Portrait der Sophie Schröder

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Sophie Schröder.

(Hierzu das Portrait *).

Iffland sagte einmal vom Schauspieler: "Sein Kunstwerk geht dahin wie das Lächeln über das Gesicht des Menschen; darum rede der Freund und der Bewunderer des seltenen Talents ein dankbares Wort." Ein hoher Kunstgenuß ward uns in diesen Tagen, als die größte jetzt lebende Schauspielerin im Trauerspiel, die Meisterin, die alles kann, weil sie nur will, was sie kann, und weil, was sie will, auf volle Ruhe in der Bewegung, auf die vollendete Beherrschung ihrer großen Mittel und der Rolle selbst, und auf Sicherheit des Gelingens gegründet, also recht ist, Mad. Sophie Schröder eine Gemälde-Reihe ihrer vollendeten Kunstleistungen in Mimik und Declamation vor uns vorüber führte. Jeder möchte gern ein Bild von ihr mit unverlöschbaren Zügen in seine Gedächtnißtafel einzeichnen. Aber nur wenige sahen die bescheidene, einfach-wahre Frau, die, fern von Dünkel und Anmaßung, sich in traulicher Besprechung so gern giebt, wie sie ist, und sich nie ganz gnügt, außer der Bühne. Wir haben ihr Bild als Sappho in Kupfer gestochen vor Grillparzer’s hochgepriese¦nem, tiefgetadelten Drama, wie sie im zweiten Akte im Hauskleide erscheint, nach dem von ihr selbst gewählten Costüme. Hösel in Wien, der es stach, ist freilich weit, weit hinter dem Vorbilde geblieben, welches einer der glücklichsten und zartesten Portraitmaler, Daffinger, mit seltener Liebe und Kunst ausgeführt und durch ein freundliches Zusammentreffen der Umstände bei seiner Gegenwart in Dresden, in den Sälen unserer Kunstausstellung, vor unser Auge gebracht hat. Und alle Schwierigkeiten, welche die Radirnadel und der Stichel der Kupferstecher hier zu überwinden fanden, wohl erwogen, mag dieß Portrait, so wie es ist, noch immer zu den gelungensten zu zählen seyn. Indeß ist es doch nur dramatisches Charakterbild, und so sehr auch die Künstlerin in der Rolle der Sappho sie selbst ist, so muß doch, wenn anders die Vielgestaltende auch hier ihrer Rolle nichts vergab, etwas fremdartiges sich einmischen. Man will sie auch sehen, wie sie außer der Bühne gesehen wird. Der große Schröder in Hamburg, mit dem, beiläufig gesagt, unsere Künstlerin nur in geistiger Kunstverwandtschaft steht, übrigens aber mit ihm nichts als den ehrenvollen Namen gemein hat, sagte einmal zu einem Maler, der ihn in einer Rolle malen wollte: "Malt mir ein Gesicht, nicht eine Maske!["] – Darum mag nun beiliegendes Portrait, welches der kunstfertige Daffinger für einen Freund entwarf und ihm die eigene Lieblichkeit der Freundin einhauchte, in sofern willkommen seyn, als | es die reinen, durch keine Rolle aufgeregten Züge der Künstlerin darzustellen bestimmt ist. Die Eile, mit welcher der wackere junge Kupferstecher Stölzel seinen Stich vollenden mußte, gestattete freilich nur die allgemeinen Umrisse und festen Züge wiederzugeben. Und diese sind’s unfehlbar. Aber die Anmuth und Freundlichkeit des Originals, den geistigen Aufblick des seelenvollen Auges, den Reiz des Lebendigen muß man überall in einem so kleinen Bilde mehr ahnen, als finden wollen. Das ist überhaupt nicht Sache des Kupferstiches. Einige Worte über die dramatische Laufbahn der bewunderten Meisterin werden vielleicht manchem Leser keine ganz unwillkommene Zugabe seyn.

