Carl Maria von Weber an die Mitglieder des Harmonischen Vereins
München, Freitag, 19. Juli 1811

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Copia.

Der Dirigens ist sehr erfreut über den Eifer und aus führlichen Bericht des Billig. so wie über die Ordnungsvolle Thätigkeit des G: G: ◯. und stimmt er besonders ganz mit des lezteren angefüh[r]ten Bemerkungen überein. Das Circulare betreffend ist er mit den Artikeln Würzb: und Bamb: auch ganz einverstanden. aber in Nürnb: hält er nicht viel von dem Guhr /: nicht Cur :/ Es ist ein überspannter Phantastischer Mensch der wohl schwerlich sich je für uns eignen wird. den H: Ebers habe ich hier auch gesehen, und unterschreibe ich darinn das Urtheil des Philod: so wie ich deßen Maasregeln vortrefflich finde, und nur wünsche daß Sie bestimmt aus und fortgeführt werden mögen.

Ich füge hier meinen Brief bey.

Circulare No: 3. 26t Juni 1811.

§ 1. Ich schlage vor daß künftig alle Circ: mit einer Numer bezeichnet werden und die darinn enthaltenen Gegenstände in Paragraphen eingetheilt. So daß jeder Br: sich den Inhalt der § leicht notiren könnte, und wodurch man sich kürzer und bestimmter auf schon etwas gesagtes beziehen könnte. Doch muß, um Collision der Num: zu verhüthen, jeder Br: seine eigene fortlaufende Numer haben. § 2. An Zeitungen habe ich hier die Oberdeutsche Allgemeine Litteratur Zeitung, die Münchner Politische Z: und das Gesellschaftsblatt für Gebildete Stände für unsern Einfluß gewonen. der Red: dieser sämtlichen Zeit: heißt Sendtner. und ist mein guter Freund geworden. Er ist ein junger Mann von recht viel Talent, der als Dichter nicht unglükliche Versuche liefert, noch nicht lange die Red: dieser Zeit: hat, und voll Drang und Durst etwas zu leisten ist. ich habe ihm vor der Hand Unknow: und Triole zu Corresp: empfohlen. wornach sich diese beyden richten können. Seine Adresse ist aus Obigem zu ersehen. § 3. Außer diesen erscheint noch ein Kritischer Anzeiger* hier, deßen Herausg: ein Geistlicher, und vortrefflicher Kopf ist. er heißt Prof: Speth und habe ich ihn auch so zum Freunde gewonnen, daß künftig jeder unter meiner Firma an ihn schreiben kann. Doch ist die Tendenz seines Blattes nur für Baiern berechnet, und wenig umfaßend. Es enthält hauptsächlich /: im sonderbarsten Contraste :/ Kirchliche und Theater Gegenstände. Übrigens versteht es sich daß diese beyden blos zu gebrauchen sind, doch empfehle ich besonders Ersteren zur Würdigung seines Strebens und seiner Werke. Vielleicht eignet er sich mit der Zeit zum Vereine, indem er besonders auch in Hinsicht seines Charakters ehrenwerth scheint. § 4. Als Ausbeute für Uns sieht es sehr traurig aus. ich habe hier noch weder einen Kopf noch ein Herz gefunden das ich in unserer Mitte sehen möchte. Danzi der seit einiger Zeit hier ist, wäre freylich eine gute acquisition* indem er alle Bedingniße umfaßt. Aber meine Vorsicht erlaubt es mir immer noch nicht, und ich werde nur nach und nach ihn Euch zu nähern suchen. ich sprach mit ihm wegen unsrer Musik: Z:* und Er gieng mit Wärme in diese Idee ein, und erbot sich sogleich zum MitArbeiter. Dieß ist etwas. ich würde weiter gegangen seyn, wenn nicht seine Hypochondrie mich schrekte, und ich zugleich fürchte daß er nicht genug sich allen so nothwendigen Formen beugen möchte, und auch schon zu sehr begründeten Ruf hat um mit großem Intereße mit zu wirken. Doch gebe ich Ihn nicht auf, und hoffe in 4 Wochen wenigstens ein bestimmtes Resultat über ihn liefern zu können. ich bezeichne nun alle hier componirenden Köpfe in Kürze. § 5. Lindpai[n]tner. Ein junger Mann aus Augsburg, Sohn eines Chur Trierschen Kammerdieners, und Schüler von Winter. er hat die Oper Demophon geschrieben die ich nicht hörte, aber sehr brav seyn soll, und eine große Meße pp die ich nebst andern Sachen von ihm kenne*. er hat Talent, und ist empfehlens werth wegen einem rühmlichen strebenden Eifer, und wegen Anspruchslosigkeit. § 6 Baron v: Poisl. Kammerh: Ritter des GeorgiOrdens. hat sich ganz der Musik gewidmet. man hat hier die Oper Antigonus von ihm gegeben. /: die er noch unter dem Rathe Danzi’s schrieb :/ die schöne Sachen enthalten soll. Er hat gegenwärtig eine Italienische Oper geschrieben, Octavianus in der ich kein Genie finde*. manche brave Declamation, aber durchaus nichts neues und viel Italienischen Schlendrian. Er ist übrigens nicht so anspruchslos als der Erstere, aber übrigens ein guter Mensch, und eifriger Kunstfreund. er lebt aber nicht gewöhnlich hier, sondern auf seinem Gute [an der böhmi]schen Gränze. § 7. Röth. HofMusikus. hat Meßen, Cantaten pp comp: Schwülsti[g]; | ohne Gesang und Kraft. Er soll eine Oper fertig haben*. § 8. Neuner. HofMus: Hat recht viel Talent, er ist der gewöhnliche Comp: aller Ballette, und entwikkelt darinn recht viel Melodie und Karakteristik. übrigens ein unbedeutender Mensch. § 9. Beuttler. und Hildenbrand. beyde auch im Orchester. Sie glauben zu componiren, und das ist alles was sich von ihnen sagen läßt. übrigens besonders der erste ein neidischer arroganter Bube. § 10. Professor Schlett beym Cadetten Corps. ich kenne nichts von seinen Comp: er soll aber in jeder Hinsicht ein vortrefflicher Kopf seyn. er ist ein heimlicher Mitarbeiter an der M: Z: überhaupt sehr intrigant und verschlagen zurükhaltend, weswegen auf ihn zu achten ist. § 11. Moralt /: der 2t Violinspieler :/ Ein braver gerechter Mensch und fleißiger Künstler. Er ist so wenig mit seinen Arbeiten zufrieden, die doch wirklich ....viele Kenntniße und Talent verrathen, daß er nicht dazu zu bewegen ist etwas herauszugeben. ich empfehle ihn der gütigsten Aufmerksamkeit. § 12. Schließlich empfehle ich nochmals Thätigkeit und Vorsicht. und besonders daß Vereins Angelegenheiten nicht in den Privat Briefen mit abgehandelt werden mögen. auch hoffe ich daß Unknow: besonders, den neuen ihm eröffneten Canal in die Oberd: Litt: Z: nicht unbenuzt laße, auch Philokoinos könnte da wirken. Dirigens.

