Carl Maria von Weber an Thaddäus Susan in Salzburg
Wien, Samstag, 8. Oktober 1803
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Daß ich so lange nicht schrieb darf dich nicht wundern, denn erstlich hatte ich die erste Zeit mit Abgebung meiner Briefe viel zu thun und zweytens wollte ich dir nicht eher schreiben, bis ich das Frey schreiben konnte. Ja, Frey bin ich, ganz mein Herr*, lebe ganz der Kunst. Ich habe das Glück gehabt, den Abt Vogler kennen zu lernen, der nun mein bester Freund ist, und bey dem ich nun sein vortreffliches System studiere. Ich bin täglich vier bis fünf Stunden bey ihm, und denke dir die Freude, die er mir vor einigenTagen machte, ich war Abends bey ihm (NB. du mußt wissen, daß er für das Wiedner Theater eine Oper schreibt, von der noch keine Seele etwas gesehen geschweige gehört hat, denn er componirt bloß bey der Nacht) auf einmal läuft er ins dritte Zimmer hinaus, verschließt die Thüre, macht die Fensterläden zu, und thut so geschäftig daß uns Niemand überraschen soll, daß ich gar nicht weiß, was das Alles bedeutet, endlich bringt er einen Pack Noten, setzt sich ans Klavier, und spielt mir nachdem ich ihm heiliges Stillschweigen angelobt hatte, die Ouverture und einige andere Stücke der Oper vor. Es ist ganz göttliche Musik, und dann, – was meinst du – gibt er mir sogar seine eigenhändige Partitur der Ouverture mit, um so nach und nach die Oper in Klavierauszug zu setzen. – nun sitze ich darüber und studiere, und freue mich, daß ich oft des Teufels werden möchte – vor Freude. Deinen Bruder habe ich ein paarmal gesprochen, und er war auch so gütig mich zu Herrn Neukomm zu führen. Neukomm ist ein vortrefflicher Mensch; und ich hoffe wir werden recht gute Freunde werden, außerdem war ich bey Salieri, Täuber Girowetz, Schupanzig, Hauschka, Madam Aurenhammer; lauter große Leute, auch bey Wranizki. – a propos bald hätte ich das beste vergessen. Wie steht es mit dir? willst noch lange da droben versauern?– Ich bitte dich um Gottes-, deinet-, der Kunst- und um meinetwillen, komme herab zu deinem Bruder und mir, es kann dir hier nicht schlecht gehen, komme weil noch das Wasser offen ist, wir wollen ja alle gerne für dich sorgen, ich habe schon viele Bekanntschaft, komme !!!! Überbringer dieses ist nächst dir mein bester Freund, Doctor Munding aus Augsburg. Mehr schreibe ich dir nicht von ihm, denn ihr werdet euch sehen und finden. Ich kann nicht mehr schreiben, weil der Doctor um 12 Uhr geht, und jetzt ist’s 1/2 12. Nächstens mehr. Schreibe mir bald und viel, denke, daß ich ja jetzt ganz allein bin.
Lebe wohl
dein ewig liebender Freund und Bruder
C. M. v. Weber
Apparat
Zusammenfassung
sein Vater hat ihn allein gelassen und er äußert sich nun begeistert über den Unterricht bei Vogler, der ihm seine neue Oper Samori zum Klavierauszug gegeben habe; über Bekanntschaften in Wien; ersucht ihn, nach Wien zu kommen und empfiehlt den Überbringer, Dr. Munding
Incipit
„Daß ich so lange nicht schrieb darf dich nicht wundern“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung in 2 Textzeugen
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1. Textzeuge: Verbleib unbekannt
Provenienz
- Stargardt, Der Autographensammler, Kat. 408 (1938), Nr. 348
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2. Textzeuge: Briefe von Carl Maria von Weber, in: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Jg. 28, Nr. 1 (2. Januar 1843), S. 3f.
Dazugehörige Textwiedergaben
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Nohl, Ludwig, Briefe C.M.von Weber's, in: Mosaik. Leipzig 1882, S. 68–70
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Worbs 1982, S. 16–17
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