Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein an Carl Graf von Brühl in Berlin
Berlin, Samstag, 3. März 1827
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Abschrift
Ew: p. beehre ich mich auf Ihre Zuschrift vom 28. v. M. betr. die Oper Oberon ganz ergebenst zu benachrichtigen, daß nachdem die Bevollmächtigten der Wittwe des Kapellmeisters von Weber die Partitur jener Oper an die Direction der Königsstädter Bühne verkauft haben, H. […]‡. v. Redern von mir veranlaßt worden ist, die Frage ob diese Oper nach ihrem Genre den bestehenden Bestimmungen zufolge auf der […]‡ Bühne zur Aufführung gebracht werden kann? bei der schiedsrichterlichen Commission zur Sprache zu bringen.
Ew p erwähnen bei dieser Veranlassung zugleich des beträchtlichen Verlustes, den das Kgl. Theater dadurch, daß ihm jene Oper gegenwärtig entgeht erleidet und meinen, daß Sie nicht zu irren glauben, wenn Sie den Betrag des Verlustes wenigstens auf 50.000 rh: anschlagen, indem diese Summe von dem Freischützen, als reiner Gewinn aufgekommen sey.
Fast in derselben Art haben Ew: p sich über die Oper Euryanthe ausgesprochen und auch von deren Aufführung hegten Sie für den Kassen Vortheil bedeutende Erwartungen. Allein ungeachtet der glänzendsten Ausstattung hat die Kgl: Theaterkasse von dieser Oper nur Schaden gehabt. Nun, wenn man erwägt, daß solche in einem Zeitraume von fast 15. Monaten nur siebenmal und zwar mit immer verminderten Beifall hat gegeben werden können und diese sieben Vorstellungen im Ganzen nur eine brutto Einnahme von 7320 rh: gewährt haben und man mit dieser Einnahme die Ausstattungskosten mit circa 6500 rh: […]‡ die Lagerkosten von 1279 rh: und somit den Betrag der ganzen Ausgabe von 7779 rh: vergleicht, so ergiebt sich ein minus von 459 rh: und wenn man noch bedenkt, daß an den sieben Vorstellungstagen | andere Opern hätten gegeben werden können, so würde die Kasse, jede Vorstellung nur zu 300 rh: Gewinn angeschlagen, doch einen reinen Gewinn von 2100 rh: erlangt haben, welcher der Theaterkassa nunmehr entgangen ist. Der Schade, den die Kasse durch die Euryanthe erlitten hat, beläuft sich hiernach gegenwärtig auf 2559 rh:
Bei dieser Erfahrung bleibt es noch sehr zweifelhaft, ob der Nachtheil so bedeutend ausfallen wird, daß die Oper Oberon von dem Kgl. Theater nicht aguirirt worden ist und ich muß Allem demjenigen beistimmen, was nach den mir vorgelegten Protokollen in den Conferenzen mit dem Curatorium über diesen Gegenstand verhandelt worden ist. Bei Gelegenheit des Honorars für die Oper Euryanthe haben Ew: p fortwährend den Grundsatz aufgestellt, daß ein Unterschied gemacht werden müsse, zwischen großen und kleinen Opern und da zur Zahl der letztern der Oberon gehört, so konnte dafür schon nach Ihren eigenen Grundsätzen nicht dasselbe Honorar, wie für die große Oper Euryanthe -- die anderwärts mit 30 Carolinen, hier aber mit 800 rh: honoriert worden ist -- bewilligt werden.
Im Allgemeinen muß hierbei noch bemerken, daß, wenn der Oberon auf dem Königsstädter Theater demnächst auch wirklich zur Ausführung kommt und Beifall erhält, daraus noch gar nicht folgt, daß der selbe Succes auch bei dem Königl: Theater statt gefunden hätte. Die Erfahrung bei den Opern: „der Schnee“ und „die weiße Dame“ hat sattsam gezeigt, daß bei dem Königsstädter Theater Stücke gefallen, welche über die Königl: Bühne ohne Beifall hinweg gehen‡.
Bei dieser Gelegenheit muß ich Ew. p. auch noch bemerken, daß mir S: Majestät damals, als Sie mit einer so lebhaften | Wärme für die Bezahlung der Oper Euryanthe mit 800 rh: gedrungen und ich nachgegeben hatte, mir hierüber schon höchste Mißbilligung zu erkennen gegeben haben. Seine Majestät hatten auch vollkommen Recht, da ich bald darauf in Erfahrung brachte, daß man dieselbe Oper in Darmstadt für 30 Carol: welches noch keine 200 rh: beträgt, gekauft hatte.
Berlin den 3t März 1827.
gez. WfzWittgenstein
an
den p Herrn Grafen von Brühl
Hochgeboren
Editorial
Summary
bei der schiedsrichterlichen Kommsision sei die Frage zu entscheiden, ob Oberon nach seinem Genre auf der Königsstädter Bühne zur Aufführung gebracht werden dürfe; die Schätzung des Schadens von 50.000 rh hält W. für übertrieben, da auch Euryanthe nur finanziellen Schaden gebracht habe; auch sei nicht sicher, dass Oberon auf dem Königlichen Theater gleichen Erfolg wie auf dem Königst. habe; er habe die Forderung von 800 rh schon nur mit Mühe beim König durchsetzen können
Incipit
“Ew: p. beehre ich mich auf Ihre Zuschrift vom 28. v. M. betr. die Oper Oberon”
Responsibilities
- Übertragung
- Oliver Huck
Tradition in 2 Text Sources
-
1. Text Source: Copy: Berlin (D), Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz (D-Bga)
Shelf mark: Hausministerium, Rep. 100, Nr. 1119, fol. 7–9 -
2. Text Source: Copy: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ms. theor. 1018, Bl. 25f.Physical Description
- Kopisten-Abschrift für Brühls Acta Privata zum Oberon