Soweit ein Circulare daß ich nebst dem des Philod: an Triole sendete, und für Euch um Zeit zu gewinnen, abschrieb*. Dian wird es dem Billig und Philok: mittheilen. Auch lege ich hier einige Gesellschaftsblätter und ein paar Kritische Anzeiger bey, woraus die Tendenz dieser Z: zu ersehen.

Billig kann etwas Auszugs weise nach seiner Vaterstadt besorgen. So wie Philokoinos an einen anderen Ort nach Bestimmung des Hesperus*. Des Giusto Rec: in der Elegans habe ich gelesen. Ueber Samori hoffe ich was zu erhalten. ‒ die Rezension des Abu Hassan im Kritischen Anzeiger ist wirklich vortrefflich. und man kann sie gut benuzzen da der Kritische Anz: nur für Bayern bestimmt ist. Ich wünsche bald eine Abstimmung der Vereinten zu erhalten wegen Danzi. Es ist hier ein Buch heraugekommen. Bair[i]sches Musik Lexicon.* das in den M:[ünchner] Z:[eitungen] pp rasend herausgestrichen wird. Es ist das elendeste zeug das es giebt. Und es ist Pflicht es zu rügen daß solche Sachen empfohlen werden. Es werde wäre dieses eine Arbeit für Unknown. ich werde hier die nöthigen Data zur gründlichen Recension sammeln und ihm zu schikken. über alles dieses erwarte ich bestimmte ausführliche und baldige Antwort. ich gehe d: 4 – 5 August von hier ab nach der Schweiz. ‒

Dirigens.

