Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 5. bis 7. Dezember 1818 (Teil 1 von 2)
Sonnabend, am 5. Dec. Zum erstenmale: Das Fischermädchen, oder Haß und Liebe. Lyrisches Drama in 1 Akt, von Th. Körner, Musik von J. P. Schmidt. Wird bei der zweiten Aufführung beurtheilt werden. Hierauf: Der unterbrochne Schwätzer. Lustspiel in einem Akt, von Contessa.
Sonntag, am 6. Dec. die Zauberflöte.
Montag, am 7. Dec. Correggio und Michel Angelo, Scenen aus dem dramatischen Gedicht: Correggio, von Oehlenschläger, in zwei Akten.
Die zur Darstellung auf unserer Bühne ausgewählten Scenen, wurden zum erstenmal bei einer Freivorstellung am allgemeinen Jubel- und Sachsenfeste gegeben, wo alle Schwester-Künste ihre Blumen in den immergrünenden Rautenkranz flochten. Dresden ist vor andern eine Kunststadt und nach dem freien Einverständniß von tausend Fremden und Ausländern, die uns alljährig besuchen, glänzt sie, ein Stern im nördlichen Europa, durch unveräußerliche Naturschönheiten und Kunstschätze im seltenen Verein. Wer die Schöpfung von Correggio’s Zauberpinsel in seinen drei Manieren durch sinnige Beschauung innigst sich anzueignen gedenkt, wird auf einige Zeit einheimisch in unserer Gemälde-Gallerie. Hier leuchtet das Licht, das der Welt aufging in der Finsterniß, das Christuskind vom Himmelsglanz umflossen, in der Nacht Correggio’s, hier betet seine Magdalene im einzigen Urbilde. Hier hängt mit Liebe das Auge des Kunstfreundes an der heiligen Familie des Giulio Romano, Rafaels größten Schülers, an seiner Maria della sedella, vom Wasserbecken so genannt, welches zum Abwaschen des Christuskindes dient. Hier stellen sich in seinen Marmormodellen Michel Angelo’s Nacht und Tag im Vorsaale der Antiken-Gallerie, hier sein Moses im Mengsischen Museum vor unser Auge. Es war also gewiß eine sehr zweckmäßige Wahl, wenn zu einem Feste, wo Dresden gern jeden seiner Vorzüge, jedes seiner Besitzthümer geltend machte, ein Stück zur Aufführung kam, welches Correggio’s Namen trägt und für uns nicht bloß ein dramatisches, sondern auch ein hohes artistisches Interesse haben mußte. Allein das Stück, wie es aus des gefeierten Dichters Hand gekommen und auf allen Bühnen Deutschlangs‡ bisher gegeben worden ist, war für einem‡ Abend, der auch noch ein anderes Festspiel haben sollte, zu lang. Es wurde also, was im Stück selbst nur Episode ist, das vom Dichter sinnreich angenommene Zusammentreffen der nach Mantua reisenden zwei großen Mei¦ster, des Michel Angelo und Giulio Romano mit Antonio Allegri im Dorf Correggio, seinen Geburts- und Wohnort, hier als ein eignes, für sich bestehendes Stück betrachtet und aus den drei ersten Akten die dahin gehörigen Scenen in zwei Akten zusammengestellt. So entstand, was der Titel besagt und erhielt, da alle dabei betheilten Schauspieler ihr Möglichstes thaten, schon bei der ersten Aufführung großer Beifall. Die von vielen gewünschte Wiederholung hat sich derselben Aufnahme zu erfreuen gehabt und verdiente sie in jeder Rücksicht.
Correggio selbst wird bei uns durch Hrn. Geyer gespielt, dem, als einem geschätzten Portätmaler, auch auf der Bühne die Palette und der Pinsel stets anmuthig zu Gebote stehn. Als denkender Bühnenkünstler hat er im Costüm und ganzen Wesen uns das lebendige Conterfei jenes Correggio gegeben, wie ihn Oehlenschläger sich dachte und Vasari ihn beschreibt. Wir sahen den durch Dürftigkeit niedergedrückten, aber durch sich selbst vollendeten Maler, der in seiner Frau und seinem Kinde die lieblichsten Modelle zu seinen Madonnen findet, den Maler himmlischer Grazie und irdischen Farbenreizes lebendig vor uns, bescheiden, gutmüthig, schwärmerischfromm. Die Scene, wo er von Michel Angelo’s Härte niedergeschmettert in herzzerschneidendem Jammer, seiner einzigen Trösterin, der Musa Malerei den Scheidebrief schreiben will, die Demuth, womit er Giulio’s Lobsprüche zuerst aufnimmt, können schwerlich richtiger ergriffen und dargestellt werden. Die Schwierigkeit ist nur dieß mit dem edlern, hier und da doch auch hervorbrechenden Selbstgefühl, mit den einzelnen Glutfunken, die seine Brust durchglühen, seine Wangen röthen müssen, in Eins zu verschmelzen. Hier würde für die Darstellung bloß dieser Episode noch etwas verstärkte Kraftäußerung an ihrer Stelle gewesen seyn. Ist aber der ganze Correggio gemeint, so wie er am Ende ausruft:
- was hab’ ich diesen Tag
erleben müssen: Hoffnung, Spott, Verzweiflung,
die höchste Freude, Marter, Hitze, Kränkung,
und wie er nun endlich unter allen Lasten, die seinen Geist und seinen Rücken drückten, vor unsern Augen im Walde entschlummert; so ist dieß alles durch die schon am Morgen sichbare Erschöpfung künstlerisch vorbereitet und berechnet. Wie gern sähen wir die Rolle auf diese Weise ganz durchgeführt! So würde der oft getadelte, in seinen tragischen Todesarten nicht immer wahrscheinliche Dichter gewiß gerechtfertigt da stehn.
(Der Beschluß folgt.)
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 5. bis 7. Dezember 1818 (Teil 1 von 2), dabei der erste Teil der Besprechung von „Corregio und Michel Angelo“ von Oehlenschläger.
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas
Überlieferung
-
Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 303 (21. Dezember 1818), Bl. 2v