Carl Maria von Weber an Johann Gänsbacher in Brunnersdorf oder Hagensdorf (Circular Nr. 3 an die Mitglieder des Harmonischen Vereins)
München, Mittwoch, 26. Juni 1811

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Circulare No: 3.

§ 1. Ich schlage vor das künftig alle Circ: mit einer Numer bezeichnet werden, und die darinn enthaltenen Gegenstände in Paragraphen eingetheilt. so dass jeder Bruder sich den Inhalt der § leicht notiren könnte, und wodurch man sich kürzer und bestimmter auf schon etwas gesagtes beziehen könnte. Doch muß um Collision der Numern zu verhüten jeder Br: seine eigene fortlaufende Numer haben.

ich komme nun zu meinem eigenen Bericht.

§ 2. An Zeitungen habe ich hier die Oberdeutsche Allgemeine Litteratur Zeitung, die Münchener Politische Zeitung. und das GesellschaftsBlatt für Gebildete Stände. /: lezteres ein Blatt mit der Tendenz wie Morgenblatt pp :/ für Unsern Einfluß gewonnen. der Redakteur dieser sämtlichen Zeitungen heißt: Sendtner und ist mein guter Freund geworden. Er ist ein junger Mann von recht viel Talent, der als Dichter nicht unglükliche Versuche liefert, noch nicht lange die Red: dieser Zeitungen hat, und voll Drang und Durst etwas zu leisten ist. ich habe ihm vor der Hand Unknow: und Triole zu Correspondenten empfohlen. wornach sich diese beyden richten können. Seine Adresse ist, An die Redaktion der Oberdeutschen pp – oder an Hrn Sendtner, Redakteur zu München. in diese 3 Zeitungen habe ich etwas kurzes über Philod: Orat: sezzen lassen.

§ 3. Außer diesen erscheint noch ein Kritischer Anzeiger* hier. deßen Herausgeber ein Geistlicher, und vortrefflicher Kopf ist. er heißt Prof: Speth. und habe ich ihn auch so zum Freunde gewonnen daß künftig jeder unter meiner Firma an ihn schreiben kann. Doch ist die Tendenz seines Blattes nur für Baiern berechnet, und wenig umfaßend. es enthält hauptsächlich /[:] im sonderbarsten Contr[aste] [:/] Kirchliche und Theater Gegenstände. Ubrigens versteht es sich daß diese beyden blos zu gebrauchen sind, doch empfehle ich besonders Ersteren zur Würdigung seines Strebens und seiner Werke. Vielleicht eignet er sich mit der Zeit zum Vereine. indem er besonders auch in Hinsicht seines Karakters ehrenwerth scheint.

§ 4. Als Ausbeute für Uns sieht es sehr traurig aus. ich habe hier noch weder einen Kopf noch ein Herz gefunden das ich in unserer Mitte sehen möchte. Danzi der seit einiger Zeit hier ist, wäre freylich eine gute acquisition*, indem er alle Bedingniße umfaßt, aber meine Vorsicht erlaubt es mir immer noch nicht, und ich werde nur nach und nach ihn Euch zu nähern suchen. ich sprach mit ihm wegen der Musik: Zeitung für Südd:* und Er gieng mit Wärme in diese Idee ein, und erbot sich sogleich zum Mitarbeiter. dies ist etwas. Ich würde weiter gegangen seyn, wenn nicht seine Hypochondrie mich schrekte, und ich zugleich fürchte daß er nicht genug sich allen so nothwendigen Formen beugen möchte, und auch schon zu sehr begründeten Ruf hat um mit großem Intereße mitzuwirken. doch gebe ich Ihn nicht auf und hoffe in 4 Wochen wenigstens ein bestimmtes Resultat über ihn liefern zu können. ich bezeichne nun hier alle componirenden Köpfe in Kürze. –

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§ 5. Lindpai[n]tner. Ein junger Mann aus Augsburg, Sohn eines Chur Trierschen Kammerdieners und Schüler von Winter. er hat die Oper Demophon geschrieben die ich nicht hörte, aber sehr brav sein soll, und eine große Meße pp die ich nebst andern Sachen von ihm kenne. Er hat Talent, und ist empfehlens werth wegen einem rühmlichen Strebenden Eifer, und wegen Anspruchslosigkeit.

