Julius Benedict an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
London,
Freitag, 15. April 1870
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Leider kann ich nicht Zeit finden auf die Détails Ihres werthen Schreibens ein zu gehen − Die Aenderung in der Ouverture zur Euryanthe fand soviel ich mich erinnere statt als C. M. v. W. ein lebendes Bild (zur Erklärung der Emma Episode) in der Mitte derselben einführen wollte. Warscheinlich entstand meine irrige Ansicht* daraus, daß W. von allem Anfang an das Motiv „Ich bau’ auf Gott“ für seine Ouverture bezeichnete − und mir dieselbe vorspielte, bevor die von Ihnen erwähnte Skizze geschrieben war −
Als ich Frau v. Weber das letzte Mal in Dresden sah rekapitulirten wir die Pintosche Frage − und waren beide der Ueberzeugung die vollständige Partitur des ersten Aktes eben so vollendet und rein geschrieben als die des Freischütz gesehen zu haben.*
Zugleich äußerte auch Frau v. Weber − daß Carl sich nie von diesem Mscpt, das er überall mitnahm getrennt habe*.
Was ich aus der Oper selbst hörte − spielte W. aus den mir später v. Meyerbeer mitgetheilten unvollkommenen Skizzen* – und nicht aus der Partitur. Nur fehlten – so viel ich mich entsinne – das erste Finale in diesen ganz – und dennoch ist mir die Erinnerung daran – namentlich der Effekt des auf den Diener des wahren Pinto einstürmenden Chor’s – welcher durch Heiserkeit die Stimme verloren hat und nur − pantomimisch antworten kann − so lebhaft − daß es mir unbegreiflich scheint − ein so langes und ausgeführtes Musikstück habe keine substantielle Form bekommen.
Möglich ist es allerdings, daß W. welcher ein so wunderbares Gedächtniß hatte – dieses Finale – wie später die ganze Introduction aus Euryanthe − ohne Noten spielte.
Ueber eine Anzeige in der Times kann ich Ihnen nichts Erfreuliches berichten. Die Eigenthümer des Journals haben mit diesem Département − welches unabhängig von der literarischen Abtheilung und Redaktion im allgemeinen ist nichts zu thun − als die jeden Tag eingehenden Posten zu empfangen.
Ausnahmen werden für Niemand gemacht. Der Preis jeder Zeile ist ein Shilling − und von kostenfreier Aufnahme irgend einer Anzeige − selbst für die am Journal betheiligten Kapitalisten oder Freunde − muß man leider ganz abstrahiren.
Mit achtungsvoller Ergebenheit
Ihr
J. v Benedict
Sollten Sie Raum finden um W.s Brief an meinen Vater der Oeffentlichkeit zu übergeben so würde es mich natürlich freuen , weil der an mich adressirte und in M. v. W.s [Biographie] abgedruckte* leicht zu einem irrigen Urtheil führen könnte. − Daß seine strenge − vielleicht nicht ganz gerechte Mahnung auf meine Zukunft großen Einfluß hatte ist unläugbar, − und habe ich ihr viel mehr zu danken, als wenn er sich weniger entschieden und hart gegen mich ausgesprochen hätte. Leider war ich damals so verletzt − daß ich nicht mehr an ihn schrieb − und unglücklicher Weise erhielt ich das Schreiben an meinen Vater erst nach W.s Tod in Neapel im Jahr 1826T.
Apparat
Zusammenfassung
reagiert auf Jähns’ Frage zu einer Änderung in der Ouvertüre zur Euryanthe, nimmt noch einmal bezug auf die Originalpartitur des ersten Aktes der Pintos, die sowohl er als auch Frau v. Weber gesehen haben wollen. Was B. von der Oper kennt spielte ihm Weber aus den überlieferten Skizzen vor, es fehlte aber seiner Erinnerung nach das erste Finale, aber es kann sein, dass Weber es ohne Noten ihm vorspielte, da er ein so brillantes Gedächtnis hatte. J. hatte offensichtlich angefragt, ob B. eine Möglichkeit sehe, sein Werkverzeichnis kostenlos in der Times anzuzeigen, was dieser verneinte. Er erteilt ihm Genehmigung Webers Brief an seinen Vater zu veröffentlichen, er sei damals über den von W. an ihn gerichteteten sehr verletzt gewesen und habe Weber nicht mehr geschrieben, er habe den Brief an seinen Vater aber erst nach Webers Tod in die Hände bekommen. Das von ihm vermutete ungünstige Urteil über ihn durch den Abdruck in MMW (II, S. 574–576) würde durch den Brief an seinen Vater (Weber-Studien Bd. 1, S. 21–22) korrigiert werden können
Incipit
„Leider kann ich nicht Zeit finden auf die Détails Ihres werthen Schreibens einzugehen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 55Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
Dazugehörige Textwiedergaben
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„Verzeihung für den schlimmen Frager!“ Der Briefwechsel zwischen Friedrich Wilhelm Jähns und Julius Benedict, in: Weberiana. Mitteilungen der Internationalen Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft e. V., Heft 20 (2010), S. 86–89 ,
Themenkommentare
Einzelstellenerläuterung
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„… Warscheinlich entstand meine irrige Ansicht“Bezogen auf eine Mitteilung Benedicts an Max Maria von Weber, die dieser in seine Weber-Biographie (MMW, Bd. 2, S. 460 und 513) übernommen hatte; vgl. Weberiana 20 (2010), S. 89.
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„… des Freischütz gesehen zu haben.“Im zweiten Brief an Caroline von Weber nach dem Tod ihres Mannes muss Hinrich Lichtenstein, der Weber von den Berliner Freunden am nächsten stand, schon auf die Pintos zu sprechen gekommen sein, denn in ihrem Antwortbrief vom 30. Juni 1826 schreibt Caroline: Von den Pinto’s haben wir bis jetzt nur wenig gefunden, ich hoffe Weber hat etwas davon mit nach England genommen, dann sollen Sie alles sogleich bekommen. Mir hat Weber oft den ganzen ersten Act vorgespielt, es wäre betrübt, wenn er ihn nicht aufgeschrieben hätte. Abschrift von Jähns: D-B, Weberiana Cl. V [Mappe IA], Abt. 3, Nr. 31b. zusätzlich: Zum Opernfragment Die drei Pintos vgl. auch Brief vom 13. November 1865.
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„… M. v. W.s Biographie abgedruckte“MMW, Bd. 2, S. 574–576.