Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: darunter “Otto von Wittelsbach” von Joseph Marius von Babo, Mai/Juni 1813
Prag. – Den 20. May: Otto von Wittelsbach, Trauerspiel in 5 Aufz. von Babo. – Herr Mattausch betrat in der Hauptrolle dieses Stückes zum fünften Mahle die Bühne, und entzückte in diesem, von allen vorhergehenden so ganz verschiedenen Charakter durch die vollkommenste Darstellung eines wahren Ideals von Teutschheit und Biedersinn. Der lebhafteste Beyfall des versammelten Publicums belohnte das Streben des Künstlers.
Den 25: Rolla’s Tod, Trauerspiel von Kotzebue. – Herr Mattausch gab den Rolla mit der ihm eigenen Meisterschaft, und ward von Mad. Schröder (Elvira) und Mad. Brunetti (Cora) auf eine Art unterstützt, wie sie es der beyden Künstlerinnen würdig ist. Vorzüglich entfaltete die Erstere wieder alle die hinreißende Kraft ihres reichen Organs, und hob Züge in dem Charakter dieser Amazone heraus, die bey allen früheren Darstellungen dieser Rolle nicht bemerkt worden waren.
Den 3. Juny: Stille Wasser sind tief, Lustspiel von Schröder. – Herr Mattausch gab den Baron Wiburg, und mit ihm den ersten Beweis, daß er auch im Komischen noch vorwärts geschritten sey. Auch Mad. Schröder als Baroninn gewährte dem kunstliebenden Publicum reichen Genuß, und Hr. Liebich empfange hier den Dank, daß er die kleine Rolle des Wallner‡ wieder übernommen hat, die durch seine kunstreiche Darstellung so großes Interesse erhält.
Den 13: Tankred, Trauerspiel nach Voltaire von Göthe. Herr Mattausch hatte dieses geistreiche Werk zu seiner letzten Darstellung gewählt, und lieferte hier den Beweis, daß seiner Kunst kein Wunder unerreichbar sey; in der That ließ sie uns vergessen, daß bey dem Künstler die Jugendzeit, in welcher Tankred erscheinen soll, vorüber sey. Mad. Löwe stellte die Amenaide mit bewunderungswürdiger Zartheit vor, und ließ uns an diesem Abend dop¦pelt fühlen, welchen Verlust wir an ihr betrauern. Herr Bayer gab den Arbassan mit ergreifender Kraft, und trug alles bey, diesem Gemählde das herrlichste Colorit zu verleihen.
Dlle. Böhler aus Frankfurt betrat am 7. Juny zum ersten Mahl unsere Bühne als Marie in der Oper: Ostade, von Weigl. Eine sehr günstige Bildung, ein sinniges Benehmen – welches selbst aus ihrer Schüchternheit hervor leuchtete – und eine gefällige Stimme berechtigen bey der talentvollen Anfängerinn zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft. Die Oper selbst fand nur wenig Beyfall, so brav auch Hr. Kainz den Ostade, Hr. Siebert den alten kunstliebenden Doctor, und Hr. Allram den Farbenreiber gab. Musterhaft und ganz im Geiste der höhern niederländischen Kunst gehalten ist das Arrangement der Tableux in der letzten Scene.
Herr Brand, Schauspieler der Bamberger Nationalbühne, (Bruder unserer allbeliebten Cendrillon) gab hier mit abwechselndem Beyfall mehrere Gastrollen. Die erste war: Otto von Wittelsbach; nachdem wir erst kurz vorher den Riesen Mattausch als Otto gesehen hatten, so war es natürlich, daß der jugendliche Künstler nicht alle die gesteigerten Forderungen zu erfüllen im Stande war; doch wurden seine Verdienste deßhalb nicht verkannt, und er nach Endigung des Stückes hervorgerufen. Er hat eine sehr kräftige, wenn gleich etwas tiefe Stimme, und eine günstige Gestalt; nur ist die Haltung seines Körpers, zumahl die Stellung der Knie, nicht immer nach den Gesetzen des Schönen berechnet. Carl XII. in Sitah Mani war seine zweyte Rolle, und leider gelang es ihm hier eben so wenig Herrn Bayer, als dort Mattausch zu ersetzen. Glücklicher war er als Philipp in Johanna v. Montfaucon, welchen er mit der größten Innigkeit und Wahrheit darstellte. Die letzte Rolle, die er bisher spielte, war der Amerikaner, und auch hier ward ihm lebhafter Beyfall zu Theil.
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Ziegler, Frank
Tradition
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Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 6, Nr. 122 (31. Juli 1814), pp. 488