Georg Carl Friedrich Kunowski an Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein in Berlin
Berlin, Donnerstag, 8. März 1827

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Durch ein gestern eingegangenes Schreiben des Königlichen Kammerherrn Grafen von Redern, wurden wir in Kenntniß gesetzt, daß auf Ew: Hochfürstlichen Durchlaucht Befehl die Schieds-Richter-Commission über die Frage entscheiden soll, ob die Oper Oberon von M: v: Weber zu unserem Genre gehöre oder nicht. Wir haben demgemäß in Folge des mit den v: Weberschen Erben geschlossenen Vertrags, die Bevollmächtigten derselben zur Auslieferung der Partitur und des Buches aufgefordert, um beides der verehrlichen Commission zur Prüfung vorzulegen. Inzwischen halten wir uns verpflichtet, Ew: Hochfürstlichen Durchlaucht über die Schritte, die wir in Beziehung auf diese Oper gethan, nachstehendes ehrerbiethigst vorzutragen.

Schon als im Frühjahr 1825. C: M: v: Weber den Auftrag, die Oper zu componiren übernommen hatte, und das Buch ihm bereits vorlag, und zum Theil componirt war, unterhandelte der mit unterzeichnende Syndikus im Auftrag der Direktion mit ihm, wegen Überlassung derselben an das Königsstädtsche Theater, und erhielt von ihm nicht nur die Versicherung, daß die Oper, ihrer ganzen Anlage nach, durchaus zum Genre des Königsstädtschen Theaters gehöre, sondern auch in Gegenwart eines eines hier lebenden achtbaren Zeugen die Zusage, dieselbe diesem Theater zu überlassen. Nachdem dieselbe bereits zahlreiche Vorstellungen in London erlebt hatte, und der ganze Inhalt des Buchs, so wie die vorzüglicheren Musik-Stücke bereits allgemein bekannt waren, brachten wir die Oper | auf unser Repertoir vom 15ten Juni 1826. – Wir erhielten darauf die unterthänigst in Abschrift beigefügte Protestation vom Commite der Königlichen Schauspiele vom 19ten Juni 1826, worauf wir unterm 8ten July v: J: die abschriftlich beiliegende Antwort erhielten. Seitdem blieb die Sache in suspenso. Inzwischen war mit dem 15ten December v: J: dieselbe den Königlichen Bühnen als Concurrenz-Stück verfallen, ohne, daß sie demungeachtet auf die, seitdem eingegangenen 3 Repertoire der Königlichen Bühnen aufgenommen worden wäre. – Wenn wir hieraus den Schluß gezogen, daß die Königlichen Theater die Darstellung dieser Oper ihrer Concurrenz nicht gemäß fänden, so ward diese Meinung nicht nur durch das Gerücht unterstützt, sondern sie ward auch, durch die Versicherung der hiesigen Bevollmächtigten der v: Weberschen Erben, des Königlichen Rektors und Professors Dr Lichtenstein und des Banquiers Heinrich Beer bestätigt, welche uns versicherten, daß sie sich mit der Königlichen General-Intendantur, mehrfacher Unterhandlungen ungeachtet, deshalb nicht einigen könnten. –

Veranlaßt durch den unmittelbaren Auftrag der v: Weberschen Erben in Dresden trugen sie nunmehr uns die Oper an, jedoch mit dem Beifügen, daß sie zuförderst noch bis zum 23sten Februar c: auf die Schlußerklärung der Königlichen General-Intendantur zu warten verpflichtet wären. Auf unsere am 24sten Februar bei ihnen gemachte Anfrage: ob und in welcher Art diese Schluß-Erklärung eingegangen sey, erhielten wir zur Antwort, daß sie sich ohne schriftliche Erwiederung | der Königlichen General-Intendantur befänden, und am 27sten mit uns abzuschließen bereit wären.

An diesem Tage veranstalteten wir eine Conferenz mit denselben, in welcher sie zuförderst wiederholten, daß ihnen noch keine Antwort von der Königlichen General-Intendantur zugekommen sey, daß sie also, da sie sich blos verpflichtet hatten, bis zum 23sten Februar c: darauf zu warten, in keiner Art verhindert wären, mit uns abzuschließen.

Erst an diesem Tage, und nachdem wir sonach völlig überzeugt seyn durften, daß von Seiten der Königlichen General-Intendantur nicht mehr auf jene Oper reflectirt werde, sicherten wir uns deren Besitz durch einen schriftlichen Contract mit den, durch gerichtliche Vollmacht legitimirten Mandatarien.

