Aufführungsbesprechung Berlin: „Oberon“ von Carl Maria von Weber (szenische EA am 2. Juli 1828)

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Correspondenz-Nachrichten.

Werthester Freund!
Welch ein herzinniges Vergnügen gewährt es mir, Ihnen hiermit die gestern Abend hier im königl. Opernhause stattgefundene erste Aufführung des Weber’schen Oberon melden zu können – O, daß der verewigte Meister noch hätte zugegen seyn können, wie würde eine solche würdige Inscenesetzung, königl. prächtig, eine solche nach Kräften möglichst treffliche Darstellung seines letzten Werkes, ein solch enthusiastischer Beifall, recht con amore, nicht gemacht und erzwungen, solche wahrhaft liebevoll freundliche Aufnahme von Seiten des überreich versammelten Publikums, ihn über so manches Herzleid getröstet und erhoben haben! Welche Musik! Das ist Sprache der Seele! Zwar kannten wir diese wunderherrliche Composition schon aus Klavierauszügen und einer frühern Producirung durch Instrumentalmusik (ohne Gesang), doch der Genuß von der Bühne herab, der entzückende dramatische Eindruck des Ganzen, der konnte leider bisher nur von uns geahnt werden. Nun aber ist wirklich das alte Sprichwort: „Was lange währt, wird gut!“ eingetroffen; wir haben lange geharrt, und sind reichlich dafür entschädigt worden. Ein wahrhaftes Zauberreich hat sich uns in Decorationen und Costum erschlossen, Oberons Macht scheint in der That hierauf eingewirkt zu haben; was nur ein Theater hierin zu leisten vermag, ist ohne Ueberladung, dem Charakter entsprechend, durch den Geschmack unsers trefflichen General-Intendanten, Grafen Brühl, so wie durch thätige Mitwirkung des Regisseurs Baron v. Lichtenstein, hier zu Tage gefördert worden; die Maschinerie leistete ebenfalls Bewundernswerthes, und so mußte man sich wirklich in das Wundergebiet der Elfen hingezaubert glauben. – Unsere liebliche Seidler war als Rezia hinreißend zu nennen; jeder Moment ihres heute besonders herrlich gelingenden Vortrages verrieth, daß sie ihre Rolle mit Begeisterung erfaßt hatte; fortwährend rauschender Applaus wurde ihr von der versammelten Menge als freudiger Tribut der Anerkennung dargebracht. Ausgezeichnet im Gesang und fast noch mehr im Spiel, bewies sie sich ganz besonders im Recitativ: „Ocean, du Ungeheuer“; der Vortrag des Schlusses: „O Wonne, mein Hüon &c.“ war in jeder Hinsicht vollendet und konnte daher seines tiefen Eindruckes auf das Publikum nicht verfehlen. – Oberon hatte in Herrn Bader einen vorzüglichen Repräsentanten, so wie auch Herr Stümer als Hüon sich ihm würdig anschloß. Mit besonderm Fleiß gab Hr. Devrient d. j. den Scherasmin, daher er in Gesang und Darstellung seiner Parthie durchgehends befriedigte; eben so genügend war Dlle. Hoffmann als Fatime – Lobenswerth wirkten zum Gelingen des Ganzen noch mit: Dlle. Leonhardt (Droll), die rüstig vorwärts strebt, Frl. v. Schätzel (Meermädchen), Herr Krüger (Almansor), Mad. Unzelmann (Roschana) und nach Kräften auch Dlle. Diemar (Puck); sie war aber der Parthie nicht gewachsen. Alle andern Neben¦rollen gingen gut; die geniale Ouvertüre, das reizende Quartett: „Ueber die blauen Wogen“, und das Duett: „An dem Strande der Garonne“, wurden von dem Publikum entthusiastisch da capo verlangt, und am Schlusse mußte auf allgemeinen freudevollen Ruf das ganze in der Oper beschäftigte Personal noch einmal erscheinen, um in den rauschendsten Beifallbezeigungen den Dank des Publikums zu empfangen. – O hätten Sie, geehrter Freund, den Genuß theilen können! als Freund der Kunst und innig dem heimgegangenen Componisten zugethan, hätten Sie ihn wohl doppelt empfunden. So Gott will, wird der Oberon wohl denselben Erfolg wie der Freischütz haben; ja das Schöne findet den Weg zu allen Herzen. – Morgen und künftigen Mittwoch wird die Oper schon wiederholt. – Ich freue mich, meine Freude recht von Grund der Seele gegen Sie aussprechen zu können.

[…]*

Mit diesem aufrichtigen Herzensgruß schließe ich.

Apparat

Verfasst von

Zusammenfassung

über die szenische EA des „Oberon“ in Berlin; Zitat aus dem Brief von Michael Beer an K. G. Th. Winkler vom 3. Juli 1828

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 12, Nr. 163 (8. Juli 1828), S. 652

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