Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 25. August bis Freitag, 29. August 1817 (Nr. 84)
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Ja! ich will und muß glühende Kohlen auf dein Haupt sammeln, du garstiges Krokantill!! Es ist keine Kunst Extra Briefe zu schreiben wenn man darüber die ord‡entlichen Posttage leer ausgehen laßen will. da bin ich um 11 Uhr nach Pillnitz gezappelt, habe bei Schmidel in aller Eule gegeßen, um um 2 Uhr bey S. Majestäten zu sein, die sich abermals ungemein liebenswürdig und freundlich gegen mich zeigten, habe gespielt ppT bin wieder zurük gekutscht um vielleicht ein Briefel von der Mukkin zu finden – ja proßt die Mahlzeit – nitz wars, da hab ich mich denn ganz still ausgezogen, ein bißel ans Klavier gehott, dann kamen Bassi und Mieksch und ich muste ihnen erzählen wies in Pillnitz gegangen war, und nun ließ es mir keine Ruhe, ich must ein bißel zu der Mukkin krabbeln. Bin eigentlich recht unruhig und muß mich zwingen nicht traurig zu sein, weil bei all dem Lieben und Guten Heute in Pilln: mir doch etwas Zentnerschwer auf die Seele gefallen ist, was ich dir wohl eigentlich nicht auch auf die Seele wälzen sollte da es noch nicht ganz gewiß ist, aber ich kann nun schon nicht anders als alles meiner geliebten Braut erzählen, und zu der Mukkin ins Ett gehen. Es ist nehmlich gerade heraus gesagt nichts geringeres als‡ daß abermals ein neues Hinderniß unsre Vereinigung um 14 Tage zu verschieben scheint. die Prinzeßin Mariane wird Anfangs 8br hier mit dem Großherzog von Toskana per Procurationem getraut. da giebts es natürlich nicht nur große Feste bey Hofe, sondern auch der hiesige und der fremde Minister müßen welche geben. als da sind, HofConcerte, Meßen‡ Opern pp Morlachi ist nicht da, also wäre es wirklich arg wenn gar kein KapellMster bei einer so hohen Feyerlichkeit anwesend wäre. ich glaube wohl daß wenn ich darauf bestünde mir doch der Urlaub nicht um die Zeit fehlen würde, aber es bewiese auch von meiner Seite wenig Delikateße und Anhänglichkeit, meine PrivatAngelegenheit nicht um d‡ eines dem Hofe so wichtigen Ereignißes willen, etwas in Schatten zu stellen und zu verzögern. so wie ich hoffen darf daß mir diese Aufmerksamkeit hoch angerechnet werden wird, einige schöne Präsente ungerechnet. Man erwartet täglich den Kurier, nach deßen Ankunft alles bestimmt werden wird. Meine gute Mukkin diese Verzögerung wird dir gewiß so tief schmerzlich sein als mir, aber ich bin überzeugt zu‡ wirst meine Ansicht billigen, da es uns doch auch sehr wichtig sein muß, uns‡ an dem Ort wo wir leben müßen so weich wie möglich zu betten, und daß – wollen wir haben daß die Leute Antheil an Uns nehmen sollen – wir auch denselben an Ihnen beweisen müßen. Ah! es ist mir ordentlich schon leichter ums Herz da ich dirs mitgetheilt habe. besann mich schon seit ein paar Stunden ob ich nicht erst die Gewißheit davon abwarten sollte ehe ich dir davon schrieb, und so dir vielleicht eine unnüzze Betrübniß ersparen könnte, oder doch so | spät als möglich sie dir verursachen, aber ich konnts nicht bei mir behalten, und man gewöhnt sich auch eher nach und nach an so eine trübe Idee als wenn sie so unerwartet aus den Wolken fährt. Auch ist es nothwendig sich den Fall als möglich zu denken wegen verschiedener Anordnungen. Z: B: dein Einziehen in die Stadt Wien, das ich gar ungern viel vor meiner Ankunft sehen würde*. pp doch genug von diesem trüben Punkt, deßen gewiße Existenz ich erst in 8 oder 14 Tagen erfahren werde. Aber gestehe, geliebte Lina, daß es uns der Himmel recht sauer macht, und immer was Neues dazwischen schiebt um uns ja das endlich erreichte Glük der Vereinigung recht im höchsten Maaße genießen zu laßen. Aber so ist es mir mein ganzes Leben hindurch gegangen, das gehört zu meinem Stern, und doch kann ich nicht genug den Allmächtigen preisen das er so glüklich Alles am Ende für mich gewendet hat, und jeder