Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, März 1814 (Teil 1/2)
Prag.
„Die Befreiung von Moskau“ hat hier bei der dritten Vorstellung das Haus leer gelassen, doch ist nicht zu läugnen, daß dies Stück interessante Situationen enthält. Herr Bayer als Fürst Poscharsky, Madame Löwe als seine Gattinn, und Herr Liebich als Demetrius spielten mit gewohntem Fleiße.
„Männertreue,“ ein niedliches Lustspiel in einem Akt ward von Madame Brede, und Herr Polavsky mit vieler Anmuth gegeben.
Die Pantomime in zwei Akten von Herrn Supper, (vormahls beim Theater an der Wien und Lepoldstadt‡ engagirt) in die Scene gesetzt: „Harlekins Zauberpfeife,“ gefiel dem Publikum recht sehr, wahrscheinlich da es diese Art Schauspiele lange nicht gesehen hatte. Herr Supper ist ein sehr braver Pierrot, Demoiselle Frühmann tanzte als Kolombine sehr artig, Herr Gerstl als hinkender Liebhaber war ganz vorzüglich.
„Aschenbrödel“ füllt noch immer das Haus, Demoiselle Brand vom Frankfurter Nationaltheater engagirt, entzückt als Aschenbrödel alle Herzen. Herr Liebich als Baron Montefias|kone macht sehr viel aus seiner Rolle, Madame Grünbaum, die ihrer Entbindung nahe ist, entfaltet als Chlorinde den Reiz ihres Gesanges, auch Madame Allram singt als Thisbe sehr brav. Herr Polawsky spielt den Stallmeister Dandini mit vielem Erfolge, Herr Siebert singt seinen Alidor wunderschön. Diese Oper darf in Hinsicht der darauf verwendeten Kosten, und der glänzenden Ausstattung, keinen Vergleich mit der Aufführung in Wien scheuen.
Das Lustspiel von Madame Weissenthurn: „Welche ist die Braut?“ hat recht sehr gefallen, und verdient es auch wirklich. Es ist eine wahre Bereicherung für unsere an guten Stücken so höchst arme Bühne. Schade, daß die Dichterinn es nicht anzeigte, daß sie es übersetzt hat. Madame Löwe gab die Marie, Herr Liebich den Herrn von Blümlein, Herr Bayer den Grünau und Madame Brede die Baroninn sehr fleißig. Madame Schröder vom Hamburger Theater, die uns durch mehrere Gastrollen, besonders als Maria Stuart, Medea, Orsina, Isabella, in der Braut von Messina, erfreute, hält jetzt ihr Wochenbette. Sie ist eine vollendete Künstlerinn im Hochtragischen, und neuerdings ein Beweis; daß es nicht gut sey, wenn der Künstler lange an einem Orte bleibt. In dem südlichen Deutschland scheint ihr Ruf, noch nicht so herrlich, wie er es verdient, erschollen zu seyn. Man kann von ihr sagen: daß sie das Höchste der Kunst erreicht habe, ihr Organ, das man hören muß, um darüber zu urtheilen, reißt die Herzen unwiederstehlich hin, ein lebendiger Ausdruck des tiefsten Gefühls, frey von aller Manier, stellt sie über die berühmtesten Schauspielerinnen Deutschlands. Sie gab ein Deklamatorium hier, Referent hat nicht-dramatische Gedichte noch nie so vortragen hören; es war das erste Deklamatorium, das ihn hoch entzückte, in ¦ welchem er keine Spur von Langeweile fühlte. Das Publikum zollte bei jeder Vorstellung ihren Verdiensten stürmischen, enthusiastischen Beifall, und rief sie hervor. Sie wird nach ihrem Wochenbette noch einige Gastrollen geben.
„Die Sängerinnen auf dem Lande“ wurden sehr fleißig dargestellt. Vor allen andern müssen wir Herrn Allram darinn nennen, der als Besitzer des Landgutes bei Fraskati allen Aufwand seiner vic comica uns herrlich zeigte, und auch mit reichlichem Beifall belohnt wurde. Auch Herr Siebert als Kapellmeister, hielt sich sehr brav. Madame Grünbaum sang wie immer unübertrefflich schön. Die Vorstellung war gelungen.
„Adolf und Klara“ konnte wegen dem Tode des braven Mohrhardt, dessen Verlust noch allgemein tief betrauert wird, nur zwei Mahl gegeben werden. Demoiselle Brand, Herr Siebert und Herr Allram machten sich sehr lobenswerth, Mohrhardt spielte und sang mit gewohntem Fleiß und Eifer. Die hiesige Bühne hat eine der größten Zierde an Ihm verloren. Wien verkannte ihn, aber Prag wußte ihn zu schätzen.
Ein kleines Ballet: „der Jahrmarkt“ hat sehr gefallen. Madame Horschelt und ihre Töchter sind sehr brave Tänzerinnen. Ein anderes Ballet: „der listige Werber“ hat mit Recht mißfallen. Ein Schulmeister, der einem Kinde die Ruthe geben will, und sich von der Mutter des Kindes durch eine Flasche Wein davon abhalten läßt, dann in einen Mehlkasten steigt, und mit Mehl beschüttet wird, das sind sehr neue rührende Scenen darinn!!! –
(Die Fortsetzung folgt.)
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Charlene Jakob
Tradition
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Text Source: Wiener Theater-Zeitung, Jg. 7, Nr. 41 (6. April 1814), pp. 160–161