Carl Baermann sen. an Friedrich Wilhelm Jähns
München, Dienstag, 4. Mai 1875

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Absolute Chronologie

Vorausgehend

Folgend


Korrespondenzstelle

Vorausgehend

Folgend

Liebster bester Freund!

Recht erfreut war ich wieder einmal Nachricht von Ihnen zu erhalten, und bedaure nur daß dieselbe was Ihre Gesundheit betrifft nicht freudiger lautet. Wenn es Sie trösten kann so kann ich Ihnen mittheilen daß es mir diesen Winter auch um kein Haar beßer gegangen ist, nur mit dem kleinen Unterschiede daß ich die Schmerzen in den Füßen habe, und damit das Gleichgewicht hergestellt ist dieselben mit obligaten heftigen Kopfschmerzen stets vereint sind. Ich kann wohl sagen daß dieser Zustand kein ganz gemüthlicher genannt werden kann. Trösten Sie sich daher mit meinen eignen Leiden, denn „Swift“ behauptet ja daß „selbst der beste Freund eine Art Schadenfreude bei dem Unglücke seines Freundes empfinde“*. –

Was nun die Oper von Täglichsbeck (Webers Bild)* betrifft, so hat sich im Inventar des kgl. Hoftheaters auch nicht die geringste Spur davon vorgefunden. Dieselbe ist wahrscheinlich bei dem großen Theater-Brand Anno 23 nebst so vielen höchst werthvollen Manuscripten und den alten Inventar-Verzeichniß mitverbrannt. Möglich daß durch die Wittwe Täglichsbeck von der Existenz dieser Oper etwas zu erfahren ist, doch weiß ich in diesem Augenblick nicht, wo sich dieselbe aufhält, glaube aber Ihnen bald gewiße Nachricht hierüber zukommen laßen zu können. Autografen von Täglichsbeck besitze ich reichlich, um andern selbst damit eine Freude zu machen, Neukomm wäre mir indeß sehr erwünscht, da ich gar nichts von ihm besitze; sollten Sie etwas vom alten Zelter u. andern Berliner Kunst-Größen (wie der alte Devrient) überflüßig haben, so wäre der alte Bärmann recht dankbar dafür.

Nun lieber bester Herzensfreund nehmen Sie die Kürze meines Schreibens nicht übel, allein ich sitze über Hals u. Kopf in der Correctur des 4t Heftes meiner kleinen Phantasie-Stücke*, und möchte dieselbe heute noch fertig bringen.

Hoffentlich ist es mit dem Nichtsehen diesen Sommer nicht so ernstlich gemeint, und laßen sich doch noch von einem Stillleben in den Bergen magnetisch anziehen.

Indem ich Sie herzlichst grüße u. umarme bitte ich ebenfalls Ihre ganze liebe hochgeehrte Familie aufs Beste zu grüßen von Ihrem
alten treuen
Carl Baermann
Blumenstrasse
Nro 5
(: nicht mehr g, da die Häuser umnumerirt wurden [:])

Apparat

Zusammenfassung

vergebliche Suche nach der Oper Webers Bild von Täglichsbeck. Empfiehlt Kontakt mit Witwe. B. besitzt etliche Autographe von T., wäre interessiert an solchen von Neukomm oder Zelter oder Devrient oder anderen Berliner Künstlern

Incipit

Recht erfreut war ich wieder einmal Nachricht von Ihnen zu erhalten

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 31

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Eveline Bartlitz, „Ich habe das Schicksal stets lange Briefe zu schreiben …“. Der Brief-Nachlaß von Friedrich Wilhelm Jähns in der Staatsbibliothek zu Berlin – PK. Die Briefe Carl Baermanns an Friedrich Wilhelm Jähns, in: Weberiana. Mitteilungen der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft e. V., Heft 8 (1999), S. 36–37

    Einzelstellenerläuterung

    • „… dem Unglücke seines Freundes empfinde“Swift bezog sich auf eine Maxime von La Rochefoucault, die er in einem Gedicht adaptierte. Vgl. Swift, Gulliver’s Travels and Selected Writings in Prose & Verse, ed. John Hayward, London 1990, S. 807: Verses on the death of Dr S----, D. S. P. D. / Occasioned by reading a Maxim in Rochefoucault. / Dans l’adversité de nos meilleurs amis nous trouvons quelque chose, qui ne nous deplaist pas. / In the Adversity of our best Friends, we find something that doth not displeas us. / Written by Himself, November 1731. (Hinweis von Prof. Dr. John Warrack, Rievaulx.).
    • „… von Täglichsbeck ( Webers Bild)“Täglichsbecks einaktiges Singspiel Webers Bild mit Text von Johann Karl August Lewald wurde am 24. August 1823 am Münchner Hoftheater uraufgeführt. Eine Partitur-Kopie in späterer Fassung mit dem Titel Das Quiproquo wird im Cassianeum in Donauwörth aufbewahrt.
    • „… t Heftes meiner kleinen Phantasie-Stücke“Fantasie-Stücke und Lieder für die Clarinette in B und Pianoforte, Heft 4, op. 87, Offenbach: André, PN: 11796 (1875). Alle vier Hefte (op. 84–87) widmete Baermann seinem verehrten Freunde […] Friedr. Wilh. Jähns.

      XML

      Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
      so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.