Giacomo Meyerbeer an Ambrosius Kühnel in Leipzig
Darmstadt, Donnerstag, 9. August 1810

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Herrn

A Kühnel Wohlgebohren

Au burau de musique.

in

Leipzig.

franco.

Wohlgebohrner Herr!

Wegen der Abwesenheit des Herrn Baron von Weber hat mir der Herr Geheime Rath Vogler den Auftrag ertheilt, Ihr werthes Schreiben vom 3ten August zu beantworten. Demnach habe ich die Ehre Ihnen hiedurch anzuzeigen, daß der Herr Geheime Rath gesonnen ist Ihnen die bewußten 12 Choräle, für den Preis von 8 Friedrichsd’or abzulassen, exclusive 6 Exemplare die er, theils zu seinem eignen Gebrauch, theils zum Verschenken an einige Freunde, zu haben verlangt. Ich bin überzeugt, daß Sie, so wie ich, dieses Honorar äußerst mäßig finden werden. —. Mit Ihrem Urtheil zwar ganz übereinstimmend, daß diese Choräle nicht für alle Leute brauchbar sind, bemerke ich jedoch, daß sie hingegen für alle Zeiten brauchbar sind, denn, mag auch Mode und veränderter Zeitgeschmack die jetzige Formen der Musik einstmal zerstören; die Harmonie ist nicht zu erschüttern, sie stehet felsenfest, und was in ihr vortreffliches geleistet, das wird, wie gewiß auch diese Choräle; ewig währen. —.

Von den 4stimmigen Hymnen a capella die Sie zu stechen wünschen*, will Ihnen der Herr Geheime Rath 12 Stück, ebenfalls für 8 Friedrichsd’or geben, wobei Sie jedoch auch noch eine ästhetisch-kritische Zergliederung derselben erhalten.
T. S. V. P.
| Es befinden sich unter diesen Hymnen die 4 Antiphonen, Salve und Ave Regina: regina coeli, und alma redemptoris. Ferner, o salutaris hostia, o sacrum convivium etc etc. —. Ich glaube daß Ihnen dieselbe von großen und mannigfachen Nutzen sein werden, denn sie eignen sich durch ihren fließenden lieblichen Gesang, und durch die Leichtigkeit der Execution, eben so zum Gebrauch in musikalischen Gesellschaften, als ihr erhabener Styl, und die kunstreiche contrapunktische Ausführung, sie für Aufführungen in Kirchen passend macht, besonders für solche, deren Messen den Gebrauch eines Orchesters nicht gestattet. —. Die Zergliederung gewährt noch einen neuen Vortheil, denn hiedurch werden diese Stücke zu gleicher Zeit ein äußerst nützliches und zweckmäßiges Studium für Junge, (und wahrlich auch für sehr viele alte) Tonkünstler. —. Was nun die 8stimmigen Hymnen betrifft, so will der H GeheimRath 1 Friedrichsd’or für jede haben. Orgelkonzerte und theoretische Werke aber besitzt er für jetzt nicht. —. Der Erfolg dieser Unterhandlungen wird für künftige Geschäfte vieles entscheiden. —.

Schließlich ergreife ich diese Gelegenheit mit großem Vergnügen um Ihnen noch einmal recht herzlich für die vielfache Gefälligkeiten zu | danken welche Sie mir, als ich vor anderthalb Jahren mit dem Herrn Kapellmeister Weber von Berlin, in Leipzig war, auf eine so humane Weise erzeugten. Sein Sie versichert, daß ich nichts sehnlicher wünsche, als Ihnen auf eine ähnliche Weise recht bald dienen zu können —. Ich bin übrigens jetzt so glücklich den Unterricht des Herrn Geheimen Rath Vogler zu genießen und zu der kleinen Zahl seiner Schüler zu gehören mit denen er in seinem hohen Alter nicht verschmähet, noch einmal den großen Kreislauf seiner musikalischen Beobachtungen und Erfahrungen zu durchlaufen.

Dieses ist es auch was mir das Vergnügen verschafte Ihnen heute meine schriftliche Hochachtung zu bezeugen und mich Ihnen nochmals bestens zu empfehlen.Ihr
ergebner
Meyer Beer.

Dem guten Herrn Riem bitte ich
mich vielemal zu empfehlen.

P. S. Die Bezahlung für seine Manuscripte erwartet der Herr Geheimrath in Natura (in Gold) und per Postwagen.

Apparat

Zusammenfassung

übermittelt Voglers Honorarvorschläge bezüglich seiner Verbesserungen der Bach’schen Choräle (mit Webers Zergliederung), die überzeitlichen Wert haben, der vierstimmigen Hymnen, die Meyerbeer bezüglich ihrer Sanglichkeit und Kunstfertigkeit hervorhebt, sowie der achtstimmigen Hymnen; dankt für Kühnels Gefälligkeiten während seines Leipzig-Besuchs vor anderthalb Jahren; berichtet, nun Schüler Voglers zu sein

Incipit

Wegen der Abwesenheit des Herrn Baron von Weber hat mir der

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Stockholm (S), Stiftelsen Musikkulturens främjande (S-Smf), Nydahl Collection
    Signatur: Nr. 5617

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • am oberen Rand der Adressenseite Verlagsvermerke: „1810 | d. 9t Aug. | d. 15t — | Beer | Darmstadt

    Provenienz

    • Cohn, Albert: Kat. 173 (1886) Nr. 1085
    • ebd., Kat. 169 (1885) Nr. 478

Textkonstitution

  • „burau“sic!
  • Messen den“über der Zeile hinzugefügt
  • „Messen“unsichere Lesung

Einzelstellenerläuterung

  • „… die Sie zu stechen wünschen“Vier Hymnen für Sopran, Alt, Tenor und Bass mit Klavierbegleitung ad lib. erschienen später bei André in Offenbach (VN: 3687). Weitere Hymni Sex quatuor vocibus cantandi wurden 1822 von F. Hofmeister in Leipzig verlegt (VN: 841).
  • T. S. V. P.Abk. von „tournez s’il vous plait“.

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