Carl Maria von Weber an Thaddäus Susan in Salzburg
Augsburg, Donnerstag, 30. Juni 1803

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Innigst geliebter Freund und Bruder!

Eben erhalte ich dein liebes Schreiben vom 24. Juny und meine Freude endlich einmal wieder etwas von dir zu hören, von dem ich mich schon ganz vergessen wähnte, war grenzenlos. Entschuldigung! wozu brauchst du die, in meinem Herzen warst du lang entschuldigt, und fällt nicht sogar ein Theil der Schuld auf mich? Warum war ich so eigensinnig, erst eine Antwort abwarten zu wollen eh ich selbst wieder schrieb? künftig werde ich deine Wahrheit öfter auf die Probe stellen. Nun zu or dentlicher Beantwortung eines jeden Punktes deines Briefs. Meine Beschreibung des Coburger Hofs war ganz meiner damaligen Ansicht der Dinge gemäß, aber seit ich dir jenen Brief schrieb, bin [ich] in meiner Menschenkenntniß wieder ganz irre geworden. Ich glaube dir bereits geschrieben zu haben, daß Hr. Schneider, wie ich bey ihm war*, mir die Stimmen meiner Oper auf der Stelle abkaufte und bezahlte, und ich ihm nur noch die Partitur und das Buch von Augsburg schicken sollte; ich thue das, nebst einer Anweisung, wohin das übliche Geld zu bezahlen, und denke dir mein Erstaunen, er halte statt des Geldes, oder eines Briefes, der mir den Empfang desselben zusicherte, meine Partitur und alles durch den nämlichen Fuhrmann uneröffnet zurück. Seit der Zeit habe ich öfters an ihn geschrieben, ihm die billigsten Bedingungen gemacht, um nur eine Antwort zu erhalten, habe aber nie eine Zeile von ihm bekommen. Was er nun mit den bezahlten Stimmen, die für ihn ganz ohne Nutzen sind, anfangen will, weiß ich nicht, daher kam es mir nicht so ganz unerwartet, das du auch noch keine Antwort hast.  – Für deine beyden Beyträge für das Lexikon danke ich herzlich*, von Schinn habe nichts erhalten, und ich bitte dich, die übrigen saumseligen Herren doch noch einmal der guten Sache wegen zu erinnern. Ich finde wahrhaftig von Tag zu Tage mehr, daß man die Menschen ordentlich dazu zwingen muß, daß sie nur die Güte haben etwas zu ihrem eigenen Besten zu thun, denn die Leute glauben wirklich sie thun mir die größte Gnade an, wenn sie mich mit ihren uninteressanten Künstlergeschichten beglücken. – Von der Rezension des Taschenbuches sage ich weiter nichts, als daß ich hoffe, sie bald selbst mit dir durchgehen zu können*. – Du staunest? ja ja es ist wahr, ich glaube dich bald umarmen zu können, das wie? sollst du gleich erfahren. Schon lange war es bey mir und meinem Vater beschlossen, zu Ende künftigen Monats nach Wien zu gehen (denn daß in Augsburg meines Bleibens nicht ist, hast du errathen) und dein Brief hat mich bestimmt, meinen Vater zu bewegen, daß er mir versprochen hat, über Salzburg zu gehen* und dort vielleicht einige Zeit zu verweilen, von wo aus du leicht mit uns nach Wien gehen könntest. Nun eine Bitte. Erkundige dich gleich nach einem Quartier für uns, in welcher Gegend der Stadt es auch sey, und schreibe mir ja mit umgehender Post wo und wie theuer es sey, worauf ich dann gleich den Tag meiner Ankunft berichten werde. Den Apollon und Bach will ich nehmen*, wenn Hr. Haker dagegen Musik aus Gombart’s Verlage nehmen will; will er, so nimm die Bücher gleich zu dir, und schreibe mir, was er will, damit ich es mitbringen kann. –

Bruder! meine Brust ist so voll, daß ich ohn möglich mehr schreiben kann, die Sehnsucht, dich bald an mein Herz drücken zu können, macht, daß es mir vorkömmt als wenn ich eine Sünde beginge, wenn ich den Brief aufhalte, schnell zu seiner Bestimmung zu gelangen. Alles übrige im nächsten, schreib doch ja gleich wieder, ich kann nicht mehr.
  Dein dich ewig liebender Freund und Bruder
                                    C. M. v. Weber m. p.

Apparat

Zusammenfassung

revidiert sein Urteil über L. Schneider, der seine Oper angefordert u. Stimmen gekauft hat, dann aber die Part. ohne Antwort zurücksandte; dankt für S's Lexikonbeiträge, wartet auf versch. Beiträge anderer; kündigt Besuch in Salzburg auf der Reise nach Wien an; über zu erwerbende Bücher

Incipit

Eben erhalte ich dein liebes Schreiben vom 24. Juny

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Verbleib unbekannt

    Provenienz

  • 2. Textzeuge: Briefe von Carl Maria von Weber, in: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Jg. 28, Nr. 1 (2. Januar 1843), S. 2f.

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Nohl, Ludwig: „Briefe C.M.von Weber’s“, in: Mosaik. Leipzig 1882, S. 66–68

Textkonstitution

Textwiedergabe nach Erstdruck 1843

    Einzelstellenerläuterung

    • „… wie ich bey ihm war“Weber besuchte Schneider am 16. November 1802 .
    • „… das Lexikon danke ich herzlich“Gemeint sind wohl Texte für Gerbers Tonkünstlerlexikon, für das Weber ca. 1803 vier Beiträge schrieb; vgl. auch Webers Brief vom 23. Dezember 1802.
    • „… mit dir durchgehen zu können“Vgl. Brief von Weber an Susan vom 23. Dezember 1802.
    • „… hat, über Salzburg zu gehen“Im Intelligenzblatt von Salzburg, 1803, Nr. 34 (20. August), Sp. 535 dokumentiert eine Fremdenanzeige, dass „Den 16. August. Freyherr von Weber und Sohn, von Augsburg“ in Salzburg ankamen und „Beym Hofwirth“ abstiegen.
    • „… und Bach will ich nehmen“Apollon, 1803 bei Dienemann in Penig erschienene Zeitschrift sowie Carl Philipp Emanuel Bach, Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen, 3. Aufl., Teil 1, Leipzig 1787; vgl. dazu Eveline Bartlitz, Ein-Blick in Carl Maria von Webers Bücherschrank, in: Weberiana 17 (2007), S. 54 .

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