – hast dich doch wieder bewegen laßen?* Ey! Ey!!! die Vorhänge werde ich waschen laßen.      Der Schlüßel ist freilich zu viel, ich hab aber nicht von Duseley gesprochen, denn ich weis was das sagen will so etwas zu ordnen, aber der Uhrschlüßel? wo ist der?      Gläser hab ich nicht aufgemacht. scheint aber alles in Ordnung.      Nun adje geliebtes gutes Leben. Gott schenke dir Kraft, Geduld und Heiterkeit. sammle dir Erfahrung auf | die lange LebensReise. Jezt kann ich dir noch rathen, später aber, mußt du dir selbst, mir gegen über, Rath geben, denn bei einem Dritten wird mich doch Muks nie anklagen?

Millionen Bußen. Gott segne dich + + + ich drükke dich recht innig an mein Herz. ich denke mich so ganz an deine Stelle. Nun die Folge soll alles gut machen. An meinem reinsten Willen fehlt es gewiß nicht. Gott behüte dich. Ewig dein treuer Carl.

Editorial

Summary

am 9. Probe Blaubart; mit Vitzthum zum Theater auf dem Bade; abends Dichtertee bei Kind; Jägersbraut vorgelesen; 10. Abreise Gneds nach Berlin, Probe Lotterielos, abends Don Juan; Schmidls zu Besuch; am 11. Lotterielos; am 12. Opernhaus besichtigt; über Verhältnis zwischen Caroline Brandt und Junghs; über Umzugs-Angelegenheiten

Incipit

Es ist gar wundersam göttliches Wetter, und ich freue

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 94

    Physical Description

    • 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Bl. 2 bis auf 8 Zeilen abgeschnitten
    • von der Adressenseite nur das “W” von “Wohnhaft” und das “N” von “No: 514” erkennbar
    • Rötel- und Bleistiftmarkierungen von Max Maria von Weber

Text Constitution

  • “und”overwritten

Commentary

  • “… gleich mit dem Schießen anzufangen”Zur Streichung der Eröffnungsszenen vgl. auch Webers Brief an C. Brandt vom 21.(–23.) Mai 1817.
  • “… die Sandrini die Elvira sangen”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 24. Mai 1817.
  • “… steht auch in der AbendZeitung”Gedicht „An Madame Grünbaum“ von Friedrich Schott in; Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 111 (9. Mai 1817).
  • “… Opernhauß , Rüstkammer pp besehen”Das große Opernhaus am Zwinger wurde aus Kostengründen nur noch für Festaufführungen genutzt. Bestände aus der Rüstkammer konnte das Hoftheater als Requisiten nutzen; vgl. Webers Brief an C. Brandt vom (17.–)19. Mai 1817.
  • “… Lotterieloos hat Gestern sehr gefallen”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 26. Mai 1817.
  • “… dich doch wieder bewegen laßen?”Die Bemerkung kann sich nicht auf eine vorhergehende Aufführung beziehen, denn die letzte Vorstellung des Werks hatte am 20. April 1817 stattgefunden, darin spielte Charlotte Wilhelm anstelle Caroline Brandt die Titelpartie. Die nächste Darstellung von Aschenbrödel in Normalbesetzung fand am 23. Mai 1817 statt; vgl. Tagebuch der deutschen Bühnen, Jg. 2, Nr. 12 (Dezember 1817), S. 342f.

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