Dramatisch-musikalische Notizen (Dresden): “Die vornehmen Wirte” von Charles Simon Catel
Dramatisch-musikalische Notizen.
Als Versuche, durch Kunst-Geschichtliche Nachrichten und Andeutungen die Beurtheilung, neu auf dem Königl. Theater zu Dresden erscheinender Opern zu erleichtern.
Von Carl Maria von Weber.
Donnerstag den 25[.] September 1817 wird zum erstenmale auf dem Königlichen Hoftheater aufgeführt: Die vornehmen Wirthe, Oper in 3 Akten, aus dem Französischen. Musik von Catel*.
Gewiß eine der freundlichsten Gaben der französischen Bühne, gleich heiter ausgestattet vom Dichter und Componisten. In dieser Gattung von Opern bewährt sich meistens der Geist des französischen spielenden Witzes, und so wie es wohl in jeder andern Sprache unmöglich seyn möchte, einen ganzen Abend im geselligen Kreise angenehm zu unterhalten, und vielleicht sogar geistreich zu erscheinen, ohne am Ende eben etwas gesagt zu haben, so wird auch in solchen Opern-Conversations-Kunstspielen nicht leicht ein anderes Volk den Franzosen den Rang streitig machen.
Mit diesem witzigen Leben nun italienische‡ Komik im Ausdruck und Wärme des Gefühls zu vereinigen, ist selten so schön geleistet worden, als Catel es in diesem Werke gethan; und außer Boièldieu und Mehul möchte es wenige so klassisch in dieser Art schreibende Meister geben. Innigkeit der Melodie, reges Leben, treffliche, weise berechnete Instrumentation, vollkommene Korrektheit und Feuer im Ausdruck sind Catel eigen, und haben sich in ehrenwerthen Contrasten durch seine treffliche Semira¦mis (1801) im großen ernsten Style, und seine vornehmen Wirthe im heitersten italienischen, bewährt. Diese beiden Opern sind die einzigen von ihm in Deutschland verbreiteten. Die letztere außer Wien und Prag an wenigen Orten, die Erstere aber mehr.
Seine musikalisch-theoretischen Studien haben ihn verhindert, mehr sich der dramatischen Muse zu weihen, dafür verdankt man ihm aber auch in Frankreich eine interessante Harmonielehre (1802‡)*, die das ehemalige Conversatorium‡ zum Unterrichte benutzte. Und außerdem viele Instrumental-Compositionen, National-Hymnen etc.
Zu Paris 1770 geboren, genoß er den Unterricht Gosseks, und ward als Lehrer der Harmonie beim Conversatorium‡ angestellt. Seit längerer Zeit scheint sein Genius zu ruhen; zum wahren Verlust der Bühne.
Schließlich kann ich mir das Vergnügen nicht versagen, Mad. Sandrini, als bei dieser Oper in deutscher Sprache Mitwirkende, beim verehrten Publikum einzuführen, und den wahrlich rühmlichen Fleiß, den sie dem Studium dieser, dem Fremdlinge so schweren Sprache widmet, zur freundlichen Aufnahme zu empfehlen. Den ich deshalb doppelt zu schätzen weiß, da diese Rolle zwar wichtig genug im Ganzen, aber keines der allein glänzend da stehen wollenden Parade-Wesen ist.
So eint sich denn Alles immer erfreulicher zum Ganzen, und um des Ganzen – dem Heil und Frommen der Kunst – willen.
Editorial
Summary
zuerst benennt Weber wesentliche charakteristische Kompositionseigenheiten von Catel; im zweiten Abschnitt wird kurz auf biographische Daten eingegangen; Aufführung dient der Einführung der Sängerin Luigia Sandrini im deutschen Departement
Creation
22. September 1817 (laut A und TB)
Responsibilities
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Tradition
-
Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 230 (25. September 1817), f 2v
Corresponding sources
-
Draft: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. II A f 3. 24ηPhysical Description
- Entwurf grundlegend mit dem Zeitungs-Erstdruck übereinstimmend
- über dem Ms. Titel: “Drm: M: Notizen pp.”; Incipit: “Donnerstag d: 25t. 7ber 1817 wird zum erstenmale auf dem Königl. Hoftheater aufgeführt, Die vornehmen Wirthe.”; datiert: “Dresden d: 22t. 7.ber 1817.”
- von Jähns pag. mit 1 und 2; auf einzelnem Bl. r und v (Format 34,5x21,3 cm, kein WZ erkennbar)
-
HellS III, S. 121–123
-
MMW III, S. 166–167
-
Kaiser (Schriften), S. 300f. (Nr. 123)
-
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“… diesem witzigen Leben nun italienische”im Entwurf einzige Abweichung: „italische“ Komik
Commentary
-
“… dem Französischen. Musik von Catel”Vgl. Webers TB-Eintrag vom selben Tag und die Rezension in der Abend-Zeitung.
-
“1802”recte “1802”.
-
“… interessante Harmonielehre ( 1802 )”Traité d’harmonie par Catel, membre du Conservatoire de musique, adopté par le Conservatoire pour servir à étude dans cet établissement, 1801 bzw. 1802.
-
“Conversatorium”recte “Conservatorium”.
-
“Conversatorium”recte “Conservatorium”.