Über das Sujet des Oberon als Grundlage für ein Operntextbuch (Teil 3 von 3)

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Ueber Weber’s Oberon.

(Beschluß.)

Meinem Gefühle nach hätte nun statt der Prosa ein großes Duett Hüon’s und Rezia’s folgen sollen, als Blüthe jener herrlichen Poesie, an welcher der 9te Gesang der Wieland’schen Dichtung so reich ist. Denn hier tritt jener hohe Augenblick ein, wo die Seelen Hüon’s und Rezia’s sich ganz erkennen, und keusche, himmlische Liebe beide zu ihren Helden weiht.

So lang ich Dir zum Trost genugsam bin,Tauscht’ ich mein schönes Loos mit seiner Königin.So sprach das beste Weib und drückt mit keuschen LippenDas Siegel ihres Worts auf den geliebten Mund;Und mit dem Kuß verwandeln sich die KlippenUm Hüon her; der rauhe FelsengrundSteht wieder zum Elysium umgebildet, Verweht ist jede Spur der nackten Dürftigkeit,Das Ufer scheint mit Perlen überstreut,Ein Marmorsaal die Gruft, der Felsen übergüldet.

Nehmen wir zum Ersatze dafür das kurze aber höchst rührende Gebet Hüon’s an. Gut vorgetragen, kann es der Wirkung nicht entbehren. Auch die nun folgende Arie Rezia’s ist in mehrfacher Hinsicht auszuzeichnen. Das Musikstück hat einen Charakter der Größe, welchen die meisten andern Arien der Oper nicht besitzen. Der feurige Schluß ist von hinreißender Wirkung, und die Declamation in den ersten längeren Sätzen der Arie höchst ausdrucksvoll und meisterhaft. Nur liegt die ganze Stelle im Gebiete der beschreibenden Poesie, und man sieht deutlich, die Schilderung sey nur angelegt, um während des Gesanges die Abnahme des Sturmes, den Sonnenaufgang-Untergang als scenische Haupteffecte vorzuführen. So steht denn die Handlung hier still, und Poesie und Musik werden zu geschickten Dienerinnen der Scenerei. In dieser Hinsicht kann man es sich auch erklären, warum der Kritiker im Morning-Chronicle vom 13. April 1826 diese Scene ermüdend findet. Sie hat durch Weber’s Musik unzweifelhafte Schönheiten. Streng genommen, kann aber allerdings nicht geläugnet werden, daß die Anlage der Arie nicht ganz psychologisch richtig sey. Rezia, in ih¦rer Lage, niedergeworfen durch ihr Unglück, emporgehoben durch die Hand der Liebe, hingegeben der Erinnerung und Hoffnung, den Schrecken des Eilandes und den Entzückungen der Liebe, müßte ihre Gefühle unwillkürlich ausathmen, statt die Naturerscheinungen bei und nach dem Seesturm zu beschreiben; oder schilderte sie den Sturm, so müßte diese Schilderung nicht so ruhig didaktisch, sondern selbst mehr lyrischer Sturm der aufgeregtesten Phantasie einer Schiffbrüchigen seyn. Diese Bemerkung konnte in einer Kritik, die Alles Lobenswerthe gern anerkennt, nicht unterdrückt werden. Von Rezia’s Scene an, bis zum Schlusse des zweiten Actes, ist die Musik herrlich. Schon Oberon’s sanftes Erscheinen wirkt höchst wohlthätig. Der Zauberton der Meerfräulein, durch die Stille erklingend, ist holdeste Melodie, und die Elfentänze schweben auf den Wellen der Musik so reizend vorüber, daß unsere Seele „wohlgemuth, wohlgemuth“ mitschwärmt durch mondliche Gefilde. Auch der Text ist hier zart und schön. Fatimes einleitende Cavatine im dritten Acte ist, nach meinem Gefühle, eines der besten Musikstücke der Oper. Auch das Einfachschöne verdient seine Kronen, und in diesem Gesange athmet so liebliche Lebenswärme, die Melodie spielt sich so leicht in die Seele des Zuhörers, die Begleitung des Orchesters zu dem „al al“ mit dem csescendo ist so lebens- und ausdrucksvoll, daß wir dem flüchtenden Liebespärchen mit wahrer Herzensfreudigkeit über die Gränze folgen. Ich halte Fatime für eine wenigstens eben so dankbare Partie als Rezia, deren trübe Cavatine im dritten Acte sich mit jenem Musikstücke durchaus nicht messen kann. Weber schrieb Rezia’s Gesang ganz kurz vor seinem Tode. Scherasmin’s und Fatime’s Duett ist recht gefällig, und das darauf folgende Terzett wahrhaft schön. In Hinsicht der natürlichen Stimmenführung zeichnet es sich selbst vor Hüon’s letzter großer Arie aus. Ich muß bekennen, daß mir die Gesangsfiguren in derselben sehr schwierig scheinen. Selbst ein Babnigg hatte Mühe, durchzukommen, Beweis genug, daß die Arie für gewöhnliche Tenoristen fast unsingbar sey. Die Tänze in Roschana’s Halle sind reizend componirt, die letzte Wirkung des Zauberhorns auf den Sclavenchor drollig. Mit einem ganz herrlichen Marsche voll Feuer und Kraft, den Weber im Jahre 1818 als Krönungsmarsch zu dem Stücke: Heinrich der IV. von Frankreich, schrieb und mit Recht später wieder benutzte, schließt das Ganze würdig und schön.

Diese Beurtheilung lobt das Lobenswerthe und berührt das minder Gelungene. Ist das die Pflicht einer unbefangenen Kritik? Gehe.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 28, Nr. 87 (3. Mai 1828), Sp. 691f.

Textkonstitution

  • „genugsam“sic!

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