Rahel Varnhagen an Ludwig Robert in Karlsruhe
Berlin, Donnerstag, 31. Mai 1821

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Du willst gerne wissen, wie Maria Webers Preciosa von Wolff gegeben worden ist. Cervantes ist sehr vergessen darin, und leider nicht. Nämlich eine Art Gerüste vom Plan des Cervantes; aber der Geschmack für die Zunge darin ganz verwischt, verwittert, und verkleistert; solchergestalt, daß, was eben von dem häuslichen und proviniellen Leben dieser Nation sich noch etwa im Stücke zeigt, unpassend, und besonders unverständlich wird, außer für die, welche die Serie der Novellen dieses Autoren, dieses Geschichtsmannes kennen. Wolff läßt Preciosa (nur!) das Mädchen von Orleans, Korinna, Sappho, Maria Stuarts Abschied nicht zu vergessen, und dann diese Personnage – ich glaube in einem Körner’schen Stück, in der Banditenbraut – sein, die nach dem Räuber schießt. Das alles thut Preciosa. Und Mad. Stich, vom Dichter verführt, accentuirt alle diese Personnagen auf’s nachdrücklichste, hervorgebrachteste; im Einklang mit Dekorateur, Schneider, Theatermeister und überhauptigem allgemein obwaltendem Irrthum über Theater, Sceneerie und Pracht; und nochmaligem Irrthum in Berechnung ihrer Wirkung. Einige Dekorationen, auch für mich schön: doch ganz überflüssig. Wolff lauter großer Lyrik und Schillerei beflissen, und sich der 30 Jahr vernommenen Repetitionen nicht erwehren können, ohne den geringsten Scherz noch barokes Wort. Nicht ohne Talent; aber in großem Irrthum; und den Irrthümern geschmeichelt. Die Stadt irre; ber doch nicht natürlich befriedigt. Maria Weber hat in Dresden Sanftmuth in der Musik gelernt: die Ouvertüre nicht schlecht: ohne Physiognomie; die hier leichter gewesen wäre; im Stück noch schlechter; in einer Romanze bis zur Verrücktheit verfehlt. In den Tänzen wahnsinnig. Diese aber, erfuhr ich nun von ihm – dies wollten sie mir auch abstreiten – haben ihn selbst bald wahnsinnig gemacht, – dann – so geht es hier! – sie waren, statt der seinen, von dem Tänzert Hoguet eingelegt. Und diese eingelegte paßten – so wahr mir Gott helfe! – wie immer, ganz und gar die Pas nicht!!! – Denn, sie drehen sich nur heftiger und langsamer um, auf Einem Bein: oder heben es bis zur Schulter empor. Aus. Wenn man eine Vigano, wenn man einen Righini, wenn mann eine Marchetti, einen Rode hatte! – Alle Zeitungen, seit Eröffnung des neuen Hauses, und seit der Einführung der Spontinischen Olympia, sende ich dir durch die Neumann. Sie beladen sich mit Lob; einer den andern. Das Hauß häßlich von außen; unbequem von innen; sinnlos. Olimpia der äußerste Gipfel von dem, was Opern nicht seyn sollen, und worin ein großer, armer Gluck den Franzosen nachgeben mußte, und seine Revolution nur halb, zum Menschenunheil und ihrer Nachahmung, machen mußte; mit großen Schönheiten darin, die die Widersacher nicht einsehen: weil sie nicht aus meinen Gründen Widersacher sind. Die Andern, loben es noch dümmer, und stupider, ohne die wahren Schönheiten anführen zu können. Mozart ist, wie in aller Musik seit ihm, gemißbraucht. Ganz wie Shakespear. Ihm braucht man’s nicht zu verzeihen, daß jede Personnage auch zur Unzeit seine schönsten Gedanken vortragen muß: Andern kann man ihre leeren, pausbäckigen, nicht Einmal selbst erfundenen Fehler nicht verzeihen. Beiden, Mozart und Shakespear, schiebt man zu viel Absicht unter. Fülle und tiefverborgener Sinn war’s nur oft." –

[…]

Editorial

Summary

Teilt ihre Meinung über die von ihr besuchte Aufführung von Webers Preciosa mit.

Incipit

Du willst gerne wissen, wie Maria Webers Preciosa von Wolff

Responsibilities

Übertragung
Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Allgemeine Theater-Revue, Jg. 2 (1836), pp. 71–72

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