§ 6 Baron von Poisl. Königl: Kamerherr, Ritter des St Georgi Ordens. hat sich auch ganz der Musik gewidmet. man hat hier die Oper Antigonus von ihm gegeben. /: die er noch unter dem Rathe Danzis schrieb :/ die schöne Sachen enthalten soll. er hat gegenwärtig eine italienische Oper geschrieben Octavianus in der ich kein Genie finde. manche brave Declamation aber durchaus nichts neues und viel Italienischen Schlendrian. Er ist übrigens nicht so anspruchslos als der erstere, aber übrigens ein guter Mensch, und eifriger Kunstfreund. er lebt aber nicht gewöhnlich hier, sondern auf seinen Gütern an der böhmischen Gränze.

§ 7. Röth. HofMusikus. hat Meßen, Cantaten pp comp: Schwülstich; ohne Gesang und keine Kraft. Er soll eine Oper fertig haben.

§ 8. Neuner. HofMusikus. Hat recht viel Talent. er ist der gewöhnliche Comp: aller Ballette, und entwikkelt darinn recht viel Melodie und Karakteristik. übrigens ein unbedeutender Mensch.

9. Beuttler. und Hildenbrand beyde auch im Orchester. Sie glauben zu componiren, das ist alles was sich von Ihnen sagen läst. übrigens besonders der erste ein neidischer arroganter Bube.

10. Professor Schlett beym Cadetten Chorps Corps. ich kenne nichts von seinen Compo[s]it: es soll aber in jeder Hinsicht ein vortrefflicher Kopf seyn. er ist ein heimlicher Mitarbeiter an der M: Z: überhaupt sehr intrigant und verschlagen zurükhaltend. wes wegen auf ihn zu achten ist.

11. Moralt /: der 2t Violinspieler :/ ein braver gerechter Mensch, und fleißiger Künstler. er ist so wenig mit seinen Arbeiten zufrieden, die doch wirklich viele Kenntniß und Talent verrathen, daß er nicht dazu zu bewegen ist etwas herauszugeben. ich empfehle i[h]n der gütigsten Aufmerksamkeit.

§ 12. Schließlich empfehle ich nochmals Thätigkeit und Vorsicht. und besonders daß Vereins Angelegenheiten nicht in den Privat Briefen mit abgehandelt werden mögen. auch hoffe ich daß Unknow: besonders den neuen ihm eröffneten Canal in die Oberdeutsche Litteratur Zeit: nicht unbenuzt laße. auch Philokoinos könnte da wirken.

Dirigens

Editorial

Summary

betr. Spechs Krit. Anzeiger sowie Danzi u. eine weitere Person als event. Vereinsmitglied

Incipit

§ 1. Ich schlage vor das künftig alle Circ: mit einer Numer bezeichnet werden

General Remark

Vgl. dazu auch die zweite Version desselben Circulars vom 19. Juli 1811.

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: 55 Ep 1932

    Physical Description

    Provenance

    • 2019 Ankauf aus Privatbesitz

    Corresponding sources

    • Wolfgang Meister, Verloren geglaubte Dokumente aus dem Archiv des Harmonischen Vereins, in: Weberiana 29 (2019), S. 25–28

Text Constitution

  • blos“§ 4” crossed out and replaced with “blos
  • s“ß” overwritten with “s
  • eines“des” overwritten with “eines
  • s“ß” overwritten with “s
  • “Chorps”crossed out
  • “la”uncertain transcription
  • “… intrigant und versch la gen”Unklar ob aus „verschwiegen“ zu „verschlagen“ überschrieben oder umgekehrt; in Webers eigenhändiger Kopie steht „verschlagen“.

Commentary

  • “… erscheint noch ein Kritischer Anzeiger”Kritischer Anzeiger für Litteratur und Kunst, München: in Commission der Giel’schen Buchhandlung, [bzw. Lentner!], erschienen Jg. 1–5 (1807–1811).
  • “… wäre freylich eine gute acquisition”Zur Frage einer Mitgliedschaft Franz Danzis im Harmonischen Verein, zu der es nicht kam, vgl. Joachim Veit, Der Junge Weber. Untersuchungen zum Einfluß Franz Danzis und Abbé Georg Joseph Voglers, Mainz 1990, S. 51–52.
  • “… der Musik: Zeitung für Südd:” Weber und Gottfried Weber planten im Dezember 1810 die Herausgabe einer Zeitung für die Musikalische Welt, vgl. Brief an Johann Gänsbacher vom 7. Dezember 1810.

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