Antoinette Sophie Schröder, K. K. Hofschauspielerin in Wien, wurde den 1. März 1781 zu Paderborn geboren. Ihr Vater hieß Bürger und gehörte, wie ihre Mutter, demselben Stande an, der in der Tochter noch jetzt eine seiner vorzüglichsten Zierden findet. Sie ward in Thaliens Wiege geboren. Aber der Neugebornen lächelte Melpomene. Ihre Mutter heirathete nach dem frühen Tode des Vaters den Schauspieler Keilholz. Die ganze Familie ging dann zur Tyllischen Gesellschaft nach Petersburg. Obgleich schon in Kinderrollen gebraucht, sollte Sophie doch nicht für die Bühne sich bestimmen. Sie sollte sich ganz dem Gesange und der ausübenden Tonkunst widmen. Da aber das Personale der Tyllischen Gesellschaft sehr beschränkt und da durch den Tod der Mad. Stollmers das Fach der jugendlichen Rollen in Oper und Schauspiel unbesetzt war: so gab die Mutter der Bitte der bedrängten Directrice nach und ließ die im 14ten Jahre schon sehr ausgebildete Tochter auf der Bühne auftreten. Ihr Debüt war Lina in der Dittersdorfischen Oper: "Das rothe Käppchen." Die ganze Gesellschaft veränderte ihren Aufenthalt. Sie ging zuerst nach Reval. Hier heirathete das kaum 14jährige, fröhlich aufblühende Mädchen den verwitweten Stollmers, der sich allerdings Mühe gab, ihr allerlei von Kunst vorzusprechen. Aber abrichten wollte sich auch das junge Mädchen nicht lassen. Sie folgte lieber den Eingebungen ihres eigenen, sie nie täuschenden Genius. In Reval hatte damals der Stadt-Präsident Kotzebue großen Einfluß auf die Bühne. Sie war zu dieser Zeit mehr Sängerin, als Schauspielerin, und auch dieß nur in kleinen, scherzhaften und naiven Rollen. Doch entdeckte Kotzebue schon damals, als sie auf seinen Rath in Malwina das wilde Mädchen und im Opfer¦tod die sich selbst über ihrem Kinde erschießende Frau spielte, die Anlage zum höheren Schauspiel in ihr. Indeß war ihr Fach immer nur in leichten Conversationsstücken. Einige Rollen in solchen Stücken berechnete Kotzebue vorzüglich auf sie. Auf dessen Empfehlung erhielt sie, nachdem sie eine Zeitlang in Stettin gespielt hatte, ein Engagement beim Wiener Hoftheater, wo Kotzebue Hoftheater-Dichter geworden war. Von da kam sie mit Stollmers nach Breslau. Auch hier blieben naive Rollen in der Comödie ihr Lieblingsfach. Margaretha in den Hagestolzen, Gretchen in den Verwandtschaften, wurden von ihr als Debüt-Rollen mit ungewöhnlichem Beifalle gespielt. Doch war sie in Breslau vorzugsweise für die Oper engagirt worden. Als Hulda in beiden Theilen des Donauweibchens machte sie großes Glück. Voll Gefühls und leidenschaftlicher Reizbarkeit wurde sie ihrer dramatischen und häuslichen Verhältnisse in Breslau überdrüßig und vertauschte daher die Breslauer Bühne mit der Hamburgischen, wohin sie im Jahre 1801 Anträge erhielt. Hier war es, wo sich in ihr das Bewußtseyn erst ganz entwickelte, daß sie zu tragischen Rollen mit Erfolg übergehen könne. Häuslicher Kummer hatte ihre natüliche Fröhlichkeit in eine melancholische Stimmung versetzt. Der einst so munter sich bewegenden Psyche waren durch bittere Erfahrung die Flügel zwar nicht beschnitten worden – denn dieß vermochte keine menschliche Gewalt – aber sie schwebte lieber über Nachtviolen als Rosenhecken. Jetzt erst wurde der in ihr schlummernde Funke zum Trauerspiel zur Flamme entzündet. Die Zimmermeisterstochter Spindler in einem jetzt ganz vergessenen Stücke: "Julius von Sassen" vom Reichsgrafen von Soden, war ihre erste Rolle in diesem Fache. Alles war ihr an Schröder’s, der strengen Beurtheilers und ausübenden Kenners, Beifall gelegen. Noch jetzt erinnert sie sich der Wirkung, die ein billigendes Wort von diesem Meister in ihr hervorbrachte, als sie die Adelheid in Klingemann’s Vehmgericht gespielt hatte und ihr Schröder im Vorübergehn zuflisterte: "Sie haben die Scene des Geständnisses Ihrer Schuld unverbesserlich gespielt." Nicht immer wurde ihr so stärkende Aufmunterung zu Theil. So rettete sie einst Costenobles Zuspruch vor erschlaffendem Mißtrauen in sich selbst, während Iffland Gastrollen in Hamburg spielte und mit zurückweisender Kälte sie verschüchterte, als sie mit ihm in den Hausfreunden und im Hausfrieden gespielt und alle ihre Kunst vergeblich aufgeboten hatte, um dem bewunderten Meister und | Dichter zu gnügen. Sie war mit ihm zugleich herausgerufen worden!! In Hamburg verheirathete sie sich 1804 zum zweitenmale mit dem Sänger und Schauspieler Schröder. Sie hatte mit beiden Männern Kinder und ist im ganzen neunmal Mutter geworden. Drei hoffnungsvolle Töchter und ein Sohn zweiter Ehe beschäftigen noch jetzt in Wien fortdauernd ihre zärtlichste Muttersorge. Sie selbst entbehrte in ihrer früh der Bühne hingeopferten Jugend aller Hülfsmittel encyklopädischer Erziehung und Bildung durch Sprache und Wissenschaften, wie sie der großen Künstlerin unentbehrlich sind. Sie verdankt die vollendete Ausbildung zur Kunst- und Weltfrau allein der eigenen Beharrlichkeit und rastlosen Anstreungung in späteren Jahren. Was nun ihrer Jugend nicht zu Theil wurde, wünscht sie ihren Töchtern früh mitgetheilt zu sehn und opfert ihnen gern jeden höheren Anspruch an Lebensfreuden. Sie kennt das Muttergefühl in seinen Tiefen und stellt es daher mit der ergreifendsten Wahrheit auch auf der Bühne dar.

