Carl Maria von Weber an Friedrich Kind in Dresden
Dresden, Samstag, 28. Juli 1821
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- 1821-08-01: to Kind
Nein! das kann ich nicht 5 Minuten auf mir sizzen laßen*. /: obwohl ein Fremder bei mir ist :/* und mu߇ gleich meinem theuren vielgeliebten Mitvater den Kopf waschen. Guter, lieber! hochverehrter Freund! wie können Sie so ganz übersehen, daß bei diesem Dank doch nur rein von der Aufführung die Rede sein konnte. jedes Wort d‡as ich für das Werk selbst gesprochen hätte, hätte ja wie ein Kompliment für mich auch mit, angesehen werden müßen. Dichter und Komponist sind ja so mit einander verschmolzen, daß es eine Lächerlichkeit ist zu glauben der Leztere könne etwas ordentliches ohne den Ersteren leisten. wer giebt ihm denn den Anstoß? wer die Situationen? wer entflamt seine Phantasie?, wer macht ihm Mannigfaltigkeit der Gefühle möglich? wer bietet ihm Charakterzeichnung? u: s: w: der Dichter, und immer der Dichter.
Aber wer macht die Dichter immer unzufrieden?* auch wieder sie selbst untereinander. Musiker haben mir 100mal gesagt, aber was sind [Sie] auch glüklich so ein herrliches Buch gehabt zu haben. – aber die Dichter haben immer was zu kritteln, und haben mich oft teufelswild gemacht, besonders wenn sie mir hauptsächlich das Verdienst anrechnen wollen, und die ihnen so scheinenden Mängel – nicht. ich sagte, glaubt ihr denn das ein ordentlicher Komponist sich ein Buch in [die] Hand stekken läßt wie ein Schuljunge den Apfel? da߇ er alles so unbesehens hinnimmt und blind[l]ings Töne drüber gießt, froh nur irgend wo die lang Verhaltenen loslaßen zu können?
Nein mein theurer Freund, glauben Sie fest, daß Niemand von größerer Achtung für den Dichter durchdrungen sein kann, als ich. daß ich keinen Augenblik vergeßen konnte, daß vor allem Ihnen der erste Dank von mir gebühre, den ich gewiß treu im Herzen hege, und freudig aussprechen will wo ich kann und sich mir Gelegenheit dazu beut; aber bei dieser Veranlaßung, wahrlich es gieng nicht. denken Sie sich’s einmal recht lebendig; ob es | möglich war von Ihnen zu sprechen, ohne das Werk zu loben. ja ja ich kann Ihnen helfen wir sind gar zu sehr ineinander verwachsen.
War Ihnen dieß schmerzlich, so kann ich Ihnen‡ heilig versichern daß es mir doppelt schmerzlich ist, daß Sie einen Augenblik an meiner Anerkennung, an meiner dankbaren Liebe, und jederzeitigen Errinnerung daran zweifeln konnten.
Es hat mir Unzufriedenheit genug erregt daß man Ihrer Leistung Werth nicht mit eben der Wärme ausgesprochen hat als ich ihn fühle. Aber in der Wirkung des Ganzen müßen Sie Ihren Lohn finden, und in dem gewiß wahrhaften Danke
Ihres treuen
Webers.
Dresden d: 28t July 1821.
Editorial
Summary
bittet Kind um Verständnis, dass er bei seinem öffentlichen Dank für die Berliner Aufführung ihn nicht erwähnen konnte, da dies sonst Lob des Werkes und damit auch Eigenlob bedeutet hätte
Incipit
“Nein! das kann ich nicht 5 Minuten auf mir”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. II A b, 17Physical Description
- 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest
- unter Bezugnahme auf die Nummerierung im Freischütz-Buch von F. W. Jähns auf der Briefseite unten rechts mit “30” gezählt (Bleistift)
Provenance
- F. W. Jähns erwarb Anfang Juli 1847 bei T. O. Weigel als erste Weber-Briefe für seine Sammlung Weberiana eine Serie von 25 Schreiben Webers an Kind; vgl. Max Jähns, Familiengemälde, S. 279. Davon gehören noch 22 (darunter dieser) zum Bestand, ein weiterer wurde von Jähns dem Hosterwitzer Weber-Haus gestiftet.
Corresponding sources
-
Kind: Freischütz-Buch, S. 165–166 (Nr. 30)
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Kind: Briefe von Karl Maria v. Weber, an Friedrich Kind, in: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 32, Nr. 123 (26. Juni 1832), Sp. 977–979
-
MMW II, S. 331–333
Text Constitution
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“muß”added above
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“d”“w” overwritten with “d”
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“ß”“s” overwritten with “ß”
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“Ihnen”“Sie” overwritten with “Ihnen”
Commentary
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“Dichter immer unzufrieden?”In einer Reihe von Freischütz-Rezensionen wurde das Buch kritisiert. Was Kind insbesondere getroffen haben wird und worauf hier vermutlich angespielt wird, ist die Rezension von Friedrich Wilhelm Gubitz im Gesellschafter. Gubitz hatte bereits drei Jahre zuvor Kinds Der Abend am Waldbrunnen hart kritisiert, Weber hatte damals zu vermitteln versucht, vgl. Kom. im Brief von Weber an Gubitz vom 14. Dezember 1818.