Ew: Hochfürstl: Durchlaucht wollen aus dieser actenmäßigen Darstellung der Sache einen Schluß auf unser Erstaunen machen, als wir jetzt dennoch erfahren müssen, daß uns diese Oper streitig gemacht werde. Seit länger als Jahresfrist beschäftigt sie das musikalische Publikum von ganz Europa; seit viel längerer Zeit soll sie der Componist auch den Königlichen Bühnen versprochen haben, und dennoch ist sie dem Repertoir derselben bis zum heutigen Tage nicht einverleibt worden.

Seit einem halben Jahre und länger unterhandelt die Königliche General-Intendantur mit den v. Weberschen Erben über den Besitz der Partitur; | sie war, wie wir ganz gewiß wissen, zeitig vor dem Abschlusse unseres Vertrages davon durch die v Weberschen Bevollmächtigten in Kenntniß gesetzt, daß man uns die Oper überlassen werde, wann bis zum 23sten Februar c: die Annahme derselben nicht erfolgte, und dennoch ward die Sache damals noch so wenig als dringend betrachtet, daß die Bevollmächtigten sich am 27sten Februar c: noch ohne Antwort befanden.

Nun, nachdem es verlautete, daß wir die Oper gekauft hätten, ward die Angelegenheit zum Gegenstand der höchsten Wichtigkeit gemacht, ja, als Ehren-Sache betrachtet, und durch Gerüchte, so wie durch die Federn der Libellisten die Meinung verbreitet, daß sie uns streitig gemacht werde, und uns nicht gebühre.

Dem Ausgange dieses Streites können wir ruhig entgegen sehen, denn es ist unmöglich, daß eine Oper, in welcher 3 charakteristische Buffo-Rollen (Scherasmin, Puck und Fatime) enthalten sind, welcher eine von Grund aus komische und von Shakespar, Wieland und allen ihren Nachahmern nur komisch behandelte Fabel zum Grunde liegt, als unserm Genre nicht angehörig betrachtet werden könnte. Der bloße Umstand, daß sie auf dem Titel: „Romantische Oper“ heißt, kann ihr den Charakter einer Opera buffa nicht entziehen, denn es giebt eben sowohl komisch als romantisch ernste Opern, und die fragliche möchte unter den bis jezt bei uns dargestellten, leicht zu denen gehören, in denen der komische | Charakter am meisten vorwaltet. –

Jeder Zweifel dürfte indessen verschwinden, wenn Ew: Hochfürstl: Durchlaucht gnädigst erwägen wollten, daß wir die Oper Oberon von Wranitzky nicht nur unterm 15ten November 1824. bereits auf unser Repertoir gebracht, sondern ohne alle Widersprüche von Seiten der Königl: General-Intendantur wiederholt dargestellt haben, und daß das Buch des Oberon von Weber Scene für Scene dem Wranitzkyschen Buche nachgeschrieben ist, und sich nur dadurch von jenem älteren unterscheidet, daß es viel komischer gehalten, und, statt, mit einer Buffo-Parthie mit 3 dergleichen ausgestattet ist.

Mit welcher Consequenz würde es nun wohl geschehen können, daß man uns den Weberschen Oberon entzöge? – Wir bauen indessen auf Ew: Hochfürstl: Durchlaucht Gerechtigkeit, welche es nicht zulassen wird, uns aus dem wohlerworbenen Besitz eines Werkes zu setzen, welches uns offenbar nur darum streitig gemacht wird, weil des Meisters Name und Ruf demselben größern Successe verspricht, als von der minder komischen gleichbenannten Oper von Wranitzky zu erwarten war.

Die wir mit größtem Respekt unterzeichnen alsEw: Hochfürstl: Durchlaucht
ganz unterthänigste
Die Direktion des Königsstädter Theater-
Aktien-Vereins. Im Auftrage
Kunowsky
Berlin
den 8ten März 1827.

Apparat

Zusammenfassung

behauptet, dass Weber den Oberon dem Königsstädtischen Theater überlassen habe, da er dem Genre nach an dieses Haus gehöre; schildert den gesamten Verlauf der Auseinandersetzung um die Oper mit den Königlichen Schauspielen; sieht dem Ausgang des Streits ruhig entgegen, da die vielen komischen Rollen im Stück seine Argumentation stützen

Incipit

Durch ein gestern eingegangenes Schreiben des Königlichen Kammerherrn Grafen von Redern, wurden wir in Kenntniß gesetzt

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. theor. 1018, Bl. 36–38

    Quellenbeschreibung

    • Kopisten-Abschrift für Brühls Acta Privata zum Oberon

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Tv: Joachim Veit, Wranitzky contra Weber (S. 1446)

Textkonstitution

  • „eines“sic!

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