scheinbare UnglüksFall nur eine Stufe höher zum Glüklichern Erfolge war. Deßhalb vertraue ich auch fest und hoffend auf seine Wege. Und so brav wird meine Mukkin auch sein, pflegt sich noch recht, spielt allenfalls noch ein paar Gastrollen in Prag, und endlich und endlich – komt der Muks von Dresden geflogen und dann solls einmal einer probiren ihn wieder von seiner Lina abzuhalten. du wirst lachen über mein Geschwäz und meine Breite aber ich kann diesen Abend an nichts anderes denken als an dich. Es war mir wirklich recht seltsam gemischt zu Muthe da draußen wie ich es erfuhr. Die wirklich große Herzlichkeit und Güte des Königl: Hauses, macht es einem zur freudigen Pflicht für sie alles mögliche zu thun, und von der andern Seite die größe des Opfers daß so innigst sehnsuchtsvoll herbeigewünschte Ziel, wo jede Stunde ab und angerechnet wurde wieder um einige Zeit weiter hinaus geschoben zu sehen, besonders für mich, der ich mich noch außer meines innersten HerzensTriebes so gerne an die einmal selbst gemachten Bestimmungen, Tage, pp halte, und höchst ungern von denen damit verbundenen und mit Liebe gehegten Träumen, trenne, die ich‡ und‡ recht schwer auf andere Zeiten verlege – kurz – mein Gemüth war zu voll und ich muste es dir ergießen. und gelte du wirst darum nicht traurig? du ergiebst Dich auch mit möglichst frohem Muthe. Wer weiß ob ich Morgen den Brief nach reiflichen Ueberlegungen noch fortschikke, da ich dir vielleicht unnüz einen trüben Augenblik mache, aber doch ist es beßer so etwas so früh als möglich zu wißen Nun muß ich aber in Bett ich bin herzlich müde.
Ich drükke dich in Gedanken aufs innigste an mein treues Herz, Gott segne dich + + + gute gute Nacht bald nicht mehr auf dem Papier, bald ganz Nahe ins Ohr – Gute Nacht Muks. – –
Mein lieber Muks. Alle Zeit die ich dir widmen wollte, ist mir von einem GeschäftsMann nach dem Andern gestohlen worden*, worüber ich recht böse bin, und sie manchmal alle todtschlagen möchte. ich will es aber Morgen in einem Extra Brief nachholen, und küße dich herzlichst und guten Muths, habe nun auch die Arie componirt* und wir wollen sehen wer es beßer getroffen hat du oder ich.
1000 Dank für deinen lieben
heiteren Brief No: 85, in dem ich nur Besorgniß für deine
Gesundheit habe.
Gott segne dich + + + ewig dein treu
liebendster Carl.
Editorial
Summary
teilt mit, dass sich ihre Hochzeit wahrscheinlich um 14 Tage verschieben müsse, da die Festlichkeiten anlässlich der Vermählung Maria Anna Carolinas von Sachsen mit dem Erbgroßherzog Leopold von Toscana seine Anwesenheit in Dresden erfordere; versucht, sie über die Verzögerung zu trösten; erwähnt, dass er die Arie der Agathe komponiert habe
Incipit
“Ja! ich will und muß glühende Kohlen auf Dein Haupt sammeln”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 18Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- von F. W. Jähns auf Bl. 1r zur Datumszeile mit Bleistift ergänzt: “August 1817. Dresden”, auf Bl. 2r zur “Arie” ein Bleistiftkreuz und darauf bezugnehmend am unteren Seitenrand wiederum mit Bleistift: “+) ‘Wie nahte mir der Schlummer’ (Freischütz)”, auf der Adressenseite Bl. 2v unten mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”
Provenance
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
Corresponding sources
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Muks, S. 481–485
Thematic Commentaries
Text Constitution
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“s”“d” overwritten with “s”
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“die ich”added above
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“und”crossed out
Commentary
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“zu”recte “du”.
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“… nach dem Andern gestohlen worden”Laut Tagebuch hatten Wilhelm Müller und Karl Witte Weber aufgesucht.
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