Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater, 16. und 17. Januar 1819: „Aschenbrödel“ von Isouard (Teil 2 von 2)

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Aschenbrödel.

(Beschluß.)

Das in den Jahrbüchern Sachsens einzige Fest der Vermählungs-Jubelfeier unseres allverehrten, allgeliebten Herrscher-Paares trug nach dem Wunsche und Willen unsere erhabenen Monarchen, dem aller Prunkaufwand fremd ist, so sehr das Gepräge eines rührenden, nur im Innern des Pallastes, den die Neugeweihten seit fünfzig hochbeglückten Jahren bewohnen, ganz angemessen zu feiernden Familienfestes, daß jede besonders zu veranstaltende Feier, in andern, dem Könige gehörigen Lokalen, schon aus den eigentlichen Schranken herauszutreten schien. So durfte auch das königl. Hoftheater ein eigenes, darauf Beziehung habendes Festspiel vorzubereiten, so tief der Wunsch darnach in allen Mitgliedern desselben erglühete, und so gewiß die Mittel zur Ausführung desselben in jeder treuen Brust in Menge vorhanden gewesen wären, sich nicht ermächtigt halten, dies selbst einer höhern Weihe im Innern des Pallastes ehrerbietig überlassend. Doch war ja das ganze hochbegeisterte Sachsenvolk an diesem Tage Eine Familie, und so durfte es einem, durch so viele engere Bande der Ehrfurcht und Dankbarkeit an König und Königin, den von Gott hochbegnadigten Jubel-Vermählten, geknüpften, einzelnen Künstlerverein aus dieser Familie, unserer Schauspielergesellschaft, wohl anstehn, wenigstens in einem, durch eines ihrer Mitglieder auszusprechenden Prolog dem Entzücken, das alle fühlten, eine Zunge zu geben, und da noch ein Flämmchen anzuzünden, wo das ganze Vaterland ein hochauflodernder Opferaltar war. Der dem Theater durch Amtspflicht verbundene, als geistreicher Dichter von allen geschätzte Theodor Hell hatte ihn gedichtet; Mad. Schirmer hat ihn nach einer einleitenden Sinfonie, nachdem der Vorhang aufgerollt war, an ein sehr zahlreich versammeltes Publikum gesprochen. Der Prolog selbst ist, da er an demselben Abend überall gedruckt ausgetheilt worden ist, nicht nur in aller Händen, sondern, wir dürfen es ohne Verdacht der Schmeichelei sagen, in aller Herzen; da jeder dasselbe fühlte, es aber nur nicht so wahr, innige Tiefe mit so viel Zartheit paarend, auszusprechen vermochte, als der Dichter. Allein er wurde auch von der selbst tief ergriffenen, hochbegeisterten Sprecherin mit einer wahrhaft begeisternden und auch die leiseste Anspielung zart ertastenden und darstellenden Lebendigkeit vorgetragen. Bei solchen Aufgaben wird jede Kunst zur Bettlerin, „wo nicht der Lebensquell aus reiner Brust crystallhell springt.“ Tief fühlte sie die ehrenvolle Auszeichnung, wodurch sie heute zum Organ, nicht blos dieses Kreises, sondern der allgemeinen Jubelfeier hier und überall, wo an solchen Tagen Sachentreue die volle Brust hebt, gewählt worden war. Aber um so bewegter ¦ und bescheidener senkte sich auch ihre Stimme, als sie es am Schlusse aussprach, wie hier das Einzelne im Allgemeinen untergehe, und das anspruchlose Thautröpfchen – man kennt ja die orientalische Fabel, – im Ocean untertauchen müsse:

So geh denn unter in dem Allgemeinenmein leiser Ton, verschmelz’ in Aller Lust.Wo Millionen Freudenthränen weinen,da tönt es auch: Amalia und August!Und wenn die Blüthen mit der Frucht sich einen,Augusta! an der treuen Eltern Brust.O welche Wonne, dem sich hinzugebenim Jubelruf: Das Königshaus soll leben!

Die am folgenden Tage, am 18ten Jan. aufgeführte Dienstpflicht, von Iffland, enthält besonders gegen den Schluß manches gewichtige und deutungvolle WorT auf das, was den Sachsen nach Gott und Vaterland am heiligsten ist. Wurde es aus dem uns eignen Gefühle vom Schicklichen nicht laut ergriffen und hevorgehoben, so wurde doch jede Beziehuung gewiß gefühlt. Die Vorstellung selbst gnügte weit weniger, durch Mangel des raschen Zusammenspiels. Es sey erlaubt, hier ein Wort Iffland’s in Erinnerung zu bringen, das wir ihn selbst, als er, von Manheim kommend, sein erstes Gastspiel in Weimar gab, an der Tafel der unvergeßlichen Herzogin Amalia aussprechen hörten: Der bekommt vierzehn Tage lang kein freundliches Gesicht von mir, der in Stücken der Art auch nur einmal stockt und sich nach dem Einbläser-Kasten umsieht. – Schatten Iffland’s, wenn du bei mancher Darstellung deiner Lieblingsstücke jetzt noch erscheinen könntest! – Nicht das Berliner, sondern das Wiener Burg-Theater ist jetzt der Ort, wo sich noch die Schule, wie Iffland’s Stücke durch Vortrag und Spiel entlangweilt werden müssen, uneingeschläfert wach erhielt. – Das Publikum war übrigens gewiß zu frühlicher Theilnahme aufgeregt, da zwei ehrwürdige Veteranen unserer Bühne, die Hrn. Christ und Bösenberg, die Rollen des Kriegsraths Dallner und des Juden Baruch übernommen hatten, und uns aus schönen alten Zeiten muntere Anklänge vernehmen ließen. – Hr. Pauli vom Magdeburger Theater, spielte als Gastrolle den Bösewicht des Stücks, den Sekretär Fallbring. Die Aufgabe ist: stirnlose Frechheit und Verhärtung so zu spielen, daß sie doch der geschliffenen Glätte nicht entbehrt und nur im Monolog sich entlarvt. Es würde voreilig seyn, über unentschiedene Kunstfertigkeit und Talente bei einem früher noch niegesehenen Schauspieler à prima vista da urtheilen zu wollen, wo doch Deutlichkeit des Organs, Reinheit der Aussprache und Bekanntschaft mit der Bühne das Recht zum Gastspiel unläugbar darthun. –

Böttiger.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Aschenbrödel“ von Isouard (Teil 2 von 2). Danach über „Dienstpflicht“ von Iffland. Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 26 (30. Januar 1819), Bl. 2v

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