Unter den günstigsten Verhältnissen lebte sie 12 Jahre in Hamburg und genoß dort als ausgezeichnete Künstlerin die allgemeinste Achtung. Aber das für Hamburg so verhängnißvolle Jahr 1813 hob auch sie aus ihrer glücklichen Lage und nöthigte sie auszuwandern. Beim Einrücken des russischen Streifcorps unter General Tettenborn theilte sie den Jubel aller Einwohner und trat in Kotzebue’s Gelegenheitsstück: "Die Russen in Deutschland", mit der russischen Kokarde auf die Bühne. Bald war keine Hamburgerin, die sie nicht auch getragen hätte. Als nun der strenge Davoust im Junius 1813 zum zweitenmal in Hamburg seinen wenig gefeierten Einzug hielt, wurde ihr angemuthet, zunächst in der französischen Nationalkokarde zu spielen. Sie weigerte sich standhaft. Als ihr aber von dem Directeur die unberechenbaren Folgen dieser Beharrlichkeit für die Fortdauer der deutschen Bühne vorgestellt wurden; als alle Mitspielenden wehklagend um sie herum standen und versicherten, das Haus werde geschlossen und ihre und ihrer Familien Existenz werde gefährdet werden; da konnte sie dem Gefühle für fremde Leiden nicht versagen, was Furcht vor eigener Gefahr der deutschen Frau nie abgedrungen hätte. Nur mußte sich erst ihr Gatte, der sie auf’s heftigste bestürmte, durch feierliches Zusagen verpflichten, daß, wenn sie dem Verlangen der Gewalthaber buchstäblich Gnüge geleistet, sie sofort Hamburg verlassen wollten. Nun trat sie wirklich mit der ihr aufge¦drungenen, in ungewöhnlicher Fülle und spottenden Ueberladung aufbauschenden, französischen Kokarde in der sehr einsylbigen Rolle der Rosine in dem kleinen musikalischen Stück: "Nicht mehr als zwei Worte", auf und ging gleich nach der Vorstellung, mit ihren Kindern an der Hand, zum Thore hinaus, alle ihre häuslichen Einrichtungen und enggeknüpften Verhältnisse eines 12jährigen Aufenthalts in der Stadt, die ihr durch Freundschaft und Anerkennung vieler Edeln, ein zweites Vaterland geworden war, ihrem ungebeugten Sinn, ihrer Ueberzeugung muthig aufopfernd. Ein Paß, den sie schon früher sich zu verschaffen gewußt hatte, gewährte ihr einen ungehinderten Ausgang. Hierauf spielte sie noch acht Gastrollen im nachbarlichen Altona und verließ diese Stadt am Vorabend, als eben bekannt gemacht wurde, daß alle Hamburgische Ausgewanderte zurückwandern müßten. Sie trat über Bremen, Hannover, Frankfurt a. M. eine Kunstreise an, die überall die Zuschauer einer eisernen, ahnung- und kummervollen Zeit entrückte. Am letzten Orte fand sie einen böhmischen Kunstfreund aus jenen Geschlechtern, die in Prag durch ständische Vereine jede das Leben verschönernde Kunst kräftigst fördern und wohl als Beispiel für die Optimaten anderer Länder gelten mögen. Sie folgte seiner Einladung nach Prag, wo sie ihrem Contrakt mit dem Unternehmer Liebich treu, selbst da noch aushielt, als die, durch den Congreß zwiefach glänzende, Kaiserstadt ihr die annehmlichsten Aussichten darbot. Nun erst, als sie ihre Verbindlichkeit erfüllt hatte, folgte sie einem ehrenvollen Rufe zum Wiener Hoftheater, dessen Zierde im hochtragischen Rollenfache sie noch auf eine lange Reihe von Jahren bleiben möge!! Wien ehrt sich selbst, wenn es dieser Sappho gern den Lorbeerkranz bietet

Von Tausenden gesucht und nicht errungen,

und ihr, der Wiedergenesenen, oder von einer stärkenden Reise Zurückgekehrten mit Begeisterung entgegenkommt. Die hochherzigen Vorsteher aber ehren sich auch durch die Liberalität des Contrakts, der ihr alljährig eine Kunstreise in andere Gegenden unseres Gesammtvaterlandes gestattet, damit ihre Kunst von Vielen bewundert und von den Verständigsten zum Vorbild genommen werde.

– denn geizen mußdie Kunst des Mimen mit der Gegenwart,den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,muß seiner Mitwelt mächtig sich versichern,und im Gefühl der Würdigsten und Bestenein lebend Denkmal sich erbauen. –Böttiger.

[Originale Fußnoten]

  • *) Dieses Portrait wird in der Arnoldischen Buchhandlung auch besonders, das Exemplar zu 8 Groschen, verkauft.

Apparat

Zusammenfassung

Portrait der Sophie Schröder

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 200 (21. August 1819), Bl. 1r–2r

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