[Das Folgende von Gottfried Webers Hand ergänzt:] An
Philokalos
Philokoinos
Philodikaios
Dann an Knaster, u von da retour ans C
Cito
Cito
Citissime Hiebey ein
Circul von Dian

Editorial

Summary

übersendet erneut das Circular Nr. 3

Incipit

Der Dirigens ist sehr erfreut über den Eifer

General Remark

Vgl. dazu auch die erste Version desselben Circulars vom 26. Juni 1811. Datierung gemäß Brief vom 19. Juli, dem diese Kopie beilag.

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: 55 Ep 1934

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S.)
    • am seitlichen Rand durch Überkleben mit Tesafilm geschädigt; unterer Rand mit geringfügigem Textverlust beschnitten
    • Nachtrag von Gottfried Weber auf Bl. 1r oben rechts: “11 Juni 26”

    Provenance

    • 2019 Ankauf aus Privatbesitz

    Corresponding sources

    • Bollert / Lemke 1972, S. 35 (Fragment mit § 3 und 4, dort Datierung: evtl. zum Brief vom 6. Juli 1811)
    • Wolfgang Meister, Verloren geglaubte Dokumente aus dem Archiv des Harmonischen Vereins, in: Weberiana 29 (2019), S. 30–35

Text Constitution

  • ß“s” overwritten with “ß
  • ß“r” overwritten with “ß
  • “an der böhmi”supplied by the editors
  • “g”supplied by the editors
  • ....crossed out
  • “....”uncertain transcription
  • ige“ paar” crossed out and replaced with “ige
  • “werde”crossed out
  • “ihm”added above
  • “dieses”added above

Commentary

  • G:abbreviation of “Gottfried”.
  • G:abbreviation of “Giusto”.
  • “… erscheint noch ein Kritischer Anzeiger”Kritischer Anzeiger für Litteratur und Kunst, München: in Commission der Giel’schen Buchhandlung, [bzw. Lentner!], erschienen Jg. 1–5 (1807–1811).
  • “… wäre freylich eine gute acquisition”Zur Frage einer Mitgliedschaft Franz Danzis im Harmonischen Verein, zu der es nicht kam, vgl. Joachim Veit, Der junge Weber. Untersuchungen zum Einfluß Franz Danzis und Abbé Georg Joseph Voglers, Mainz 1990, S. 51–52.
  • “… ihm wegen unsrer Musik: Z:” Weber und Gottfried Weber planten im Dezember 1810 die Herausgabe einer Zeitung für die Musikalische Welt, vgl. Brief an Johann Gänsbacher vom 7. Dezember 1810.
  • “… andern Sachen von ihm kenne”Vgl. dazu Webers Tagebuchnotizen vom 10. und 14. April 1811 sowie seinen Brief an G. Weber vom 30. April 1811.
  • “… der ich kein Genie finde”Vgl. auch Webers Tagbucheintrag vom 26. Juni 1811.
  • “… soll eine Oper fertig haben”Pachter Robert, Singspiel in einem Aufzug nach dem Französischen von François Bernard-Valville (Neuvertonung des zuvor bereits von Louis-Sébastien Lebrun vertonten Librettos in der Übersetzung von J. von Seyfried; Aufführung in Frankfurt am Main am 6. Januar 1813).
  • “… um Zeit zu gewinnen, abschrieb”Zu dem am 26. Juni an Gänsbacher gesandten, im Wortlaut weitgehend übereinstimmenden Circular vgl. A047433. Das hier erwähnte weitere Circular von Meyerbeer ist bislang nicht nachweisbar. Die vorliegende Kopie sollte Gottfried Weber gemäß der nachfolgenden Anweisung an Meyerbeer und Roeck senden; vgl. dazu auch die Anmerkung Gottfried Webers am Ende.
  • “… Ort nach Bestimmung des Hesperus”Aus der Formulierung ergibt sich, dass hier nicht die in Brünn bzw. Prag erscheinende Zeitschrift Hesperus oder Belehrung und Unterhaltung für die Bewohner des österreichischen Staats gemeint sein kann, sondern das Pseudonym eines noch nicht identifizierten Bundesbruders.
  • Rec:abbreviation of “Recensionen”.
  • “… i sches Musik Lexicon .”Felix Joseph Lipowsky, Baierisches Musik-Lexikon, München: Jakob Giel, 1811.

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