Rezension des Librettos der Oper Euryanthe von Helmina von Chézy (Teil 5/5)

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Ueber die Eurianthe als literarisches Produkt.

(Schluß.)

Warum mußte die Leidenschaft Lysiarts schon fertig seyn, warum nicht erst entstehen und eben darin seine Strafe liegen? Gesetzt er denkt im Beginn der Handlung an nichts, als an die Wette, ein Zeichen der Gunst von Euryanthe zu erhalten. Die Leichtigkeit, mit der er das gewagte Spiel unternimmt, würde in einem ergötzlichen Kontraste mit dem Verlust seiner Ruhe stehen, den er in der Verfolgung seines Planes und in der Nähe Euryanthe’s erleidet. Die Verfasserin konnte hier ein skizzirtes Seelengemälde liefern, ohne die Forderungen der Tonkunst zu umgehen, ja sie konnte sie durch die Erfüllung überbieten, denn sie gab der Begleiterin Ge|legenheit den Uebergang von Gleichgültigkeit in Leidenschaft zu malen, und dadurch einige Seelenzustände zu durchlaufen, die eben so interessant waren, als verschieden. Kurz, mein Freund, ich bin selbst auf die Gefahr eines Zweikampfes der Meinung, Frau von Chezy war einer solchen Arbeit nicht gewachsen und der weit geringere Erfolg, den das Stück gegen den Freischütz gehabt hat, ist ohne Zweifel mehr auf ihre Rechnung zu schreiben, als auf die Maria’s von Weber. Ich will nicht behaupten, daß das einzige Geistige der Geist sey, denn es giebt sinnreiche Gedanken und Momente in dem Stücke, aber selbst die Einführung desselben ist so wenig nothwendig, – doch was fragen wir in einer Oper nach dem Nothwendigen, wenn man nur den Sinnen etwas bietet, wenn man nur die Neugier spannt, ohne zu untersuchen, ob sie wahres Interesse sey? In der Abendzeitung 1824, Wegweiser Nr. 45, S. 179*, hat die Verfasserin erklärt: „Die Geisterwelt sollte mit in die Elemente der Komposition eingewebt werden, ich wünschte das ursprünglich, weil sie Weber auf dem Meere der Töne gleichsam die Montgolfiere darbot, zum kühnsten und zartesten Aufschwung, und ich hatte Recht.“ Nun, diese feste Ueberzeugung wollen wir in ihr nicht erschüttern, aber meine Leser werden mit dem ersten prüfenden Blick in die Grundstoffe eingestehen müssen, daß sie Unrecht hatte, sobald sie die Hauptidee verfolgte, die ich eben anzugeben versuchte. Maria von Weber hat Bedenken dagegen getragen, und ich weiß nicht, ob es mehr der Komponist oder der Dramaturg gewesen ist. Denn sobald die Geschichte Emma’s, und diese wird doch wohl unter der Geisterwelt verstanden, mehr Feld gewann, als sie jetzt besitzt, spaltete sich die Handlung, es entstanden zwei Interessen und eins hob das andere auf. Hätt’ ich die Erzählung, „Euryanthe von Savoyen,“ (aus dem Manuscript der Königl. Bibliothek zu Paris: Histoire de Gerard de Nevers et de la belle et vertueuse Euryant de Savoye, sa mie. Von Helmine von Chezy. Berlin, Vereinsbuchhandlung 1823.) oder die „Sammlung romantischer Dichtungen des Mittelalters,“ (aus gedruckten und handschriftlichen Quellen. Herausgegeben von Friedrich Schlegel. Leipzig, Junius 1804.) wo jene Geschichte gestanden, zur Hand, so würde ich mir erlauben, eine Parallele zu ziehen, aber bei dem Mangel derselben, ist es Zeit abzubrechen und mit den Worten der Frau von Chezy in der genannten Nummer der Abendzeitung zu schließen: „Ueberhaupt sey es mir zum Schluß vergönnt, einem leisen Zweifel in die Theorie aller Referenten, welche über meine Arbeit abgeurtheilt haben und aburtheilen werden, hier Luft zu machen, und ihn zu hegen, bis einer dieser Herrn selbst einem großen Meister eine zum durchkomponiren gearbeitete Dichtung geliefert, die ich in allen ihren Bestandtheilen, zu welchen ich die Schwachheit habe, Sprache und Versbau mitzurechnen, über meine Arbeit setzen muß.“ Nun, ich habe nichts gegen die Herausforderung, wenn sie an mich geschehen sollte, ich ziehe meinen Handschuh aus, hier liegt er!

* c.

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Übertragung
Bandur, Markus

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